idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
11/29/2021 12:31

Die Überlast der Schwerpunktschulen

Dr. Harald Wilkoszewski Abteilung Kommunikation
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH

    Inklusion geht in Rheinland-Pfalz auf Kosten der sozialen Integration, zeigt eine Studie

    Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam zu unterrichten, ist Ziel eines inklusiven Schulsystems. Statt auf inklusive Angebote in der Breite setzt Rheinland-Pfalz fast ausschließlich auf Schwerpunktschulen. Dieses Konzept geht jedoch zulasten des sozialen Miteinanders, wie Analysen von Marcel Helbig und Sebastian Steinmetz, Forscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg, zeigen. So ist der Anteil von Kindern aus einkommensschwachen Familien an den inklusiven Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz seit 2012 überdurchschnittlich gewachsen. Vor allem in den Städten hat sich damit das Problem der sozialen Segregation im Grundschulwesen verschärft.
    Schwerpunktschulen müssen eine doppelte Integrationsleistung schultern.

    Rheinland-Pfalz setzt als einziges Bundesland bei der Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf fast ausschließlich auf Schwerpunktschulen. Die Mehrheit der Bundesländer hat sich dagegen für eine flächendeckende Inklusion entschieden. In einigen Ländern wie zum Beispiel Berlin, Hamburg oder Brandenburg gibt es Mischsysteme aus flächendeckender Inklusion und Schwerpunktschulen.

    Die Studie weist nun mit Daten der amtlichen Schulstatistik nach, dass das Konzept der inklusiven Schwerpunktschule auf Kosten der sozialen Integration geht. Das liegt zum einen in der Entstehung dieser Schulen begründet. So wurden in Rheinland-Pfalz die sozial schwächeren Grundschulen als Standorte für Schwerpunktschulen ausgewählt, also Schulen, die bereits vor ihrer Umwandlung einen hohen Anteil von Kindern aus einkommensschwachen Familien hatten. So lag der Anteil von Kindern mit Lernmittelbefreiung an Schwerpunktschulen sechs Prozentpunkte höher als an Nicht-Schwerpunktschulen. Seit 2012 hat sich die Armutsquote an den Schwerpunktschulen zum Teil überdurchschnittlich erhöht. Dies gilt vor allem für die städtischen Räume, wo sich der Unterschied beim Anteil armer Kinder zwischen Schwerpunktschulen und Nicht-Schwerpunktschulen auf 12 Prozentpunkte verdoppelt hat. Dies trifft in besonderem Maße in Nachbarschaften zu, wo es weitere Grundschulen gibt. „Wir vermuten, dass vor allem Eltern aus der Mittelschicht die Schwerpunktschulen meiden und ihre Kinder auf andere Grundschulen in Wohnortnähe schicken“, sagt Marcel Helbig.

    Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz müssen daher doppelte Integrationsarbeit leisten, eine pädagogische und eine soziale. „Das geht zulasten der Chancengerechtigkeit, verstärkt soziale Segregation und zeigt, dass halbherzige Inklusion nicht intendierte soziale Folgen haben kann“, ergänzt Helbig. Beide Autoren plädieren für die Überwindung der Schwerpunktschulen zugunsten eines inklusiven Unterrichts an allen Schulen.

    Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 ist Deutschland verpflichtet, Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam zu unterrichten. Die Konvention sieht vor, dass inklusiver Unterricht in möglichst wohnortnahen Schulen angeboten wird. Schwerpunktschulen konterkarieren dieses Recht und verhindern zudem einen systematischen Wandel hin zu einem inklusiven Schulsystem, da nur bestimmte Standorte diesen pädagogischen Auftrag übernehmen. Rheinland-Pfalz ist neben Bayern und Baden-Württemberg Schlusslicht bei der Umsetzung schulischer Inklusion, wie eine im September 2021 erschienene WZB-Studie gezeigt hat.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Marcel Helbig, marcel.helbig@wzb.eu
    Sebastian Steinmetz, sebastian.steinmetz@wzb.eu


    Original publication:

    https://link.springer.com/article/10.1007/s11618-021-01055-y
    Erschienen in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaften (November 2021)


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Teachers and pupils
    Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).