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11/05/2021 13:00

Monoklonale Antikörper gegen Alzheimer-Demenz - auch Thema auf dem DGN-Kongress

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Immer mehr Menschen werden im Laufe ihres Lebens an Alzheimer-Demenz erkranken. Bisher waren nur symptomatische Behandlungen möglich. Seit Jahren wird mit Hochdruck an krankheitsmodifizierenden Therapien geforscht. Große Hoffnungen setzt man dabei auf monoklonale Antikörper gegen zerebrale Beta-Amyloid-Ablagerungen. Jedoch zeigte sich, dass die Reduktion der Amyloid-Plaques nicht gleichbedeutend mit einer klinischen Wirksamkeit ist – ein Fakt, der aktuell weltweit für Diskussionen sorgt. Eine Studie [1] zeigte nun mit der Substanz Donanemab erstmals positive Ergebnisse auch beim primären klinischen Endpunkt, dazu gehören z.B. kognitive Fähigkeiten und Aktivitäten des täglichen Lebens.

    In Deutschland sind 1,6 Millionen Menschen an einer Demenz erkrankt. In 30 Jahren werden es Schätzungen zufolge 2,8 Millionen sein [2]. Die häufigste Form ist dabei die Alzheimer-Demenz, an der im Alter zwischen 56 und 70 Jahren 1-5% der Bevölkerung erkranken, bei den 70-75-Jährigen sind bis zu 10% betroffen, bei den 75-80-Jährigen bis zu 20%. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft ist die Bedeutung der Erkrankung immens.

    Bisherige präventive Therapieansätze umfassen die Reduktion bekannter Demenz-Risikofaktoren, die für ungefähr 40% der Demenzerkrankungen verantwortlich sind (z. B. Bildung, Schwerhörigkeit, Gehirn-Traumata, Hypertonie, exzessiver Alkoholkonsum Übergewicht, Rauchen, Depression, Mangel an Sozialkontakten, körperliche Inaktivität, Luftverschmutzung, Diabetes mellitus). Zusätzlich wird versucht mit spezifisch entwickelten Antikörpern die typischen Alzheimer-Ablagerungen im Gehirn zu reduzieren. Bei diesen Ablagerungen („Plaques“) handelt es sich um schädigende Proteine (Amyloid-β).

    Im Juni 2021 hat die „US-Food and Drug Administration“ (FDA) erstmals einen Beta-Amyloid-Antikörper (Aducanumab) zugelassen, obwohl initiale Studien wegen Wirkungslosigkeit abgebrochen worden waren. Die Zulassung erfolgte nach Post-hoc Analysen, die eine Reduktion von ß-Amyloid in der Positronenemissionstomographie (PET) belegten. Die Kognition der Betroffenen war jedoch klinisch nur in einer von zwei Studien und nur in der hohen Dosierung beeinflusst worden. Experten zeigten sich daher von der Entscheidung der FDA deutlich überrascht [3, 4], denn das gesamte Advisory Panel hatte zuvor dagegen gestimmt. Die Zulassung erfolgte in einem beschleunigten Verfahren („accelerated approval“) mit der Bedingung, eine Phase-IV-Studie anzuschließen. Notwendig sind unter anderem MRT-Kontrollen wegen eines Hirnödem-Risikos der Substanz. Die Behandlungskosten liegen pro Betroffenen und Jahr bei etwa 56.000 $ (entsprechend 17 Milliarden US-$/Jahr, wenn nur 5% der Patientinnen und Patienten in den USA behandelt werden).

