idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/08/2021 15:39

Soziale Ungleichheit war das Ende von Vráble

Claudia Eulitz Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Sonderforschungsbereich 1266 der Universität Kiel veröffentlicht Buch zur Archäologie des Žitava-Tals

    Rund 5.000 Jahre vor unserer Zeit war die Siedlung von Vráble im Žitava-Tal, Slowakei, eine florierende Gemeinschaft, der Solidaritätsgedanke war eine der Grundlagen der damaligen Gesellschaft. Durch eine intensive Landwirtschaft und den Zugang zu exotischen Ressourcen wuchs der Wohlstand jedoch in einer Form, die soziale Ungleichheit entstehen ließ. Diese führte zu Widersprüchen und Spannungen in der Gemeinschaft. Um 5.100 vor unserer Zeit erreichten diese Konflikte einen Siedepunkt und sie konnten nicht mehr durch die Kraft gesellschaftlicher Solidarität beigelegt werden. Einzelne Höfe begannen abzuwandern, bald wurde Vráble vollständig verlassen. Welche Faktoren zur Zeit der Linearbandkeramik (LBK) genau zum Auseinanderbrechen der Gemeinschaft geführt haben, haben Archäologinnen und Archäologen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nun zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Slowakei und Norwegen in einem Buch dargelegt.

    „Archaeology in the Žitava valley I: The LBK and Želiezovce settlement site of Vráble“ („Die LBK und der Siedlungsplatz Želiezovce von Vráble“) präsentiert die Ergebnisse der Forschungen vor allem zu den Siedlung Vráble "Veľké Lehemby" und "Fárske" in der Südslowakei (5250-4950 vor unserer Zeit). Es ist das Ergebnis einer laufenden internationalen Zusammenarbeit zwischen dem Sonderforschungsbereich (SFB) 1266 „Scales of Transformation" („TransformationsDimensionen“) an der CAU, der Akademie der Wissenschaften in Nitra und der Universität Oslo. Das Buch vereint Forschungen aus der Archäologie, Geophysik, Geomorphologie, Zoologie, Botanik und der Analyse stabiler Isotope.

    Die Archäologinnen und Archäologen des Forschungsprojekts des SFB 1266 an der Universität Kiel untersuchen im Teilprojekt „Prozesse der Siedlungskonzentration und Landnutzung in frühen bäuerlichen Gemeinschaften im nordwestlichen Karpatenbecken“ anhand verschiedener zeitlicher, räumlicher und sozialer Faktoren die Skalen der Transformation. Das übergeordnete Ziel ist es zu verstehen, wie sich Prozesse der sozio-ökologischen Interaktion sowohl auf die Umwelt als auch auf die Gemeinschaften am Fluss Vráble auswirkten. Der erste Band zur Archäologie des Žitava-Tals zeigt auf, wie die Einführung von Ackerbau, Viehzucht und konzentrierter Siedlungsweise, beispielsweise in Vráble, zu sozialer Komplexität und einem Spannungsverhältnis zwischen gemeinschaftlicher Solidarität sowie zu internen sozialen Gegensätzen beitrug. Darüber hinaus beschreiben die Forschenden, wie soziale Konflikte innerhalb einer frühen bäuerlichen Gemeinschaft gelöst wurden. Da die Siedlung von Vráble rund 300 Jahre lang ununterbrochen besiedelt war und ihre Geschichte detailliert nachverfolgt werden kann, stellt sie in diesem Zusammenhang eine außergewöhnliche Fallstudie für die Forschenden dar. „Ihre Geschichte ist zwar für sich genommen einzigartig, aber sie birgt Anhaltspunkte für ein besseres Verständnis des mitteleuropäischen Phänomens großer, geschlossener Siedlungen des späteren LBK, die früheste Jungsteinzeit in Mitteleuropa, und, ihrer Verbindung mit Ritualen und Gewalt am Ende dieser Gesellschaften“, sagt Professor Martin Furholt, Leiter des Teilprojekts im SFB.

