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Wissenschaft
Die Killerzellen des Immunsystems sind im Alter besser als ihr Ruf: Bislang galt die Annahme, dass die Fähigkeit der sogenannten T-Zellen, Tumorzellen oder Krankheitserreger zu töten, mit der Zeit schwächer wird. Das Gegenteil ist der Fall. T-Zellen werden im Alter zu stärkeren und effektiveren Killern. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommen die Forscherinnen Dr. Annette Lis und Dorina Zöphel von der Universität des Saarlandes. Gerade T-Zellen älterer Menschen könnten damit vielversprechend für die Krebsimmuntherapie sein. Die Ergebnisse, die dazu beitragen, besser zu verstehen, wie das Immunsystem altert, veröffentlichen die Forscherinnen in der Fachzeitschrift Aging Cell.
Ältere Menschen bekommen häufiger Krebs. Mehr als jeder zweite der rund eine halbe Million Menschen, die laut Schätzungen des Robert-Koch-Instituts jedes Jahr diese Diagnose erhalten, ist über sechzig. Und wie Corona deutlich zeigt, verlaufen auch Virusinfektionen bei alten Menschen im Schnitt schwerer als bei jungen. Also muss auch ihr Immunsystem schwächer sein. Und mit ihm auch ihre T-Zellen: Das sind sogenannte Killerzellen, die hier eine Schlüsselrolle spielen. Sie spüren virusbefallene Zellen oder Krebszellen im Körper auf und töten diese. Scheinbar schwächeln also die T-Zellen ebenfalls – hiervon geht die Wissenschaft bislang aus.
Forscherinnen der Universität des Saarlandes haben nun herausgefunden: T-Zellen werden im Alter zu ultimativen Killern. „Wir kamen zu dem überraschenden Ergebnis, dass die zelleigene Fähigkeit, Tumorzellen zu töten, bei zytotoxischen CD8+ T-Zellen im Alter nicht schlechter, sondern im Gegenteil besser wird. Vergleicht man die gleiche Anzahl junger und alter T-Zellen, sind die alten die besseren, effektiveren Killer“, sagt Dr. Annette Lis. Seit Jahren erforscht die Apothekerin in der Arbeitsgruppe von Professor Markus Hoth auf dem Medizin-Campus Homburg, wie sich die Aktivität der Killerzellen während des Alterungsprozesses verändert.
Ursache dieser unerwarteten Stärke sind die hochwirksamen Waffen, die alte T-Zellen zur Verfügung haben: „Die Produktion der Moleküle Perforin und Granzym ist bei ihnen erhöht: Das Molekül Perforin verursacht kleine Löcher in der Zellmembran der Zielzellen. Das Granzym wiederum kann hierdurch in die Zelle eindringen und einen programmierten Zelltod einleiten“, erklärt die Molekularbiologin Dorina Zöphel, die als Doktorandin die T-Zell-Alterung erforscht.
Außerdem kennen alte, erfahrene T-Zellen ihre Verdächtigen genau: Zytotoxische CD8+ T-Zellen erinnern sich gut an die, die sie schon mal angegriffen und zerstört haben. Als Teil des im Laufe des Lebens erworbenen Immunsystems lernen sie dazu. „Die T-Zellen sind in der Lage, Gedächtniszellen zu bilden. Bei erneutem Kontakt mit einem für sie bereits bekannten Erreger reagieren sie sehr schnell und effektiv“, erläutert Dorina Zöphel.
Da man die alten CD8+ Gedächtnis-T-Zellen bislang für wenig geeignet hielt, verwendete man diese nur eingeschränkt für Immuntherapien. Bei jungen Krebspatientinnen und -patienten entnimmt man solche T-Zellen aus dem Blut, trainiert sie in der Petrischale gegen die Tumorzellen, um sie dann wieder in den Körper einzuschleusen, wo sie die Tumorzellen gezielt angreifen. Die Ergebnisse der Homburger Arbeitsgruppe legen nahe, dass sich diese Krebsimmuntherapie gerade auch für ältere Menschen besonders gut eignen könnte. „Entgegen der Erwartungen könnte der Einsatz dieser älteren T-Zellen bei der adaptiven Immuntherapie im Alter besonders vielversprechend sein und zu erhöhter Wirksamkeit und verlängerter Lebensspanne beitragen“, sagt Annette Lis.
Warum aber sind alte Menschen nicht besser gegen Krebszellen und Viren geschützt, wenn ihre T-Zellen so stark sind? „Wie die meisten Organe in unserem Körper altert auch das Immunsystem kontinuierlich, und es kann dadurch nicht mehr so gut auf neue Krankheitserreger reagieren. Dieser Alterungsprozess wird unter dem Fachbegriff Immunoseneszenz zusammengefasst und beschreibt die verminderte Leistungsfähigkeit der verschiedenen Immunzellen“, erläutert Annette Lis. Wie genau diese Alterung aussieht, ist bislang unzureichend erforscht.
Die Ergebnisse der Homburger Forscherinnen tragen nun einen Puzzlestein dazu bei, die hochkomplexen Prozesse und Zusammenhänge besser zu verstehen. „Es gibt einerseits altersbedingte zelleigene Defekte, die im Laufe der Zeit auftreten. Andererseits beeinflusst auch die alternde Umgebung die Funktion. Bei den T-Zellen spricht einiges dafür, dass die Ursache der schlechteren Immunantwort nicht in den T-Zellen selbst, sondern vielmehr in der alternden Umgebung liegt“, erklärt die Apothekerin. Im Alter würden außerdem weniger CD8+ Gedächtnis-T-Zellen gebildet, so dass schlicht eine geringere Anzahl Killerzellen potenziellen Angreifern die Stirn bieten können.
„Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die starken alten T-Zellen, die Krankheitserreger oder Krebszellen schneller eliminieren, die anderen altersbedingten Defizite der Immunantwort ausgleichen könnten. Obwohl die Immunität im höheren Alter insgesamt reduziert ist, könnte die verringerte Anzahl T-Zellen trotzdem Krebs oder Infektionen bekämpfen. Um dies zu bestätigen sind jedoch weitere Studien notwendig, die Gegenstand unserer zukünftigen Forschung sind“, erklärt Dorina Zöphel. Die Erkenntnisse der Homburger Forscherinnen könnten künftig Grundlage für neue Therapieverfahren sein.
Die Studie „Faster cytotoxicity with age: Increased perforin and granzyme levels in cytotoxic CD8+ T cells boost cancer cell elimination” von Dorina Zöphel und Dr. Annette Lis befasst sich mit den Veränderungen im Tötungsverhalten von T-Zellen gegenüber Krebszellen im Alter. An der Veröffentlichung beteiligt waren Forscherinnen und Forscher der Biophysik (Prof. Dr. Markus Hoth) und der zellulären Neurophysiologie des CIPMMs (Centrum für Integrative Physiologie und Molekulare Medizin) der Universität des Saarlandes.
Aging Cell, doi: https://doi.org/10.1111/acel.13668
Dorina Zöphel, Biophysik
Tel: 06841-1616319; Mail: dorina.zoephel@uks.eu
Dr. Annette Lis, Biophysik
Tel: 06841-1616318; Mail: annette.lis@uks.eu
https://doi.org/10.1111/acel.13668
Dr. Annette Lis (r.) und Dorina Zöphel (l.) erforschen an der Universität des Saarlandes, wie sich d ...
Foto: Oliver Dietze
Universität des Saarlandes
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Biology, Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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