idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/06/2022 09:58

Wie man vergessene Erinnerungen wiederbelebt

Bastian Schmidt Präsidialabteilung, Bereich Kommunikation & Marketing
Universität Regensburg

    Das Erinnerung wird schwieriger je mehr Zeit zwischen dem Einspeichern der Informationen und deren Abruf vergeht. Die Erinnerungsleistung lässt in der Zeit kurz nach dem Einspeichern besonders stark nach; im weiteren zeitlichen Verlauf mündet sie in weniger starkem, weiterem Vergessen. Der selektive Abruf eines Teils zu einem bestimmten Zeitpunkt eingespeicherter Informationen kann das zeitabhängige Vergessen unterbrechen - dies zeigten zwei Psychologen der Universität Regensburg, Prof. Dr. Karl-Heinz Bäuml und Lukas Trißl, in ihrer kürzlich im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Studie.

    Mithilfe von drei Experimenten zeigten die Psychologen, dass der selektive Abruf eines Teils zu einem bestimmten Zeitpunkt eingespeicherter Informationen das zeitabhängige Vergessen unterbrechen kann. Dieses gilt sowohl für die selektiv abgerufenen Inhalte selbst, als auch für die anderen, nicht selektiv abgerufenen Informationen. Dabei erreichen die Erinnerungsquoten für beide Materialien kurz nach dem selektiven Abruf Niveaus, wie sie kurz nach dem Einspeichern der Informationen noch vorlagen. Insbesondere zeigen die Experimente, dass diese Unterbrechung einen bleibenden Effekt induziert. So ähnelt das neue zeitabhängige Vergessen nach dem selektiven Abruf dem ursprünglichen zeitabhängigen Vergessen unmittelbar nach dem Einspeichern, was darauf hinweist, dass selektiver Abruf - auf dem neuen, wieder erhöhten Erinnerungsniveau - einen Neustart zeitabhängigen Vergessen mit sich bringt und so zu einer Art „Reset“ des Erinnerns führt.

    „Vermutlich stellt selektiver Abruf den räumlich-zeitlichen Kontext, so wie er beim Einspeichern der Informationen vorlag, im Gedächtnis wieder her. Dieser reaktivierte Kontext fungiert dann als Schlüssel, um die scheinbar vergessenen Inhalte wieder zum Leben zu erwecken“, erklärt Prof. Bäuml.

    Insgesamt nahmen an den drei Experimenten 728 Studierende aus unterschiedlichen deutschen Universitäten teil. Sie alle lernten zunächst eine Wortliste (Experimente 1 und 2) oder Prosamaterial (Experiment 3). Bei der einen Hälfte der Probanden wurde das zeitabhängige Vergessen nach dem Lernen bestimmt, ohne vorherigen selektiven Abruf. Die andere Hälfte der Probanden sollte nach einem Zeitintervall von 30, 90, 120 oder 180 Minuten einen bestimmten Teil der gelernten Informationen selektiv abrufen, bevor im Anschluss das zeitabhängige Vergessen aller Informationen bestimmt wurde. Sowohl die anfänglichen Erinnerungsquoten - nach dem ursprünglichen Lernen bzw. nach dem selektiven Abruf – als auch das darauffolgende zeitabhängige Vergessen der beiden Probandengruppen fielen nahezu identisch aus.

    Im Alltag ist der Abruf von zu einem bestimmten Zeitpunkt eingespeicherten Gedächtnisinhalten oft selektiv und erfolgt erst nach einer gewissen zeitlichen Verzögerung, wie beispielsweise im pädagogischen Kontext, wenn Studierende sich auf Prüfungen vorbereiten, oder bei Zeugenbefragungen, wenn gezielt nach gewissen Detailinformationen gefragt wird. Die Ergebnisse legen nun nahe, dass selektiver Abruf in solchen Situationen das Erinnern von Personen verbessern kann: das Erinnern der abgerufenen, wie auch das Erinnern der restlichen Information.

    „Die Befunde liefern auch eine post-hoc Rechtfertigung für die Vorgehensweise bei manchen Befragungs- und Interviewtechniken, bei denen das Erinnern von Personen für kritische Informationen dadurch verbessert werden soll, indem die Personen angehalten werden, sich an jedes, auch noch so irrelevant erscheinende Detail der ursprünglichen Informationen zu erinnern“, erklärt Prof. Bäuml.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Karl-Heinz T. Bäuml
    Universität Regensburg
    Lehrstuhl für Entwicklungs- und Kognitionspsychologie
    Telefon +49 (0) 941-943-3818
    E-Mail karl-heinz.baeuml@ur.de


    Original publication:

    Bäuml, Karl-Heinz T., Trißl, L. (2022) Selective memory retrieval can revive forgotten memories. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)
    https://doi.org/10.1073/pnas.2114377119


    Images

    Mit zunehmender Zeit seit dem Lernen tritt Vergessen auf. Selektiver Gedächtnisabruf fördert den Abruf der noch nicht abgerufenen Informationen und startet das zeitabhängige Vergessen neu.
    Mit zunehmender Zeit seit dem Lernen tritt Vergessen auf. Selektiver Gedächtnisabruf fördert den Abr ...
    Lukas Trißl & Karl-Heinz Bäuml
    © Universität Regensburg


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Psychology
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).