    Soziale Komplexität, kommunale Solidarität, landwirtschaftliche Produktivität, regionale Austauschnetzwerke und gemeinschaftsinterne Konflikte sind Teil der Geschichte von Vráble. Die Subsistenzstrategien – also die Strategie zur Sicherstellung der Ernährung – in Vráble basieren auf Tierhaltung und Pflanzenanbau, teilweise auf den gleichen Feldern. Diese Kombination führte zu einem Düngungseffekt auf den Anbaufeldern und einem deutlich höheren Ernteertrag. Dieser Erfolg sprach wahrscheinlich auch die benachbarte Bevölkerung an und motivierte so eine größere Ansammlung von Menschen in der Siedlung, die gleichzeitig eine deutlich größere Bevölkerung ernährte. Einzelne Höfe waren in der Lage, den Zugang zu kritischen Ressourcen, wie Obsidian und Silex, zu sichern und offenbar zu monopolisieren – ein Zeichen entstehender sozialer Ungleichheit, die sich dann auch in den Bestattungssitten zeigte.

    Gleichzeitig wuchs die interne Differenzierung in voneinander abgesetzte Siedlungsteile: Im Laufe der archäologischen Untersuchungen wurden hunderte von Langhäusern in Vráble identifiziert, die sich auf drei räumlich getrennte Nachbarschaften verteilen. Eine dieser Nachbarschaften umgibt gegen Ende der Siedlungszeit eine große Einfriedung – eine Graben – und eine Palisadenanlage. „Diese Abtrennung deutet auf eine Zunahme sozialer Spannungen und interner Konflikte hin. Dies stellt auch eine deutliche Abweichung von den üblicherweise überwiegend kooperativen, gemeinschaftlichen Lebensbedingungen der meisten jungsteinzeitlichen Gemeinschaften dar“, erklärt Furholt. Vráble ist für die Archäologinnen und Archäologen ein hervorragendes Fallbeispiel, um Fragen zur Interaktion zwischen Mensch und Umwelt, zu sozialen Mustern und wirtschaftlichen Praktiken zu untersuchen, die verschiedenen Teilaspekte sind Bestandteil des vorliegenden Bandes.

    Weitere Informationen zum Sonderforschungsbereich 1266:
    http://www.sfb1266.uni-kiel.de/de/ueber-den-sfb

    Originalpublikation:
    Martin Furholt, Ivan Cheben, Johannes Müller, Alena Bistáková, Maria Wunderlich & Nils Müller-Scheeßel (2020) Archaeology in the Žitava valley I: The LBK and Želiezovce settlement site of Vráble, Scales of Transformation in Prehistoric and Archaic Societies 09. Leiden: Sidestone Press.

    Fotos stehen zum Download bereit:
    www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2021/155-grabung-uebersicht.jpg
    Ein Blick über die Grabungsfläche von 2017.
    © M. Furholt, Uni Kiel

    www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2021/155-grabung-skelett.jpg
    Eine kopflosen Bestattung in Vrable wird mit Hilfe der Studierenden freigelegt.
    © M. Furholt, Uni Kiel

    http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2021/155-obsidian.jpg
    Dieses Obsidian-Artefakt wurde in der Siedlung Vrable gefunden.
    © S. Jagiolla, Uni Kiel

    Wissenschaftlicher Kontakt:
    Prof. Martin Furholt
    SFB 1266 „TransformationsDimensionen“
    Institut für Ur- und Frühgeschichte
    E-Mail: martin.furholt@ufg.uni-kiel.de

    Pressekontakt:
    Dr. Franziska Engelbogen
    SFB 1266 „TransformationsDimensionen“
    Institut für Ur- und Frühgeschichte
    E-Mail: ffaupel@sfb1266.uni-kiel.de

    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    Presse, Kommunikation und Marketing, Claudia Eulitz, Text: Dr. Franziska Engelbogen, Redaktion: Christin Beeck
    Postanschrift: D-24098 Kiel, Telefon: (0431) 880-2104, Telefax: (0431) 880-1355
    E-Mail: presse@uv.uni-kiel.de Internet: www.uni-kiel.de Twitter: www.twitter.com/kieluni
    Facebook: www.facebook.com/kieluni Instagram: www.instagram.com/kieluni


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Martin Furholt
    SFB 1266 „TransformationsDimensionen“
    Institut für Ur- und Frühgeschichte
    E-Mail: martin.furholt@ufg.uni-kiel.de


    Original publication:

    Martin Furholt, Ivan Cheben, Johannes Müller, Alena Bistáková, Maria Wunderlich & Nils Müller-Scheeßel (2020) Archaeology in the Žitava valley I: The LBK and Želiezovce settlement site of Vráble, Scales of Transformation in Prehistoric and Archaic Societies 09. Leiden: Sidestone Press.


    More information:

    http://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/155-grabung-vrable


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Cultural sciences, History / archaeology
    transregional, national
    Research projects, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).