idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/23/2021 12:19

Religiosität macht arme Menschen glücklicher

Linda Schädler Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    In einer neuen Studie untersucht ein internationales Forschungsteam den Zusammenhang zwischen sozialer Klasse, psychischem Wohlbefinden und Religiosität. Das Ergebnis: Religiosität kann durch Armut verursachte psychische Belastungen abfedern oder gar wettmachen. Die Studie legt außerdem nahe, dass mit fortschreitender Säkularisierung ein niedriges Einkommen immer gravierendere Effekte auf das Wohlbefinden haben wird.

    Seit Jahrzehnten geht die sozialwissenschaftliche Forschung davon aus, dass ein niedriges Einkommen sich negativ auf das psychische Wohlbefinden von Menschen auswirkt. Bisher nahm man an, dass dieser Effekt schwächer wird, wenn Länder sich wirtschaftlich weiterentwickeln. Das Gegenteil ist aber der Fall: Ein niedriges Einkommen wirkt sich in reichen Ländern stärker auf die Lebenszufriedenheit der Menschen aus als in Entwicklungsländern. Die Gründe für diese unerwartete Beobachtung waren bisher unklar. Da die Bewohnerinnen und Bewohner von wirtschaftsstarken Ländern im Durchschnitt weniger religiös sind als jene von ärmeren Ländern, hat ein internationales Forschungsteam unter Federführung von Prof. Dr. Jochen Gebauer und Jana Berkessel von der Mannheimer Heisenberg-Professur für Kulturvergleichende Sozial- und Persönlichkeitspsychologie den Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status, psychischem Wohlbefinden und Religiosität untersucht. Das Ergebnis: Ärmere Menschen sind immer weniger zufrieden als ihre reicheren Mitbürgerinnen und Mitbürger. In armen und religiösen Ländern ist dieser Effekt aber deutlich weniger ausgeprägt als in den westlichen Industrienationen, in denen Religion eine kleinere Rolle spielt.

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führen diese Erkenntnisse auf die Normen zurück, die mit dem Glauben der Menschen verbunden sind: Die meisten Weltreligionen, wie das Christentum und der Islam, sehen Reichtum kritisch und messen einem einfachen Leben eine positive Bedeutung zu. So verspricht zum Beispiel der Koran, dass arme Menschen 500 Jahre vor reichen ins Paradies eingelassen werden. Eine arme Person in einem religiösen Land lebt also in einem Umfeld, das ein positives Bild von Armut zeichnet. Dadurch wird das psychische Wohlbefinden vor den negativen Konsequenzen der Armut geschützt – ganz im Gegensatz zum Wohlbefinden einer armen Person in einem nicht religiösen Land, in dem diese schützenden religiösen Normen schlichtweg fehlen. „Der Glaube federt die Auswirkungen von Armut ab, indem er den betroffenen Menschen Trost und Zuversicht spendet“, sagt Psychologin Berkessel. „Gleichzeitig wird in religiöseren Ländern monetärem Reichtum ein geringerer gesellschaftlicher Wert zugemessen.“

    Die Ergebnisse der Studie lassen vermuten, dass mit fortschreitender Säkularisierung die negativen Effekte von niedrigem Einkommen zunehmend stärker werden. Berkessel warnt deshalb davor, die Funktion von Religion für das gemeinschaftliche Miteinander bei zukünftigen politischen Entscheidungen zu unterschätzen: „Durch den Wegfall der Religiosität werden wir zukünftig andere Ansätze zur Behebung der psychischen Belastungen, die ein niedriges Einkommen mit sich bringen kann, benötigen.“ Andere Institutionen müssten die Lebenszufriedenheit der Angehörigen niedriger sozialer Klassen sicherstellen. Zum Beispiel ein umfangreicher Sozialstaat, wie er in skandinavischen Ländern zu finden ist, könnte die Abnahme der Religiosität kompensieren.

    Zur Studie
    Die Basis der Studie bilden Daten aus dem repräsentativen Gallup World Poll, dem Gosling-Potter Internet Personality Project und der World Values Survey. Die Studie umfasst somit Daten von mehr als 3,3 Millionen Personen aus mehr als 150 Ländern, die zwischen 1981 und 2017 erhoben wurden.


    Contact for scientific information:

    Jana Berkessel
    Heisenberg-Professur für Kulturvergleichende Sozial- und Persönlichkeitspsychologie
    Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung
    Universität Mannheim
    Tel. +49 621 181-2817
    E-Mail: jana.berkessel@uni-mannheim.de


    Original publication:

    https://www.pnas.org/content/118/39/e2103913118


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Psychology, Religion, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).