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Als ein „Geschenk des Nils“ bezeichnete der griechische Geschichtsschreiber Herodot das fruchtbare Land in Ägypten. Der Nil machte das Leben in der Wüste erst möglich, mit ihm haben sich die Menschen seit Jahrtausenden auch kulturell auseinandergesetzt. Die Nilinsel Elephantine liegt am mythologischen Ursprungsort des Flusses. Warum wurde sie im Alten Ägypten mit der Vorstellung eines Wasser spritzenden Elefanten verbunden? Die Beantwortung dieser Frage verbindet Prof. Dr. Ludwig D. Morenz, Ägyptologe an der Universität Bonn, in seinem neuen Buch mit weiteren Befunden aus der Region bei Assuan.
Obwohl die Menschen im Alten Ägypten aus praktischer Erfahrung wussten, dass der Nil von weiter her zu ihnen kam, pflegten sie die Vorstellung, sein eigentlicher Ursprung liege in Ägypten selbst – und zwar ganz im Süden, in der Katarakt-Region bei Assuan, wo es flache Abschnitte und Stromschnellen gibt sowie felsige Inseln, unter ihnen Elephantine. „Diese Nilinsel wurde im pharaonenzeitlichen kulturellen Denken als der signifikante Ursprungsort des Nils konzipiert“, sagt der Ägyptologe Prof. Dr. Ludwig Morenz von der Universität Bonn. „Das im Katarakt zwischen den Felsen zunächst beinahe verschwindende Wasser, das dann weiter nördlich bei Elephantine wieder zutage tritt, übte wohl eine besondere Faszination aus.“
Wie ein Elefant im Wasser
Der Name Elephantine ist die griechische Übersetzung des ägyptischen Wortes für Elefant. Zur Namensgebung gibt es verschiedene Ansätze. Morenz ist sich sicher, die erste schlüssige Erklärung gefunden zu haben. Sie besteht im Kern aus zwei Elementen, das eine zielt auf das Aussehen eines Elefanten, das andere auf sein Verhalten. Morenz zufolge kann man bei der Betrachtung Elephantines aus einem bestimmten Blickwinkel an einen im Wasser stehenden Elefanten denken, von dem insbesondere der Kopf sichtbar ist. Komplettiert wird die Elefanten-Szenerie durch die Vorstellung, dass bei dem verschwindenden und wiederauftauchenden Wasser ein Elefant am Werk ist: Er saugt das Wasser mit seinem Rüssel im Süden ein und spritzt es über seinen Kopf hinweg nach hinten, also Norden, wieder aus. Morenz: „Über diese bildhaften Vorstellungen, die die Menschen damals entwickelt haben, dürfte die Insel zu ihrem Namen gekommen sein.“
Um Felsformationen und Wasserbewegungen mit Elefanten in Verbindung bringen zu können, muss man die Tiere schon mal in Aktion gesehen haben. Das ging in Südägypten noch bis zur Mitte des vierten Jahrtausends. Danach verschwanden sie im Zuge des damaligen Klimawandels aus der Region. Somit lässt sich auch die Zeit eingrenzen, in der die Insel ihren Namen erhielt.
Wurde das Naturphänomen zunächst mit einer Bildmetapher beschrieben, deuteten die Anwohner ab dem dritten Jahrtausend das Strudeln und Sprudeln und auch die für den Ackerbau so segensreiche Nilüberschwemmung als das Wirken von Gottheiten – namentlich Chnum, Satet und Anuket. „Wir sehen, dass das Naturphänomen nach und nach sakralisiert wurde“, sagt Morenz, der auch Mitglied im Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) der Universität Bonn ist. Das theologische Modell dieser Götterdreiheit sei dann für Jahrhunderte die kulturell sinnstiftende Mythen-Maschine der Region geworden.
Es dauerte zweitausend Jahre, bis diese Deutungs-Ordnung ins Wanken geriet. Die Strahlkraft Chnums, für seine Anhänger Fruchtbarkeitsgott und personifizierte Nilüberschwemmung, schien zu schwinden. Auch in der Region bei Assuan gaben immer mehr Gläubige dem Gott Osiris den Vorzug. Zum vermeintlichen Beweis der Existenz und Macht von Chnum erfanden dessen Anhänger eine historische Begebenheit. Niedergeschrieben ist sie auf einer Steintafel, die auf einer Nachbarinsel von Elephantine steht.
Ein erfundener Gottesbeweis
Hier wird geschildert, wie Chnum auf Flehen eines Königs den Nil über die Ufer treten lässt, damit die Felder bewässert werden und eine Hungersnot ihr Ende nehmen kann. Der Text tut so, als sei er zur Zeit dieses Ereignisses in Stein gemeißelt worden – was aber nicht stimmt. Dies geschah erst Jahrhunderte später. Über diese antike Fälschung herrscht in der Fachwelt Einigkeit. Der Ägyptologe der Universität Bonn fügt jetzt weitere Beobachtungen hinzu. Ein Beispiel: Durch die Felsplatte geht ein horizontaler Riss, der wohl so aussehen soll, als sei er lange nach der Fertigstellung hinzugekommen. Tatsächlich war der Spalt schon da. „Die Inschrift ist auf alt gemacht. Die Hieroglyphen über und unter dem Riss sehen zwar aus wie verrutscht, sind aber sehr gut lesbar. Man hat also um den Riss herum geschrieben.“
Laut Morenz war die Landschaft im Alten Ägypten für die allgemeine Ausprägung der Kultur und auch für spezielle Entwicklungen im symbolischen und sakralen System wichtiger, als dies in der Forschung bisher angenommen wird. Die Landschaft bei Elephantine könne dafür als Kronzeuge gelten. „Gleichzeitig wird an diesem mythologischen Ursprungsort des Nils deutlich, dass der Fluss eine doppelte, miteinander verwobene Bedeutung hat: Als natürlicher Fluss, der eine Lebensader für die gesamte Region ist, und als kultureller Fluss, der die Menschen seit Urzeiten zu Deutungen und Sinnzuschreibungen anregt.“
Prof. Dr. Ludwig D. Morenz
Universität Bonn
Abteilung für Ägyptologie
Tel. 0228/735733
E-Mail: lmorenz@uni-bonn.de
Ludwig D. Morenz: Nil-Fragen im Blick auf die Flussinseln Elephantine und Sehel. Von alten mytho-poetischen Sinnzuschreibungen an die Assuaner Kataraktlandschaft bis hin zu einer erfundenen Tradition, EB-Verlag Dr. Brandt, Berlin 2021, 107 S., 22,80 Euro
Prof. Dr. Ludwig D. Morenz im Ägyptischen Museum der Universität Bonn. Rechts von ihm ist die Hierog ...
Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Prof. Dr. Ludwig D. Morenz sich in einer Vitrine des Ägyptischen Museums der Universität Bonn spiege ...
Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
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History / archaeology
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Research results, Scientific Publications
German
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