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Wohnungslose Frauen, die chronisch psychisch krank sind, lassen sich mit Hilfsangeboten schwer erreichen. Ein HM-Lehrforschungsprojekt von Prof. Dr. Ursula Unterkofler gibt Aufschluss über die Bedürfnislage und die Möglichkeiten, wie diese Menschen in München zu unterstützen sind.
Wohnungslosigkeit und eine chronische psychische Erkrankung kommen oft zusammen. Die Landeshauptstadt München arbeitet bei Hilfsangeboten nach dem Konzept „Wohnen statt Unterbringen“. Mit der Priorität auf Wohnen werden die weiteren Hilfsangebote für Wohnungslose koordiniert. Weil die Wohnungsnotfallhilfe in München im bundesweiten Vergleich bereits auf sehr hohem Niveau arbeitet, kam nach Jörn Scheuermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Wohnungsnotfallhilfe München und Oberbayern, gerade eine spezifische Gruppe in den Blick: Wohnungslose Frauen, die an schweren chronischen psychischen Erkrankungen leiden. „Diese Frauen erreichen wir mit unseren bisher etablierten gemeinsamen Angeboten noch nicht optimal“, sagt Scheuermann. Ein Grund für ihn, bei der Hochschule München eine Studie anzuregen, die klären sollte, wie auch diese Menschen mit Hilfsangeboten zu erreichen sind.
Flexibles Forschungsdesign: „Wie können wir Frauen für unsere Forschung erreichen?“
Prof. Dr. Ursula Unterkofler, Professorin für Empirische Sozialforschung und Evaluation an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München (HM), führte die Studie „Bedarfe wohnungsloser Frauen mit schweren chronischen psychischen Erkrankungen in München“ durch. In dem so genannten Lehrforschungsprojekt, einem Forschungsseminar im Bachelorstudiengang Soziale Arbeit, erarbeitete sie mit Studierenden 16 leitfadengestützte Interviews mit Betroffenen sowie Ergebnisse aus zwei Gruppeninterviews mit insgesamt 9 Fachkräften.
Die Erreichbarkeit der betroffenen Frauen war auch ein Problem für die Forschungstätigkeit. Interviewpartnerinnen gewinnen konnten die Forschenden, indem sie diese das Setting für die Befragungen frei wählen ließen: Ob allein mit Studierenden oder mit Fachkräften zusammen, ob in den Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe oder auf der Straße, ob mit Leitfragen oder kurzen Fragekärtchen, im Stehen oder im Gehen. „Die Aussagen der befragten Frauen und die Einschätzungen, die die Fachkräfte auf Grundlage ihre alltäglichen Arbeitserfahrung treffen, stimmten stark überein“, sagt Unterkofler zu den Ergebnissen.
Mehr als ein Schlafplatz: Barrierefreiheit von Hilfsangeboten
Die Forschungen des Projekts ergab, dass die Bedürfnislage der Frauen einen spezifischen Zugang erfordert: „Aufgrund der erlebten Stigmatisierungen fühlen sich die Frauen in konkreten Situationen immer wieder abgewertet, ausgeschlossen und nicht ernst genommen. Sie haben daher ein erhöhtes Bedürfnis individuell gesehen und ernst genommen zu werden.“ Aus den Interviews lassen konkrete Anhaltspunkte für den Abbau von Barrieren zu Hilfsangeboten erkennen.
Anstatt Gemeinschaftszimmern, benötigen die betroffenen Frauen Einzelzimmer als Orte der Ruhe und Sicherheit, damit sie eine Nutzung überhaupt in Erwägung ziehen. Dies ist im Sofortunterbringungssystem der Landeshauptstadt schon jetzt möglich, allerdings müssen natürlich bestimmte bürokratische Schritte gegangen werden, die dann im Einzelfall genau die Barriere darstellen, die aus vielfältigen Gründen zu überwinden nicht gelingt.
Die Frauen haben generell große Schwierigkeiten, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen: Sie brauchen die Möglichkeit, die Nutzung von Angeboten selbst zu bestimmen, um ihre persönliche Autonomie zu wahren. Nach Diskriminierungserfahrungen ist ihnen auch Anonymität sehr wichtig. Oft stellt es für sie bereits eine Hemmschwelle dar, wenn eine Wohnungsloseneinrichtung als solche nach außen erkennbar ist oder sie Unterschriften unter Anträgen leisten müssen.
Neben eines Schlafplatzes benötigen sie außerdem die Ressourcen, Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Hygiene zu stillen. Für die Organisation der unterschiedlichen Hilfen wäre es aus Sicht der Fachkräfte deshalb günstig, wenn die unterschiedlichen Hilfen nicht einzeln ausgewiesen werden müssten.
Lehrforschungsprojekt
Die Studie „Bedarfe wohnungsloser Frauen mit schweren chronischen psychischen Erkrankungen in München“ wurde in enger Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Wohnungsnotfallhilfe München und Oberbayern und der Unterarbeitsgemeinschaft erstellt.
Über die Arbeitsgemeinschaft Wohnungsnotfallhilfe München und Oberbayern
Die ARGE WNFH M OBB ist finanziell getragen vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, dem Bezirk Oberbayern, der Landeshauptstadt München sowie einigen Spitzenverbänden sowie freien Trägern der Wohlfahrtspflege in München und Oberbayern, angesiedelt beim Katholischen Männerfürsorgeverein e.V. Ziel ist es, die Strukturen der Wohnungsnotfallhilfe in Oberbayern bedarfsgerecht und fachlich optimal zu gestalten sowie alle Gemeinden, Landkreise, kreisfreien Städte, den Bezirk sowie die Spitzenverbände und freie Träger der Wohlfahrtspflege sowie auch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales zu allen Belangen der Wohnungsnotfallhilfe in der jeweiligen Zuständigkeit fachlich beratend zu unterstützen.
Prof. Dr. Ursula Unterkofler
E-Mail: ursula.unterkofler@hm.edu
https://wohnungslosenhilfe-bayern.de/wp-content/uploads/2022/05/2022_Forschungsb... Forschungsbericht auf der Webseite der Koordination Wohnungslosenhilfe Nord- und Südbayern
Wohnungslos und chronisch psychisch krank: Eine HM-Studie erforscht Bedürfnisse und Unterstützungsmö ...
Foto: Christiane Taddigs-Hirsch
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Politics, Psychology, Social studies
transregional, national
Research results
German
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