idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
07/05/2022 16:43

Spiegelbildliche Moleküle leichter unterscheiden

Dr. Mirjam van Daalen Abteilung Kommunikation
Paul Scherrer Institut (PSI)

    Mithilfe einer neuen Methode lassen sich spiegelbildliche Substanzen besser voneinander unterscheiden. Das ist unter anderem bei der Herstellung von Arzneimitteln wichtig, weil die beiden Varianten völlig unterschiedliche Wirkungen im menschlichen Körper entfalten können. Das neue Verfahren beschreiben Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI, der ETH Lausanne (EPFL) und der Universität Genf nun im Fachblatt Nature Photonics.

    Einige Moleküle existieren in zwei Formen, die zwar strukturell identisch sind, aber in ihrem Aufbau spiegelbildlich zueinander – genau wie unsere rechte und linke Hand. Es handelt sich dann um chirale Moleküle. Ihre beiden spiegelbildlichen Formen nennt man Enantiomere. Bei biologischen Molekülen ist eine Chiralität besonders relevant, denn sie können unterschiedliche Wirkung im Körper entfalten. In der Biochemie, Toxikologie und bei der Entwicklung von Arzneimitteln ist es daher essenziell, Enantiomere voneinander zu trennen, damit beispielsweise nur die erwünschte Variante in ein Medikament gelangt. Nun hat ein Zusammenschluss von Forschenden vom PSI, der EPFL und der Universität Genf eine neue Methode entwickelt, mit der sich Enantiomere besser voneinander unterscheiden und somit trennen lassen: den helikalen Dichroismus im Röntgenbereich.

    Die bisher etablierte Methode, mit der Enantiomere unterschieden werden, ist der sogenannte zirkulare Dichroismus, abgekürzt CD. Hierbei wird Licht mit einer bestimmten Eigenschaft – nämlich zirkular polarisiertes Licht – durch die Probe geschickt. Dieses Licht wird von den Enantiomeren unterschiedlich stark absorbiert. CD ist in der analytischen Chemie, in der biochemischen Forschung sowie in der Pharma- und Lebensmittelindustrie weit verbreitet. Allerdings sind bei CD die Signale von Natur aus sehr schwach: Die Lichtabsorption der beiden Enantiomere unterscheidet sich nur um knapp 0,1 Prozent. Es existieren verschiedene Strategien zur Verstärkung der Signale, die jedoch nur geeignet sind, wenn die Probe in der Gasphase vorliegt. Ein Grossteil der Chemie und Biochemie jedoch wird in flüssigen Lösungen betrieben, vor allem in Wasser.

    Die neue Methode nutzt dagegen den sogenannten helikalen Dichroismus, kurz HD. Der Effekt, der diesem Phänomen zugrunde liegt, ist statt in der Polarisierung des Lichts in dessen Form zu finden: Die Wellenfront ist hierbei schraubenförmig gekrümmt.

    An der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI konnten die Forschenden erstmals erfolgreich zeigen, dass sich auch mit schraubenförmigem Röntgenlicht Enantiomere unterscheiden lassen. An der cSAXS-Strahllinie der SLS demonstrierten sie dies an einer pulverförmigen Probe des chiralen Metallkomplexes Eisen-tris-Bipyridin, die die Forschenden der Universität Genf zur Verfügung gestellt hatten. Das Signal, das sie erhielten, war um mehrere Grössenordnungen stärker als dasjenige, das sich mit CD erreichen lässt. HD lässt sich auch in flüssigen Lösungen nutzen, und erfüllt damit eine ideale Voraussetzung für Anwendungen in der chemischen Analytik.

    Entscheidend für das Experiment war, Röntgenlicht mit den genau richtigen Eigenschaften zu erschaffen. Dies gelang den Forschenden mit sogenannten Spiralzonenplatten, einer besonderen Art von Beugungslinsen, durch die sie das Licht schickten, bevor es auf die Probe traf.

    «Mit den Spiralzonenplatten konnten wir auf sehr elegante Art unserem Röntgenlicht die gewünschte Form und somit einen Bahndrehimpuls geben. Die Strahlen, die wir so erschaffen, werden auch als optische Wirbel bezeichnet», sagt PSI-Forscher Benedikt Rösner, der die Zonenplatten für dieses Experiment entworfen und hergestellt hat.

    Jérémy Rouxel, Forscher an der EPFL und Erstautor der neuen Studie, ergänzt: «Der helikale Dichroismus liefert eine völlig neue Art der Licht-Materie-Wechselwirkung. Wir können ihn für die Unterscheidung von Enantiomeren perfekt ausnutzen.»

    Die Studie war möglich dank Finanzierung durch den Europäischen Forschungsrat mit dem ERC Advanced Grant DYNAMOX, den Schweizerischen Nationalfonds mit dem Nationalen Forschungsschwerpunk NCCR:MUST und durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD.

    Text: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann

    -------------------------------------------

    Über das PSI

    Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2200 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 400 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.


    Contact for scientific information:

    Dr. Benedikt Rösner
    Labor für Nichtlineare Optik
    Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
    Telefon: +41 56 310 24 54, E-Mail: benedikt.roesner@psi.ch [Deutsch, Englisch]


    Original publication:

    Hard X-ray helical dichroism of disordered molecular media
    J. R. Rouxel, B. Rösner, D. Karpov, C. Bacellar, G. F. Mancini, F. Zinna, D. Kinschel, O. Cannelli, M. Oppermann, C. Svetina, A. Diaz, J. Lacour, C. David, M. Chergui
    Nature Photonics, 4. Juli 2022 (online)
    DOI: 10.1038/s41566-022-01022-x


    More information:

    http://psi.ch/de/node/52319 – Darstellung der Mitteilung auf der Webseite des PSI mit Bildmaterial


    Images

    An der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI haben Forschende erfolgreich gezeigt, dass sich mit schraubenförmigem Röntgenlicht Enantiomere unterscheiden lassen.
    An der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI haben Forschende erfolgreich gezeigt, dass sich mi ...
    Benedikt Rösner
    Paul Scherrer Institut


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Chemistry, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).