idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Damit das Immunsystem Krebszellen wirksam erkennen und bekämpfen kann, haben Forscher*innen von MDC und Charité eine neue Gentherapie auf Basis eines speziellen T-Zell-Rezeptors entwickelt. Sie wird nun in einer Phase-I-Studie bei Patient*innen mit Knochenmarkkrebs auf ihre Sicherheit hin überprüft.
- Gemeinsame Pressemitteilung von MDC und Charité -
Nach 20 Jahren Vorarbeit in den Laboren des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, aus der unter anderem die Biotech-Ausgründung T-knife entstanden ist, kommt nun die Idee von einer neuen Gentherapie gegen Krebs erstmals in der Klinik zum Einsatz. Vor einigen Wochen hat die erste Patientin mit Multiplem Myelom eine Infusion mit ihren T-Zellen bekommen. Die körpereigenen Immunzellen waren zuvor gentechnisch so verändert worden, dass ihre Rezeptoren den Krebs erkennen und bekämpfen können. Das Multiple Myelom ist eine der häufigsten Tumorerkrankungen der Knochen und des Knochenmarks.
Zwölf Patient*innen sollen in der auf zwei Jahre angelegten Phase-I-Studie behandelt werden. „Primär geht es jetzt darum nachzuweisen, wie sicher diese neue Form der Immun- und Gentherapie für die Patientinnen und Patienten ist“, sagt Professor Antonio Pezzutto, der die Studie an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie am Campus Benjamin Franklin der Charité leitet. „Zwar glauben wir, Hinweise auf die Wirksamkeit des Therapieprinzips zu bekommen und hoffen auch, dass die Patientinnen und Patienten davon profitieren. Aber erst in der nächsten klinischen Phase kann gezielt die Wirksamkeit der Therapie an einer größeren Zahl von Betroffenen untersucht werden.“ Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Kooperationsprojekt mit vier Millionen Euro.
T-Zell-Training
T-Zellen überwachen unseren Körper und schützen ihn vor Krankheiten, beispielsweise durch Infektionen mit Viren. Infizierte Zellen verraten sich durch virale Antigene, die als typische Merkmale auf ihrer Oberfläche auftreten. Spürt eine T-Zelle ein Antigen mit Hilfe ihres Rezeptors auf, zerstört sie die befallene Zelle oder mobilisiert weitere Kräfte gegen sie. Auch bei Krebszellen sitzen spezielle Antigene auf der Oberfläche. Das Problem: Das Immunsystem erkennt diese oft nicht als entartet und bekämpft die Zelle nicht.
Das könnte sich mit der T-Zell-Gentherapie nun ändern, die Professor Thomas Blankenstein, Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Immunologie und Gentherapie“ am MDC und ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie an der Charité, gemeinsam mit seinem Team entwickelt hat. Die Forschenden wollen den T-Zellen der Studienteilnehmenden nun beibringen, Krebszellen als Eindringlinge zu identifizieren. „Unsere präklinischen Versuche deuten darauf hin, dass dies geschehen sollte, ohne dabei gesundes Gewebe der Patientinnen und Patienten zu schädigen“, sagt Blankenstein.
Einzigartige Technologie-Plattform
Als ersten Kandidaten für die Behandlung des Multiplen Myeloms nahm das Forschungsteam das Antigen MAGE-A1 ins Fadenkreuz – ein typisches Erkennungsmerkmal auf der Oberfläche von Krebszellen, das bei Multiplen Myelomen häufiger auftritt. Die Wissenschaftler*innen haben dafür einen spezifischen T-Zell-Rezeptor hergestellt. Er schafft es, das Antigen und somit die Krebszelle als entartet und gefährlich einzustufen.
Möglich war dies mit einer einzigartigen Technologieplattform, die Blankensteins Team für die Gentherapie entwickelt hat: eine transgene Maus mit ausschließlich humanem T-Zell-Repertoire. „Wird die transgene Maus mit einem menschlichen Antigen immunisiert, vermehren sich nur T-Zellen mit passgenauen Rezeptoren und können leicht isoliert werden“, sagt Blankenstein. „Auf diese Weise konnten wir den genetischen Bauplan von Rezeptoren menschlichen Ursprungs gewinnen, wie sie aus Menschen in der Regel nicht zu gewinnen sind. Die T-Zell-Rezeptoren werden dann zunächst einer Serie von Sicherheits- und Wirksamkeitstests unterzogen. Das ist für eine sichere Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Knochenmarkkrebs wichtig.“
So läuft die Behandlung ab
Die Herstellung der Zellprodukte für die gesamte Studie erfolgt in der GMP-Facility für zelluläre Therapien am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer Einrichtung, die auf die Produktion von Zell- und Gentherapeutika in Reinräumen spezialisiert ist. Das ECRC ist ein gemeinsames Institut von MDC und Charité. Zunächst entnahmen Ärzt*innen der ersten Patientin T-Zellen, die dann den Spezialist*innen vom ECRC übergeben wurden. Diese brachten die Erbinformationen des spezifischen Rezeptors in die körpereigenen T-Zellen ein, aktivierten und vermehrten sie. Wenige Tage vor der Behandlung erhielt die Patientin eine Chemotherapie, um andere Immunzellen im Körper zu eliminieren. Der Angriff auf die Krebszellen ist dann besonders effektiv. Nach der Behandlung mit ihren gentechnisch veränderten T-Zellen wurde die Patientin für zwei Wochen stationär an der Charité überwacht und muss sich seither und auch in Zukunft regelmäßig für Untersuchungen vorstellen. Behandelnder Arzt ist unter anderem Matthias Obenaus, der diesen T-Zell-Rezeptor im Rahmen seiner Doktorarbeit isoliert und charakterisiert hat.
