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Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen hat die Evolution der Wandelnden Blätter untersucht. Wandelnde Blätter gehören zu den Stab- und Gespenstschrecken, die anders als ihre etwa 3000 astförmigen Verwandten keine Zweige imitieren. Stattdessen tragen sie großflächige Erweiterungen an Körper und Beinen, um in Form und Farbe Laubblätter nachzuahmen. In dem nun erstellten genetischen Stammbaum werden die Verwandtschaftsbeziehungen von knapp 100 Arten ermittelt. Das sind etwa zwei Drittel aller bekannten Spezies. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Communications Biology erschienen.
Die Wandelnden Blätter haben ihre Tarnung, die als Schutz vor Fressfeinden wie Vögeln und Säugetieren dient, perfektioniert: durch Nachbildung von Fraßstellen und verwelkenden Blattelementen. Zudem imitieren die Tiere die Blattaderung durch eine spezielle Aderung der großen Vorderflügel.
Bislang war der Großteil der Wandelnden Blätter unter dem Namen Phyllium zusammengefasst. Jedoch waren hier zahlreiche Arten vereint, die überhaupt nicht näher miteinander verwandt sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten nun einige neue Gattungen ein, um die natürliche Verwandtschaft beschreiben zu können. „Viele der untersuchten Arten sind noch nicht einmal wissenschaftlich beschrieben“, erklärt Sarah Bank, Erstautorin der Studie und Doktorandin im Studiengang Biodiversity and Ecology der Universität Göttingen. „Wir haben auch viele kryptische Arten identifiziert – also solche, die sich äußerlich nicht unterscheiden, aber genetisch stark verschieden sind.“ Der Göttinger Evolutionsbiologe Dr. Sven Bradler ergänzt: „Vor wenigen Jahren waren gerade einmal 50 Arten beschrieben. Durch unsere Studien und vor allem durch die Zusammenarbeit mit dem New Yorker Experten für Wandelnde Blätter, Royce Cumming, hat sich diese Zahl nunmehr verdoppelt. Dies zeigt, dass unsere Kenntnisse über biologische Vielfalt häufig stark abhängig sind von der Expertise einzelner. Für viele Organismengruppen fehlt derartiges Wissen schlichtweg.“
Das Team rekonstruierte zudem die stammesgeschichtliche Verbreitung der Insekten. Demnach liegt der Ursprung der Wandelnden Blätter im Südpazifik, von wo sie sich in den vergangenen 50 Millionen Jahre über das gesamte tropische Asien ausbreiteten – im Osten bis zu den Fidschi-Inseln und im Westen bis zu den Seychellen. „Das Alter der Wandelnden Blätter ist ein wissenschaftlich umstrittenes Thema“, sagt Bank. „Andere Studien hatten deren zeitlichen Ursprung in der Kreide- oder sogar Jurazeit, also vor 100 bis 150 Millionen Jahren angesiedelt. Damals waren die angiospermen (bedecktsamigen) Blütenpflanzen, deren Blätter die Insekten so perfekt imitieren, jedoch noch gar nicht verbreitet. Folglich erscheinen uns die Ergebnisse unserer Arbeit plausibler, die einen jüngeren Ursprung favorisieren.“
Sarah Bank
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Biologie und Psychologie
Abteilung Evolution und Biodiversität der Tiere
Untere Karspüle 2, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-25391
E-Mail: sarah.bank@uni-goettingen.de
www.uni-goettingen.de/de/sarah+bank/587734.html
Sarah Bank et al. A tree of leaves: Phylogeny and historical biogeography of the leaf insects (Phasmatodea:Phylliidae). Communications Biology (2021). Doi: https://doi.org/10.1038/s42003-021-02436-z
Paar des Wandelnden Blattes Phyllium rubrum von der Malaiischen Halbinsel. Die Männchen (links) dies ...
Foto: Bruno Kneubühler
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology
transregional, national
Research results
German
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