idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/19/2021 09:54

EMI unterstützt orthopädische Chirurgie mit virtuellen Studien zu Kreuzbandverletzungen

Heide Haasdonk Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI

    Das Fraunhofer EMI konnte mit virtuellen Menschmodellen und Berechnungen zur qualitativen Lastverteilung im Knie belegen, dass es bei der operativen Behandlung einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes nicht unbedingt ausreichend ist, nur das Kreuzband selbst und das anterolaterale Ligament (ALL) zu restaurieren. Die Erkenntnisse dieser Studie sind von führenden Medizinern und Kniespezialisten für weitere Forschungsarbeiten aufgegriffen worden.

    Ruptur des vorderen Kreuzbandes als schwerer Sportunfall

    Rupturen des vorderen Kreuzbandes gehören zu den besonders schweren Sportunfällen, die nicht selten das Ende einer wettkampforientierten Sportlerkarriere bedeuten oder zumindest mit der ab dato gegebenen verstärkten Gefahr einer erneuten Ruptur und einer langen Regenerationsphase einhergehen. Bei Rupturen des vorderen Kreuzbandes (VKB) wird häufig das in Mitleidenschaft gezogene und in der Regel irreversibel geschädigte Band mit einem körpereigenen Ersatzmaterial rekonstruiert. Dabei müssen unter gegebenen Umständen, das heißt beim Vorliegen bestimmter medizinischer Indikatoren, nicht nur das Kreuzband selbst, sondern auch weitere möglicherweise in Mitleidenschaft gezogene Ligamente des Knies behandelt werden. Solche extraartikulären Strukturen unterstützen das Kreuzband bei der Lastaufnahme, wenn das Knie beispielsweise einer Rotation des Unterschenkelknochens (Tibia) gegenüber dem Oberschenkelknochen (Femur) ausgesetzt ist. Eine besonders prominente, unterstützende Struktur ist das sogenannte anterolaterale Ligament (ALL), welches das Femur auf der Knieaußenseite mit der Tibia verbindet. Es wird sehr häufig zur zusätzlichen Stabilisation im Rahmen der VKB-Chirurgie rekonstruiert.

    Kritische Betrachtung der Rolle des anterolateralen Ligaments

    Die Arbeitsgruppe von Dr. Fabian Blanke der Orthopädie der Schön-Klinik München konnte in Zusammenarbeit mit der Hessing-Klinik Augsburg unter Leitung von Professor Stephan Vogt und dem Universitätsklinikum Rostock unter Leitung von Professor Thomas Tischer sowie der Arbeitsgruppe Human Body Dynamics am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI in Freiburg nun zeigen, dass das ALL in bestimmten Verletzungsmechanismen nicht unter vermehrte Last gesetzt wird und es das vordere Kreuzband nicht ausreichend stabilisiert beziehungsweise schützt. Nach Ansicht der Mediziner darf das ALL daher nicht als »Allzweckwaffe der VKB-Chirurgie« betrachtet werden, sondern muss differenzierter, also im Kontext der Anamnese und der Untersuchungsbefunde berücksichtigt werden.

    Studie des Fraunhofer EMI zur qualitativen Lastverteilung mittels Berechnungsmodellen

    Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, konnte die Arbeitsgruppe Human Body Dynamics am Fraunhofer EMI einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie unter Leitung von Dr. Matthias Boljen mithilfe von Berechnungsmodellen zeigen konnte, wie sich die Lastverteilung in den Ligamenten des Knies bei bestimmten Belastungen entwickelt. Hierzu wurde das menschliche Knie aus dem Gesamtkörper-Menschmodell des GHBMC M50-P (englisch: 50th percentile male pedestrian) isoliert und virtuellen Belastungen ausgesetzt, die zu einer starken Rotationsbelastung des Knies führen. Bei den Untersuchungen stand die qualitative Lastverteilung im Fokus; die aufgebrachte Belastungsintensität wurde derart gewählt, dass davon ausgegangen werden kann, dass keine Beschädigungen beziehungsweise Verletzungen auftreten würden.

    In der Studie wurden neben dem bereits erwähnten ALL noch drei weitere Ligamente untersucht. Es wurde herausgefunden, welche Ligamente unter welchen Bedingungen besonders starken Anteil bei der Unterstützung des VKB haben. Die vier Ligamente, die im Fokus der Untersuchung standen, mussten für die Studie zunächst in Absprache mit den Chirurgen geometrisch und konstitutiv dem Finite-Elemente(FE)-Modell hinzufügt werden, weswegen die Ergebnisse nicht einfach mit dem kommerziell erhältlichen Menschmodell nachsimuliert werden können. Die Ergebnisse der numerischen Analysen haben gezeigt, dass je nach Drehsinn der Rotation nicht nur das ALL, sondern auch noch weitere Ligamente daran beteiligt sind, das VKB durch die Aufnahme eigener Lastanteile zu stabilisieren.

    Zusätzliche wissenschaftlich fundierte Indikatoren gewonnen

    Die Ergebnisse dienen nun dazu, Mediziner:innen für die eigenen Forschungsarbeiten zusätzliche wissenschaftlich fundierte Indikatoren zur Verfügung zu stellen, um zu belegen, dass neben dem ALL auch weitere Ligamente im Knie eine Berücksichtigung bei der operativen Behandlung erfahren müssen. Das Projekt hat gezeigt, wie spannend und gewinnbringend die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ingenieur:innen und Mediziner:innen ist und wie universell virtuelle Menschmodelle, die ihren Ursprung eigentlich in der Unfallforschung und Crashberechnung haben, in der Kurzzeitdynamik eingesetzt werden können.

    Die Forschungsarbeiten wurden von einer Publikation in der Zeitschrift »The Knee« (Volume 29, March 2021, Pages 381–389) begleitet:
    https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0968016021000739


    Contact for scientific information:

    Dr. Matthias Boljen, Gruppenleiter Human Body Dynamics, Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI, Ernst-Zermelo-Straße 4, 79104 Freiburg, matthias.boljen@emi.fraunhofer.de


    Original publication:

    Die Forschungsarbeiten wurden von einer Publikation in der Zeitschrift »The Knee« (Volume 29, March 2021, Pages 381–389) begleitet:
    https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0968016021000739


    More information:

    http://Link zur Pressemitteilung auf der Fraunhofer-EMI-Webseite: https://www.emi.fraunhofer.de/de/aktuelles/aktuelles-presse/virtuelle-studien-kr...


    Images

    Modell des linken Knies (Rückansicht) mit den untersuchten Ligamenten: anterolaterales Ligament (ALL), vorderes Kreuzband (ACL), Popliteussehne (PLT), anteromediales Ligament (AML), hinteres Kreuzband (PCL) und das hintere Schrägband (POL).
    Modell des linken Knies (Rückansicht) mit den untersuchten Ligamenten: anterolaterales Ligament (ALL ...

    Fraunhofer EMI


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Information technology, Medicine, Sport science
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).