idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/11/2021 14:03

Warum Menschen Lebensmittel wegwerfen

Peter Kuntz Kommunikation & Marketing
Universität Trier

    In den Müll oder noch essen? Die Sozialpsychologie der Universität Trier hat zu dem inneren Konflikt, den wohl jeder kennt, geforscht.

    Laut Zahlen von 2015 werden in Deutschland jedes Jahr circa 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Zehn Millionen Tonnen davon gelten als vermeidbar. Für fünf Millionen Tonnen der unnötig weggeworfenen Lebensmittel sind private Verbraucher verantwortlich. Die meisten wissen wohl, dass man beispielsweise Nudeln oder Zucker nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums – anders als verderbliche Lebensmittel mit Verfallsdatum – noch essen kann. Dennoch schmeißen wir sie in die Tonne. Forschende der Universität Trier haben nun einen Erklärungsansatz für Lebensmittelverschwendung untersucht. Sozialpsychologe und Projektleiter Dr. Benjamin Buttlar: „Wahrscheinlich kennen wir alle den Konflikt: Auf der einen Seite wissen wir, dass das Wegwerfen von Lebensmitteln der Umwelt schadet. Auch entstehen Kosten, wenn man dann das Produkt neu kauft. Auf der anderen Seite verbinden wir negative Assoziationen mit abgelaufenen Lebensmitteln. Sie lagen vielleicht länger herum und sehen nicht mehr so schön aus, sodass man vielleicht sogar vermutet, dass es riskant sein könnte, die Lebensmittel zu essen.“

    Dass diese Ambivalenz gegenüber Lebensmitteln eine Rolle beim Wegwerfen spielt, konnten die Forschenden jetzt anhand von Experimenten belegen. Sie hatten Probanden unter anderem haltbare Produkte gezeigt, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen war. Mit einer Maus mussten die Versuchspersonen ihre Einstellung gegenüber dem Nahrungsmittel als positiv oder negativ bewerten. Dabei wurde der Weg des Mauszeigers aufgezeichnet. „Je geradliniger der Verlauf ist, desto weniger herrscht ein innerer Konflikt vor“, erklärt Buttlar.

    In einem weiteren Experiment wurden den Versuchspersonen zusätzliche Informationen wie die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums oder die ökologischen Konsequenzen von Lebensmittelverschwendung gegeben. Die Einstellung gegenüber den Lebensmitteln änderte sich dadurch nicht merklich. „Lange ging die Forschung davon aus, dass Menschen einfach nicht genug über ein Thema wissen und deshalb Dinge tun, die eigentlich nicht gut sind. Aber diese Erklärung greift zu kurz. Der Sachverhalt ist wesentlich komplexer. Bei Lebensmittelverschwendung spielt beispielsweise eine Rolle, ob wir gerade dazu in der Lage sind, Informationen zu verarbeiten, sodass wir Lebensmittel testen oder ob wir uns doch lieber auf das Mindesthaltbarkeitsdatum verlassen; dabei spielen auch unsere Gewohnheiten eine große Rolle“, sagt Buttlar.
    Daraus schlussfolgern die Forschenden, dass es intelligente Kampagnen und Informationen braucht, die man leicht anwenden kann. Buttlar nennt hier beispielsweise die Faustformel „2+2+2“ für Lebensmittelreste. Zwei Stunden könnten frisch zubereitete Lebensmittel außerhalb des Kühlschranks stehen, zwei Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden und zwei Monate im Gefrierfach sein, ohne dass man die Haltbarkeit zusätzlich prüfen müsse. Auch in technologischen Lösungen sehen die Trierer Forschenden großes Potenzial: beispielsweise in der Entwicklung von Verpackungen für hochpasteurisierte Milch, die ihre Farbe ändern, wenn die Milch nicht mehr genießbar ist. So könnte von vornherein verhindert werden, dass ein innerer Konflikt entsteht.

    „Mit unserer Forschung wollen wir dazu beitragen, dass sich Menschen ihrer Ambivalenz gegenüber Lebensmitteln bewusst werden. Das kann auch schon zu einem Umdenken führen“, sagt Buttlar. Die Sozialpsychologie will weiter zum Thema Lebensmittelverschwendung forschen. Gerade untersuchen die Forschenden ein weitverbreitetes Verhalten: Viele Menschen kontrollieren Lebensmittel wie Joghurts nicht sofort, wenn sie gerade das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, sondern lassen sie erst noch im Kühlschrank stehen. „Wenn sie nach einigen Tagen „lange genug“ abgelaufen sind, sagen sie sich dann, dass es in Ordnung ist, dass man sie wegwirft. Wir wollen herausfinden, wodurch man dieses Aufschieben der Entscheidung beeinflussen kann“, sagt Buttlar.

    Studie: Buttlar B, Löwenstein L, Geske M-S, Ahlmer H, Walther E. Love Food, Hate Waste? Ambivalence towards Food Fosters People’s Willingness to Waste Food. Sustainability. 2021; 13(7):3971. https://doi.org/10.3390/su13073971


    Contact for scientific information:

    Dr. Benjamin Buttlar
    Sozialpsychologie
    buttlar@uni-trier.de


    Original publication:

    https://doi.org/10.3390/su13073971


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Environment / ecology, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).