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10/04/2022 12:03

Das Quecksilbergeheimnis in der Tiefsee

Bianca Loschinsky Presse und Kommunikation
Technische Universität Braunschweig

    Die Kisten sind schon lange gepackt, Genehmigungen eingeholt und auch der Medizin-Check ist abgeschlossen: Nun ist Dr. Marta Pérez Rodríguez von der Technischen Universität Braunschweig an Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“. Der Eisbrecher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) hat sich am 2. Oktober von Kapstadt aus auf den Weg in den Südatlantik begeben. Dort wird die Umweltwissenschaftlerin als Teil der Island-Impact-Expedition in den Gewässern um Südgeorgien Wasser- und Sedimentproben sammeln. Ziel ist es, zu erfahren, wo sich das Quecksilber in den Tiefen des Meeres ablagert.

    Die zweigeteilte Expedition „Island Impact“ untersucht von Oktober bis Dezember biogeochemische Stoffflüsse um Südgeorgien, eine Inselgruppe im Südatlantik östlich der Ostküste Südamerikas. Hier treten einige der höchsten Konzentrationen von Phytoplankton im südlichen Ozean auf. Diese beträchtlichen Algenblüten benötigen für ihre Entwicklung eine Eisenquelle. Hauptaugenmerk der Expedition liegt darauf, die Quellen und Wege des Eintrags von Eisen und anderen Nährstoffen in die Schelfgewässer Südgeorgiens und weiter stromabwärts in den südlichen Antarktischen Zirkumpolarstrom (ACC) zu verstehen.

    Quecksilber eingeschlossen in Sedimenten

    Hier setzt auch die Forschung der Arbeitsgruppe Umweltgeochemie des Instituts für Geoökologie an, die sich auf das Spurenmetall Quecksilber konzentriert. Quecksilber ist ein hochgiftiger Schadstoff, der die menschliche Gesundheit ernsthaft schädigen kann. Der größte Teil der Quecksilberverschmutzung gelangt durch die Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen sowie durch industrielle Aktivitäten in die Atmosphäre. Doch wohin gelangt es dann?

    Bereits seit 2016 forschen Professor Harald Biester und Dr. Marta Pérez Rodríguez zum Quecksilberkreislauf und der Primärproduktion in den Ozeanen. In einer Studie, die 2018 in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde und international Anerkennung fand, stellten sie fest, dass die untersuchten antarktischen Kieselsäuresedimente überraschend große Mengen an Quecksilber enthielten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bis zu 25 Prozent der Quecksilberemissionen der letzten 150 Jahre in solchen Sedimenten eingeschlossen sein könnten. „Von der Forschungsreise mit der ‚Polarstern‘ erhoffen wir uns nun weitere Erkenntnisse zum Quecksilberkreislauf, über den Verbleib von Quecksilber in der Wassersäule in produktiven Meeresgebieten und über die Rolle von Algenblüten für die Speicherung von Quecksilber in Meeressedimenten“, sagt Professor Biester.

    Proben aus 6.000 Metern Tiefe

    Dafür werden die Wissenschaftler*innen unter anderem Wasserproben in bis zu 5.000 Metern Tiefe und Meeressedimente in mehr als 6.000 Metern Tiefe nehmen. „Die Expedition gibt uns die Möglichkeit, vielfältige Proben zu sammeln, die wir sonst nicht erhalten würden“, sagt Dr. Marta Pérez Rodríguez. So setzen die Forschenden spezielle Wasserpumpen zum Sammeln von Schwebstoffen in der Tiefe ein, die nicht zur Standardausrüstung vieler Meeresuntersuchungen gehören. „Die gewonnenen Daten werden wird dann mit elementaren Meerwassereigenschaften wie Dichte, Salzgehalt, Temperatur, Sauerstoffkonzentration und Chlorophyllkonzentration sowie mit Informationen anderer Forschungsgruppen zusammenführen, beispielsweise die Identifizierung von Zooplanktonarten und anderen Spurenmetallkonzentrationen.“

    Auf die Expedition hat sich die Wissenschaftlerin monatelang vorbereitet. Neben Schulungen für die Arbeit an Bord mussten Genehmigungen zu Probennahme eingeholt und vor allem das Arbeitsmaterial mehrfach gesäubert werden. „Die Quecksilberkonzentrationen im offenen Ozean sind sehr niedrig, sodass wir unter sehr sauberen Bedingungen arbeiten müssen“, erläutert Dr. Marta Pérez Rodríguez. „Die Reinigung der Flaschen, die wir zum Sammeln von Methylquecksilber verwenden werden, dauert zum Beispiel etwa zwölf Tage und umfasst mehrere Schritte mit Seifen, konzentrierten Säuren und ultrareinem Wasser.“

