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Wissenschaft
Eine Pandemie stellt Politikerinnen und Politiker vor schwierige Fragen. Wie sie diese beantworten und welche moralischen Argumente sie dabei in Betracht ziehen, wirkt sich gravierend auf das Vertrauen der Bevölkerung zu ihnen aus. Das stellten Forschende im Rahmen einer internationalen Studie mit 24.000 Teilnehmenden fest, an der die Universität Hamburg beteiligt war.
Das Vertrauen der Bevölkerung in ihre politische Führung ist eine wichtige Voraussetzung für die wirksame Bekämpfung einer Pandemie. Doch wem vertrauen die Menschen am meisten? Sind es Politikerinnen und Politiker, die versuchen, den maximalen Nutzen aus den knappen Ressourcen zu gewinnen, selbst wenn dabei einigen wenigen Menschen Nachteile entstehen? Oder vertrauen sie denjenigen, die versuchen, alle Menschen weltweit gleichermaßen zu schützen? Das untersuchte ein internationales Team von 37 Forschenden. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der Zeitschrift „Nature Human Behaviour“ veröffentlicht.
„Die Ergebnisse stimmen zu unserer Überraschung weltweit über Ländergrenzen hinweg und in verschiedensten Kulturen überein“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Moritz Drupp, der den deutschen Teil der Studie zusammen mit dem Doktoranden Björn Bos geleitet hat. „Die Probandinnen und Probanden entschieden sich mehrheitlich dafür, den Führungskräften zu vertrauen, die unvoreingenommen möglichst viele Menschenleben retten wollen und dabei nicht etwa besondere Gruppen bevorzugen.“
Die Forschenden haben 24.000 Menschen aus 22 Ländern befragt; darunter beispielsweise Dänemark, Deutschland, Frankreich oder Norwegen in Europa; China, Singapur oder Indien in Asien; die Vereinigten Staaten, Brasilien oder Chile auf dem amerikanischen Kontinent; die Vereinigten Arabischen Emirate oder Israel im Nahen Osten; Südafrika oder Australien.
Es wurden fünf moralische Dilemmata konstruiert, die auf Fragen beruhen, wie sie sich in den vergangenen anderthalb Jahren gestellt haben. Bei drei Dilemmata stand die Frage im Vordergrund, ob es hinnehmbar sei, wenigen Menschen für das Wohl vieler anderer zu schaden.
Bei zwei weiteren Dilemmata wurde die Frage hervorgehoben, ob die eigene Bevölkerung bei der Versorgung mit knappen Ressourcen bevorzugt werden sollte. „Zu jedem Dilemma haben wir zwei mögliche Positionen formuliert und fiktiven Führungskräften zugeordnet. Dann haben wir unsere Probandinnen und Probanden gefragt, welcher Führungskraft sie mehr vertrauen würden“, erklärt Prof. Drupp.
In allen Ländern stimmten Probanden mehrheitlich Positionen zu, die das Wohl bestimmter Gruppen in den Vordergrund stellen, falls eine Maßnahme diesen Gruppen andernfalls Schaden zufügen würde. Sie schenkten beispielsweise Führungskräften mehr Vertrauen, die einen harten Lockdown unterstützen, um Risikogruppen zu schützen. In Situationen dagegen, bei denen weltweit alle Menschen die gleichen Bedürfnisse haben, beispielsweise, weil sie knappe Impfstoffe brauchen, sprach sich eine Mehrheit dafür aus, Ressourcen unparteiisch zu verteilen, sogar über Ländergrenzen hinweg.
Beispiele für abgefragte ethische Dilemmata und mögliche Positionen:
Lockdown-Dilemma
Führungskraft 1 ist der Meinung, dass wir die Wiedereröffnung der Schulen und Unternehmen unmittelbar in Erwägung ziehen sollten. Sie stimmt der Aussage zu: „Wir müssen an die Folgen denken. Es geht nicht nur darum, COVID-Todesfälle zu verhindern. Eine Weiterführung des Lockdowns wird deutlich schlimmere Auswirkungen auf unser allgemeines Wohlbefinden haben.“
Führungskraft 2 ist der Ansicht, dass das Land im Lockdown bleiben sollte. Sie stimmt der Aussage zu: „Als Regierungsspitze ist es unsere primäre Aufgabe, unsere Bürger zu schützen. Wir müssen an unsere Verantwortung den anderen gegenüber denken und können nicht einige unserer gefährdeten Bevölkerungsgruppen für das Wohl der Allgemeinheit opfern.“
Beim Lockdown-Dilemma haben 70 Prozent der Befragten weltweit Führungskraft 2 ihr Vertrauen ausgesprochen.
Medizin-Dilemma
Führungskraft 1 ist der Ansicht, dass ein in Deutschland entwickeltes Medikament denjenigen gegeben werden sollte, die es am dringendsten benötigen, auch wenn das bedeutet, dass es in andere Länder versendet wird. Sie stimmt der Aussage zu: „COVID-19 ist eine globale Pandemie, die alle Menschen gleichermaßen trifft. Wir müssen unvoreingenommen sein und die Behandlung dorthin schicken, wo sie am dringendsten benötigt wird.“
Führungskraft 2 ist der Ansicht, dass ein in Deutschland entwickeltes Medikament für die Behandlung der deutschen Bürger vorbehalten werden sollte. Sie stimmt der Aussage zu: „Wir haben ein Recht, unsere eigenen Ressourcen dazu zu verwenden, zuerst unseren eigenen Bürgern zu helfen, bevor wir anderen helfen. Andere Länder können ihre eigenen Behandlungen für COVID-19 entwickeln.“
Beim Medizin-Dilemma haben 60 Prozent der Befragten weltweit Führungskraft 1 ihr Vertrauen ausgesprochen.
Prof. Dr. Moritz Drupp
Juniorprofessur für Volkswirtschaftslehre
Universität Hamburg
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Volkswirtschaftslehre
Von-Melle-Park 5
20146 Hamburg
Tel.: +49 40 42838 6171
E-Mail: Moritz.Drupp@uni-hamburg.de
https://www.nature.com/articles/s41562-021-01156-y
https://www.uni-hamburg.de/newsroom/presse/2021/pm31.html
Criteria of this press release:
Journalists
Politics, Psychology, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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