    Vor diesem Hintergrund verdienen möglicherweise die Ergebnisse einer neuen Phase-II-Studie (TRAILBLAZER-ALZ)[1] mit einem anderen monoklonalen Beta-Amyloid-Antikörper (Donanemab) besondere Aufmerksamkeit. Donanemab (LY3002813) ist ein neuer monoklonaler Antikörper, der sich ausschließlich gegen Aβ(p3-42) richtet, eine Pyroglutamat-Form von Amyloid-β (Aβ), die ausschließlich in Plaques vorkommt. Die Substanz wurde bei Patienten mit früher Alzheimer-Erkrankung (und Plaque-Nachweis in der PET) eingesetzt. 257 Patienten wurden zu gleichen Teilen (1:1) in zwei Gruppen randomisiert und erhielten über insgesamt 72 Wochen alle vier Wochen intravenös entweder Donanemab (n=131; 700 mg für die ersten drei Gaben, danach 1400 mg) oder Placebo (n=126). Der primäre Endpunkt war die Veränderung des iADRS-Scores („Integrated Alzheimer's Disease Rating Scale” mit Werten von 0 - 144, wobei niedrigere Scores schwerere kognitive und funktionelle Störungen bedeuten) nach 76 Wochen. Sekundäre Outcome-Punkte beinhalteten Veränderungen des CDR-SB-Scores („Clinical Dementia Rating Scale-Sum of Boxes“), der kognitiven 13-Punkte- Alzheimer-Subskala ADAS-Cog13 („Alzheimer's Disease Assessment Scale“), des ADCS-iADL („Alzheimer's Disease Cooperative Study-Instrumental Activities of Daily Living Inventory”), des MMSE („Mini-Mental State Examination”) sowie Veränderungen der Amyloid- und Tau-Ablagerungen in der PET- Bildgebung.

    Der iADRS-Score lag zu Beginn der Studie in beiden Gruppen bei 106. Nach 76 Wochen hatte er sich in der Placebo-Gruppe um -10,06 verschlechtert, in der Donanemab-Gruppe um -6,86 (der Unterschied von 3,2 war signifikant). Unter Donanemab war auch eine stärkere Abnahme der Amyloid-Plaques zu verzeichnen als unter Placebo. Die Ergebnisse für die meisten sekundären Endpunkte allerdings zeigten keinen wesentlichen Unterschied.

    „Bei Patienten mit früher Alzheimer-Erkrankung kam es durch die Gabe von Donanemab über 76 Wochen zu einem signifikant besseren Ergebnis beim primären kombinierten Endpunkt, nämlich den Scores für Kognition und den Aktivitäten des täglichen Lebens“, fasst Prof. Dr. Richard Dodel, Essen, zusammen. „Auch wenn betont werden muss, dass die Zulassung von Aducanumab in den USA bei Betroffenen keine falschen Hoffnungen schüren darf, so zeigen doch die Studien mit neueren Antikörpern wie Donanemab, Gantenerumab oder Lecanemab (BAN2401), dass das Behandlungsprinzip ein Weg zu sein scheint, der weiter verfolgt werden sollte, um herauszufinden, welche Patienten von der Therapie künftig profitieren könnten. Eine Phase-III-Studie mit Donanemab wurde bereits begonnen. Umfassende Sicherheitsanalysen sind dabei unumgänglich.“

    Literatur
    [1] Mintun MA, Lo AC, Duggan Evans C et al. Donanemab in Early Alzheimer's Disease. N Engl J Med 2021 May 6; 384 (18): 1691-1704 doi: 10.1056/NEJMoa2100708. Epub 2021 Mar 13. PMID: 33720637 C
    [2] Website: https://www.nationale-demenzstrategie.de/
    Broschüre: https://www.nationale-demenzstrategie.de/fileadmin/nds/pdf/2020-07-01_Nationale_...
    [3] Mullard A. Landmark Alzheimer's drug approval confounds research community. Nature 2021 Jun; 594 (7863): 309-310 doi: 10.1038/d41586-021-01546-2.
    [4] Rubin R. Recently Approved Alzheimer Drug Raises Questions That Might Never Be Answered. JAMA 2021 Aug 10; 326 (6): 469-472 doi: 10.1001/jama.2021.11558.

    Pressekontakt
    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o Dr. Bettina Albers, albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 10.700 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. Gereon R. Fink
    Past-Präsidentin: Prof. Dr. med. Christine Klein
    Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Original publication:

    doi: 10.1056/NEJMoa2100708


    More information:

    https://www.dgnvirtualmeeting.org


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    transregional, national
    Scientific conferences, Scientific Publications
    German


     

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