    Gut gerüstet gegen stürmische See

    Außerdem stand für alle Teilnehmenden ein medizinischer Check an. Das Leben und Forschen an Bord könnte für die Umweltwissenschaftlerin hin und wieder ungemütlich werden. Auch wenn die „Polarstern“ in Kapstadt voraussichtlich bei eher frühlingshaftem Wetter startet, wird es während der Expedition nicht dabei bleiben. Je weiter sich das Forschungsschiff Richtung Süden bewegt, desto niedriger werden die Temperaturen. Und in der Nähe von Südgeorgien könnten Stürme mit hohen Wellen die Arbeit beeinträchtigen. Gegen Kälte sind die Expeditionsteilnehmer*innen gut gerüstet: Das AWI stellt extra Kleidung mit wasserdichter Hose und Jacke, Fleecejacke, Wollmütze, Handschuhe und Sicherheitsstiefel zur Verfügung.

    Dass die Expedition möglicherweise etwas stürmisch wird, schreckt Dr. Marta Pérez Rodríguez nicht. Sie freut sich, dass es nun endlich losgeht: „An einer Expedition an Bord eines Forschungsschiffes wie der Polarstern und an einem Ort wie dem Südatlantik teilzunehmen, ist ein Meilenstein in meiner Karriere und meinem Leben. Für mich persönlich geht als Umweltwissenschaftlerin damit ein Jugendtraum in Erfüllung.“

    Expedition „Island Impact“

    Die Polarstern-Expedition „Island Impact“ im Südatlantik findet unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) von Ende September bis Dezember 2022 statt und wird von Dr. Christine Klaas und Professorin Sabine Kasten (beide AWI) koordiniert. Dr. Marta Pérez Rodríguez wird im ersten Teil der Expedition bis Mitte November teilnehmen. Für die Untersuchungen kooperiert das Institut für Geoökologie mit Forschenden des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde, dem National Institute of Aquatic Resources, Section for Oceans and Arctic an Dänemarks Technischer Universität (DTU), dem HADAL – Danish Center for Hadal Research der Süddänischen Universität und dem Institut Méditerranéen d'Océanographie der Aix-Marseille-Universität in Frankreich.

    Der Polarstern folgen

    Die Expeditionen des AWI-Forschungsschiffs „Polarstern“ kann man live per App verfolgen. Über https://follow-polarstern.awi.de gibt es Positions- und Wetterdaten in Echtzeit sowie mehrmals wöchentlich aktuelle Fotos und Berichte von Bord der „Polarstern“.

    Link:

    Interview mit Dr. Marta Pérez Rodríguez zur Expedition:
    https://magazin.tu-braunschweig.de/m-post/aufbruch-zu-einer-stuermischen-forschu...


    Contact for scientific information:

    Dr. Marta Pérez Rodríguez
    Technische Universität Braunschweig
    Institut für Geoökologie
    Abt. Umweltgeochemie
    Langer Kamp 19c
    38106 Braunschweig
    Tel.: 0531 391-7242
    E-Mail: m.perez-rodriguez@tu-braunschweig.de
    https://www.tu-braunschweig.de/geooekologie/institut/geochemie

    Prof. Dr. Harald Biester
    Technische Universität Braunschweig
    Institut für Geoökologie
    Abt. Umweltgeochemie
    Langer Kamp 19c
    38106 Braunschweig
    Tel.: 0531 391-7240
    E-Mail: h.biester@tu-braunschweig.de
    https://www.tu-braunschweig.de/geooekologie/institut/geochemie


    Original publication:

    Sara Zaferani, Marta Pérez-Rodríguez, Harald Biester: Diatom ooze – A large marine mercury sink. Science, Vol. 361, NO. 640424 Aug 2018: 797-800,
    DOI: https://doi.org/10.1126/science.aat2735


    Images

    In Bremerhaven konnte Dr. Marta Pérez Rodríguez bereits einen Blick auf das Forschungsschiff werfen. Jetzt startet sie mit der "Polarstern" von Kapstadt aus Richtung Südatlantik.
    In Bremerhaven konnte Dr. Marta Pérez Rodríguez bereits einen Blick auf das Forschungsschiff werfen. ...
    Marta Pérez Rodríguez
    TU Braunschweig

    Dr. Marta Pérez Rodríguez vor dem Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven.
    Dr. Marta Pérez Rodríguez vor dem Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresf ...
    Marta Pérez Rodríguez
    TU Braunschweig


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research projects
    German


     

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