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Migräne beeinträchtigt das Leben der Betroffenen in fast allen Bereichen. Wenn die Behandlung einzelner Migräneattacken nicht ausreicht oder wenn die Attacken zu häufig sind, kann eine Prophylaxe mit verschiedenen Medikamenten erfolgen. Dabei können jedoch Nebenwirkungen die Einnahmetreue sehr erschweren. Seit wenigen Jahren steht in Deutschland der monoklonale Antikörper Erenumab zur Verfügung, der kausal an dem Migräne-auslösenden Protein „CGRP“ bzw. dessen Rezeptor angreift. Eine große Head-to-Head-Studie [1] verglich nun Erenumab mit einem anderen Prophylaxemedikament und konnte eine klare Überlegenheit hinsichtlich der Effektivität und Verträglichkeit belegen.
In Deutschland leiden ca. 20 % aller Frauen und 8 % der Männer an Migräne [2]. Sie ist die häufigste Kopfschmerzform. Die wiederkehrenden Attacken können das Leben der Betroffenen stark belasten: es kommt nicht nur zu Arbeitsausfällen, sondern auch Familie, Freunde, Partnerschaft und die gesamte individuelle Lebensqualität sind beeinträchtigt. Zur Therapie der Migräne stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Für die Akutbehandlung werden zunächst nichtsteroidale Analgetika wie Ibuprofen empfohlen. Wenn die Wirkung unzureichend ist, folgen an zweiter Stelle Triptane wie z. B. Sumatriptan. Bei zunehmender Krankheitslast (Häufigkeit, Dauer, Stärke) wird eine dauerhafte Migräneprophylaxe empfohlen. Dazu eignen sich Topiramat, Beta-Blocker, Flunarizin Amitriptylin und einige andere. Die Wahl der Medikamente richtet sich nach Aspekten wie Begleiterkrankungen, Verträglichkeit und individueller Wirkung. Nicht selten wird eine Migräneprophylaxe wegen Nebenwirkungen abgebrochen (in USA in 28% innerhalb von sechs Monaten [1]).
Die Erforschung der komplexen Pathomechanismen der neurovaskulären Erkrankung hat inzwischen auch zur Entwicklung von kausal ansetzenden Therapien geführt. Am Beginn eines Migräneanfalls steht die endogene Freisetzung von Serotonin, es kommt zu einer Erweiterung von Hirngefäßen und zur verstärkten Produktion von Neuropeptiden wie dem „Calcitonin-Gene-Related-Peptide“ (CGRP). Eine neue Therapie-Strategie setzt am CGRP-Rezeptor an. Es gibt dabei Substanzen für die Akuttherapie (sogenannte Ditane und Gepante) und für die Prophylaxe. Zu letzteren gehören monoklonale Antikörper gegen CGRP oder gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab). Erenumab ist in Deutschland seit drei Jahren zugelassen.
Die nun in der Zeitschrift „Cephalalgia“ publizierte HER-MES-Studie („Head-to-head Study of Erenumab Against Topiramate in Patients With Episodic and Chronic Migraine“) verglich die Verträglichkeit und Effektivität einer Migräneprophylaxe mit Erenumab gegenüber Topiramat. Topiramat ist ein Antiepileptikum, aber auch für die Vorbeugung der Migräne zugelassen. An der randomisierten, doppelblinden, double-Dummy, placebokontrollierten Studie nahmen 82 Zentren in Deutschland teil. Von 2019 bis 2020 wurden 777 Patientinnen und Patienten mit mindestens vier Migräne-Tagen pro Monat, die bisher weder Erenumab noch Topiramat erhalten hatten, zu gleichen Teilen in zwei Gruppen randomisiert. Sie erhielten über 24 Wochen entweder Erenumab (monatlich 70 oder 140 mg subkutan) oder Topiramat (oral 50 bis 100 mg/d nach individueller optimaler Wirksamkeit). Primärer Endpunkt war der Therapieabbruch aufgrund unerwünschter Ereignisse. Der Anteil an Patientinnen und Patienten, die eine mindestens 50-prozentige Reduktion ihrer ursprünglichen Migräne-Tage erreichten, war ein sekundärer Endpunkt.
Im Ergebnis schlossen insgesamt 95,1% der Teilnehmenden die Studie ab. In der Erenumab-Gruppe brachen 10,6% die Behandlung aufgrund unerwünschter Ereignisse ab – gegenüber 38,9% in der Topiramat-Gruppe (OR 0,19; p<0,001). Signifikant mehr Patienten erreichten mit Erenumab eine mindestens 50-prozentige Reduktion ihrer monatlichen Migräne-Tage (55,4% versus 31,2 %; OR 2,76; p<0,001). Das Sicherheitsprofil zeigte keine Auffälligkeiten. Insgesamt waren Verträglichkeit und Effektivität von Erenumab besser als von Topiramat.
„Die hier gezeigte Überlegenheit von Erenumab gegenüber Topiramat ist erfreulich. Dies ist die erste Studie, die einen monoklonalen Antikörper gegen ein traditionelles Migräneprophylaktikum untersucht hat., kommentiert Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der DGN. „Bei der Migräneprophylaxe stellt neben der Wirksamkeit auch die Verträglichkeit einen entscheidenden Faktor für den Therapieerfolg dar.“
„Gerade bei der Migräneprophylaxe ist eine zielgerichtete personalisierte Therapie heute sehr wichtig, um eine optimale Adhärenz zu erreichen. Grundsätzlich sollten aber auch nicht-medikamentöse Verfahren nicht unversucht bleiben wie beispielsweise Ausdauertraining, kognitive Verhaltenstherapie, Biofeedback und Entspannungstechniken. Bei Therapieresistenz bzw. wenn die Behandlung der akuten Migräneattacken nicht ausreicht, stellt Erenumab eine vielversprechende Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten für die Prävention dar.“
Es gibt allerdings eine Einschränkung des GBA für die Verschreibung der monoklonalen Antikörper. Diese können nur verordnet werden, wenn die konventionellen Medikamente zur Migräneprophylaxe nicht wirksam waren, nicht vertragen wurden oder kontraindiziert sind. Der GBA stellt aber auch einen beträchtlichen Zusatznutzen von Erenumab gegenüber Topiramat fest. Die Jahresbehandlungskosten (ohne Rabatte) betragen für Erenumab € 5.992,22 und für Topiramat € 277,07 [3].
Quellen:
[1] Reuter U, Ehrlich M, Gendolla A et al. Erenumab versus topiramate for the prevention of migraine - a randomised, double-blind, active-controlled phase 4 trial. Cephalalgia 2021 Nov 7;3331024211053571. doi: 10.1177/03331024211053571. Online ahead of print.
[2] Diener H.-C., Gaul C., Kropp P. et al., Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2018, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 07.12.2021) https://dgn.org/leitlinien/ll-030-057-2018-therapie-der-migraeneattacke-und-prop...
[3] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie:
Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V Erenumab (Neubewertung aufgrund neuer Wissenschaftlicher Erkenntnisse (Migräne-Prophylaxe)). Vom 21. Oktober 2021
https://www.g-ba.de/downloads/39-261-5066/2021-10-21_AM-RL-XII_Erenumab_D-669_BA...
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doi: 10.1177/03331024211053571
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Medicine
transregional, national
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