Neben MAGE-A1 hat das Team weitere vielversprechende Antigene entdeckt, die bei anderen Krebserkrankungen auftreten. T-knife wird nun passende Rezeptoren herstellen und testen. So sollen zukünftig immer mehr Patient*innen von der Gentherapie von MDC und Charité profitieren können. „Wir schauen mit Spannung auf die Studienergebnisse und hoffen, dass wir mit dieser Gentherapie eine neue und vielversprechende Möglichkeit gewinnen, Krebserkrankungen künftig besser zu bekämpfen“, sagt Blankenstein.
Klinische Studien
Neue Arzneimittel werden in einem standardisierten Verfahren auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet, bevor sie für die regelhafte Anwendung zugelassen werden. In einer Phase-I-Studie wird ein Therapeutikum – nach umfangreicher Vorprüfung – erstmals beim Menschen angewendet, um vorläufige Daten über die Verträglichkeit und Sicherheit sowie weitere Auswirkungen auf den Organismus zu erhalten. Die Anzahl der Studienteilnehmer ist klein. Treten keine bedenklichen Nebenwirkungen auf und gibt es erste Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit, schließt sich eine Phase-II-Studie an. Dabei werden Verträglichkeit und Nebenwirkungen bei einer etwas größeren Anzahl von Patienten ermittelt und die Dosierung in Hinblick auf eine mögliche Wirksamkeit optimiert. Erst in Phase-III-Studien, die sich oft über Jahre hinziehen und eine große Anzahl von Teilnehmern einschließen, kann der Nachweis der Wirksamkeit der neuen Substanz erbracht werden. Hierzu wird die neue Substanz mit anderen verfügbaren und bereits zugelassenen Medikamenten verglichen. Erst Phase-III-Studien liefern die Daten, die für die behördliche Zulassung notwendig sind.
Das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (MDC)
Das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin der Helmholtz-Vereinigung (MDC) wurde 1992 in Berlin gegründet. Es ist nach dem deutsch-amerikanischen Physiker Max Delbrück benannt, der 1969 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhielt. Die Mission des MDC ist es, molekulare Mechanismen zu untersuchen, um die Ursachen von Krankheiten zu verstehen und sie so besser und effektiver diagnostizieren, verhindern und bekämpfen zu können. Dabei kooperiert das MDC mit der Charité - Universitätsmedizin Berlin und dem Berliner Institut für Gesundheit (BIH) sowie mit nationalen Partnern wie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung und zahlreichen internationalen Forschungseinrichtungen. Mehr als 1.600 Mitarbeiter und Gäste aus fast 60 Ländern arbeiten am MDC, knapp 1.300 davon in der wissenschaftlichen Forschung. Das MDC wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (90 Prozent) und dem Land Berlin (10 Prozent) gefördert und ist Mitglied des Helmholtz-Verbandes Deutscher Forschungszentren. www.mdc-berlin.de
Professor Thomas Blankenstein
Leiter der AG Molekulare Immunologie und Gentherapie
Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin in der Helmholtz Gemeinschaft (MDC)
Tel.: +49 30 9406-2816
tblanke@mdc-berlin.de
Matthias Obenaus
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie
Campus Benjamin Franklin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Tel.: +49 30 450 513 382
matthias.obenaus@charite.de
https://www.mdc-berlin.de/de/blankenstein#t-profil - AG Blankenstein am MDC
https://www.mdc-berlin.de/de/pezzutto - AG Pezutto am MDC
https://haema-cbf.charite.de/ - Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie (CBF)
https://www.mdc-berlin.de/de/gmp-facility - GMP-Facility für zelluläre Therapien
https://t-knife.com/ - Unternehmensseite von T-knife
http://www.mdc-berlin.de/de/news/press/66-millionen-euro-fuer-das-berliner-spin-... - MDC-PM
Die neoplastischen Plasmazellen exprimieren MAGE-A1.
von Brünneck
Charité
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Transfer of Science or Research
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).