idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
01/15/2021 12:59

Designer-Zytokin lässt gelähmte Mäuse wieder gehen

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bisher sind Lähmungen, die auf Rückenmarksschädigungen zurückgehen, irreparabel. Mit einem neuen Therapieansatz ist es dem Team des Lehrstuhls für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) unter der Leitung von Prof. Dr. Dietmar Fischer erstmals gelungen, gelähmte Mäuse wieder zum Laufen zu bringen. Die Schlüssel dazu sind das Protein Hyper-Interleukin-6, das Nervenzellen zur Regeneration anregt, und die Art und Weise wie es den Tieren zugeführt wird. Die Forscherinnen und Forscher berichten im Journal Nature Communications vom 15. Januar 2021.

    Wenn die Kommunikation abreißt

    Rückenmarksverletzungen durch Sport- oder Verkehrsunfälle ziehen häufig bleibende Behinderungen wie Querschnittslähmungen nach sich. Die Ursache liegt in der Schädigung von Nervenfasern, sogenannten Axonen, die im Rückenmark Informationen vom Gehirn zu den Muskeln und umgekehrt von Haut und Muskeln zurückleiten. Durch eine verletzungs- oder krankheitsbedingte Schädigung dieser Fasern ist diese Kommunikation unterbrochen. Da durchtrennte Axone im Rückenmark nicht nachwachsen können, bleiben lebenslang Lähmungen und Taubheitsgefühle zurück. Bis heute gibt es noch keine Therapieoptionen, die die verloren gegangenen Funktionen bei betroffenen Patienten wiederherstellen könnten.

    Designer-Protein regt die Regeneration an

    Auf der Suche nach möglichen Therapieansätzen arbeitet das Bochumer Team schon seit längerem mit dem Protein Hyper-Interleukin-6, kurz hIL-6. „Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Designer-Zytokin, das bedeutet, es kommt so in der Natur nicht vor und musste gentechnologisch hergestellt werden“, erklärt Dietmar Fischer. Seine Arbeitsgruppe konnte schon in einer früheren Arbeit darlegen, dass hIL-6 die Regeneration von Nervenzellen im visuellen System effizient anregen kann.

    In ihrer aktuellen Arbeit brachte das Bochumer Team Nervenzellen des Motosensorischen Cortex dazu, Hyper-Interleukin-6 selbst zu produzieren. Dazu nutzten sie für die Gentherapie geeignete Viren, die sie in ein gut zugängliches Gehirnareal injizierten. Dort bringen die Viren den Bauplan für die Produktion des Proteins in bestimmte Nervenzellen, die sogenannten Motoneurone. Da diese Zellen über axonale Seitenäste auch mit anderen, für Bewegungsvorgänge wie das Laufen wichtige Nervenzellen in anderen Gebieten des Gehirns verknüpft sind, wurde das Hyper-Interleukin-6 auch direkt zu diesen sonst schwer zugänglichen, aber wichtigen Nervenzellen transportiert und dort gezielt freigesetzt.

    An einem Ort behandelt, an mehreren Orten wirksam

    „So wurde durch die gentherapeutische Behandlung nur weniger Nervenzellen die axonale Regeneration verschiedener Nervenzellen im Gehirn und mehrerer motorischer Trakte im Rückenmark gleichzeitig angeregt“, erklärt Dietmar Fischer. „Das hat es letztlich ermöglicht, dass die so behandelten, zuvor gelähmten Tiere nach zwei bis drei Wochen begannen zu laufen. Dies hat uns am Anfang sehr überrascht, da es noch nie zuvor nach einer kompletten Querschnittslähmung gelungen ist.“

    Das Forschungsteam untersucht nun, inwieweit sich dieser oder vergleichbare Ansätze mit weiteren Maßnahmen kombinieren lassen, um die Gabe von Hyper-Interleukin-6 weiter zu optimieren und zusätzliche Funktionsverbesserungen zu erreichen. Auch untersuchen die Forscherinnen und Forscher die Frage, ob Hyper-Interleukin-6 bei Mäusen auch dann noch positive Effekte erzielt, wenn die Verletzung schon mehrere Wochen zurückliegt. „Dieser Aspekt wäre für eine Anwendung am Menschen besonders relevant“, unterstreicht Fischer. „Wir betreten nun wissenschaftliches Neuland. Diese weiteren Untersuchungen werden unter anderem zeigen, ob die Übertragung dieser neuen Ansätze auch auf Menschen zukünftig möglich sein wird.“
    Förderung

    Die Arbeiten wurden unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

    Originalveröffentlichung

    Marco Leibinger, Charlotte Zeitler, Philipp Gobrecht, Anastasia Andreadaki, Günter Gisselmann, Dietmar Fischer: Transneuronal delivery of hyper-IL-6 enables functional recovery after severe spinal cord injury in mice, in: Nature Communications, 2021, DOI: 10.1038/s41467-020-20112-4, https://rdcu.be/cdCob

    Pressekontakt

    Prof. Dr. Dietmar Fischer
    Lehrstuhl für Zellphysiologie
    Fakultät für Biologie und Biotechnologie
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 29602
    E-Mail: dietmar.fischer@rub.de


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Dietmar Fischer
    Lehrstuhl für Zellphysiologie
    Fakultät für Biologie und Biotechnologie
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 29602
    E-Mail: dietmar.fischer@rub.de


    Original publication:

    Marco Leibinger, Charlotte Zeitler, Philipp Gobrecht, Anastasia Andreadaki, Günter Gisselmann, Dietmar Fischer: Transneuronal delivery of hyper-IL-6 enables functional recovery after severe spinal cord injury in mice, in: Nature Communications, 2021, DOI: 10.1038/s41467-020-20112-4, https://rdcu.be/cdCob


    More information:

    https://rdcu.be/cdCob - Originalpaper


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).