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Wenn Fachleute als Gruppe entscheiden, ist die diagnostische Korrektheit höher
Diagnosesysteme mit Künstlicher Intelligenz sind beim Erkennen verbreiteter und eindeutiger Hauterkrankungen häufig treffsicher. Sobald eine Hauterkrankung jedoch seltener oder aber in ungewöhnlichen Konstellationen auftritt, ist die KI der menschlichen Schwarmintelligenz (Mehrheitsvotum einer Gruppe von Dermatolog*innen) und auch den Ergebnissen einzelner Ärzt*innen unterlegen. Das zeigt eine im JDDG veröffentlichte Studie. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) sieht große Potenziale und Entlastungsmöglichkeiten durch KI-Systeme, betont aber die Notwendigkeit, das Training der Systeme zu verbessern.
Die Dermatologie ist ein visuell geprägtes Fach. Die dermatologische Diagnostik fußt auf einer systematischen und sorgfältigen Untersuchung der gesamten Haut. Die verschiedensten optischen Techniken werden seit langem und erfolgreich eingesetzt, um Hautveränderungen zu deuten. „Noch stärker als bei anderen Fächern bietet sich in der Dermatologie die Nutzung digitaler Techniken und der Telemedizin insgesamt an, denn auf der Haut sind viele Veränderung gut sichtbar“, sagt Professor Dr. med. Michael Hertl, Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Marburg. Die Künstliche Intelligenz sei für die Diagnostik dermatologischer Erkrankungen ein Gewinn, allerdings sei die Treffsicherheit stark davon abhängig, wie und mit welchen Informationen die KI trainiert wird. Nutzen und Vorteile von KI in der dermatologischen Diagnostik sind durch einige Studien dokumentiert. „KI-basierte Diagnosetools schnitten in Untersuchungen da besonders gut ab, wo es sich um häufige und eindeutige Erkrankungen handelte“, so Hertl.
Im Zentrum der maschinellen Verarbeitung von medizinischen Bilddaten stehen sogenannte faltende neuronale Netzwerke (CNN = Convolutional Neural Network), deren hochkomplexes Können antrainiert ist. CNNs können mit hoher Treffsicherheit bei klarer Fragestellung zwischen gutartig (benigne) und bösartig (maligne) unterscheiden und häufige sowie eindeutige Hauterkrankungen klassifizieren. „Die hohe diagnostische Präzision, die mit Hilfe von CNNs erreicht werden kann, führte bereits zu der aus unserer Sicht abwegigen Schlussfolgerung, die ärztliche diagnostische Expertise sei in Zukunft entbehrlich“, betont Professor Dr. med. Julia Welzel, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg, Medizincampus Süd und Generalsekretärin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Nun zeigt eine aktuell im Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (JDDG) veröffentlichte Studie, dass menschliche Intelligenz in „gebündelter“ Form nicht nur die diagnostische Korrektheit von einzelnen Personen übertrifft, sondern auch die hochmoderner diagnostischer KI-Systeme.
Eine Forschergruppe um den Heidelberger Dermatologen Professor Dr. med. Holger A. Haenssle verglich die diagnostische Leistung dreier diagnostischer Gruppen: Kollektive menschliche Intelligenz (CoHI = collective human intelligence), individuelle Dermatologinnen und Dermatologen sowie zwei CNN. 120 Dermatologinnen und Dermatologen wurden anlässlich eines Dermatoskopie-Kongresses in München in einem anspruchsvollen Quiz 30 klinische/dermatoskopische Fälle (Hautläsionen) mit kurzen anamnestischen Angaben gezeigt, die sie klassifizieren und diagnostizieren sollten. Abgestimmt wurde mittels eines Televoting-Verfahrens, bei dem nicht nur die richtige Antwort zählte, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der die Lösung gefunden wurde. Im Nachgang präsentierten die Autorinnen und Autoren der Studie dieselben Fälle einer KI. Zudem werteten sie nicht nur die Einzelergebnisse der Teilnehmenden aus, sondern berechneten auch ein Mehrheitsvotum, das sie Schwarmintelligenz nannten. Unter den zu bestimmenden Fällen waren viele seltene und schwer zu diagnostizierende Erkrankungen. Ergebnis: Die humane Schwarmintelligenz war der KI in diesem anspruchsvollen, aber realitätsnahen Wettbewerb deutlich überlegen.
„Bisher betrachteten Forschende die Leistungsfähigkeit von CNN meist im Vergleich zu einzelnen Dermatologinnen und Dermatologen. Diese Querschnittstudie zeigt jedoch, dass die Korrektheit der Diagnosen von kollektiver Entscheidungsfindungen durch menschliche Gruppen profitiert. Die Hinweise sind deutlich, dass die Korrektheit kollektiver humaner Intelligenz diejenige von Deep-Learning-Technologien und Einzelpersonen übertrifft“, fasst Hertl zusammen. Fest stehe aber auch, dass KI bei eindeutigen und häufigen Hauterkrankungen sehr gut unterstützen könne und die Versorgung insgesamt verbessere, vor allem wenn die Hautarztdichte in einer Region eher gering ist.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Training der CNN erweitert werden muss. Mehr Trainingsbilder hinsichtlich der Anzahl und (auch seltenen) Diagnosen können die Leistungen der CNN verbessern. „Für die Zukunft der dermatologischen Diagnostik könnte es interessant sein, diese Vorteile kollektiver humaner Intelligenz mit KI und CNN zu verbinden. Die Voraussetzungen dafür sind durch Online-Austausch und Vernetzungen der Schwarmintelligenz vorhanden“, sagt Welzel.
Die menschliche Expertise für exakte Diagnose bleibt also noch lange erhalten – ob gebündelt im Schwarm oder als die Instanz, die letztendlich die Deep-Learning-Netzwerke trainiert.
Um eine stärkere digitale Vernetzung sowie den Aufbau von Forschungs- und klinischen Versorgungsallianzen im Bereich digitaler Technologien zu unterstützen, hat die DDG den Arbeitskreis Digitale Dermatologie gegründet. Der Arbeitskreis versteht sich als Plattform zum Austausch digitaler Projektideen und baut neue Kooperationen und Synergien für eine digitale Dermatologie auf.
Literatur:
Winkler JK, Sies K, Fink C et al. Kollektive menschliche Intelligenz übertrifft künstliche Intelligenz in einem Quiz zur Klassifizierung von Hautläsionen. J Dtsch Dermatol Ges 2021; 19(8):1178–1185. doi: 10.1111/ddg.14510_g
Welzel, J, Zink A. Menschliche Schwarmintelligenz schlägt künstliche Intelligenz - ein Plädoyer für die Mittagsvisite. J Dtsch Dermatol Ges. 2021 Aug;19(8):1127-1128. doi: 10.1111/ddg.14594_g.
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Kontakt:
Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
Beauftragter für die Öffentlichkeitsarbeit:
Prof. Dr. med. Peter Elsner
Ansprechpartnerin Pressestelle:
Dagmar Arnold
- Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit -
Robert-Koch-Platz 7
10115 Berlin
Tel.: +49 30 246 253-35
E-Mail: d.arnold@derma.de
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Zur Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e. V. ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.800 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Research results, Transfer of Science or Research
German
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