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11/07/2022 14:31

Natürliche CO2-Reduktion schneller umsetzbar und weniger risikoreich als Hightech-Ansätze

Katja Hinske Kommunikation
Helmholtz-Klima-Initiative

    Kohlendioxid lässt sich auf natürliche oder technische Wege aus der Atmosphäre entziehen. Natürliche Senken wie Moore können wiederhergestellt werden, und es existieren bereits innovative Technologien, um Kohlenstoff aus der Luft zu holen. Forscher:innen des Clusters „Netto-Null-2050“ der Helmholtz-Klima-Initiative haben die vielversprechendsten Ansätze in Deutschland identifiziert. Sie zeigen, dass natürliche Senken kurzfristig erweitert werden können, während Hightech-Ansätze Treibhausgase erst mittelfristig reduzieren könnten und potentielle Risiken bergen.

    Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad Celsius zu begrenzen, wird es voraussichtlich nicht reichen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Darüber hinaus wird es wahrscheinlich notwendig, der Atmosphäre bereits emittiertes Kohlendioxid wieder zu entnehmen. Eine solche CO2-Abscheidung ließe sich auf natürlichem Wege durch die Erweiterung natürlicher Senken (ENS) wie beispielsweise die Wiederaufforstung von Wäldern erreichen. Auch neue Technologien, die chemische Prozesse zur Kohlenstoffabscheidung nutzen, ließen sich nutzen. Das Potenzial und die Durchführbarkeit dieser so genannten Kohlendioxid-Entnahmemaßnahmen (CDR) sind jedoch von vielen Variablen abhängig. Dazu gehören unter anderem die Verfügbarkeit von Infrastrukturen und Ressourcen wie Land und Energie.

    Erweiterung natürlicher Kohlenstoffspeicher schneller umsetzbar als Hightech-Ansätze
    Forscher:innen der Helmholtz-Klima-Initiative haben nun erstmals untersucht, wie viel CO2 mittels der verschiedenen Verfahren in Deutschland bis zum Jahr 2050 aus der Atmosphäre entnommen werden könnte.

    Auf der Grundlage einer Literaturrecherche, von Expert:innenwissen und einer Analyse der Bedingungen im Land wie zum Beispiel der Verfügbarkeit von Infrastrukturen, Ressourcen und technologischer Reife haben die Forscher:innen 13 CDR-Optionen mit Einsatzpotenzial ermittelt und beschrieben. „Es ist wichtig, die unterschiedlichen Reifegrade und Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Optionen zu kennen“, erklärt Malgorzata Borchers vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), die die Studie zusammen mit ihrer UFZ-Kollegin Daniela Thrän geleitet hat. „Während einige ENS-Optionen bereits heute eingesetzt werden und gegebenenfalls ausgeweitet werden könnten, würde es bei der Mehrheit der High-Tech-Optionen Jahre oder sogar mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis sie in großem Maßstab eingesetzt werden könnten. Sie sind außerdem oft abhängig von der Möglichkeit der Kohlenstoffspeicherung, die in Deutschland derzeit durch Gesetze eingeschränkt ist und durch eine Änderung der geltenden Vorschriften erschlossen werden könnte. Gleichwohl ist es wichtig, diese Technologien weiterzuentwickeln, damit sie bei Bedarf im späteren Teil des Jahrhunderts eingesetzt werden können."

    Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung hat das höchste Entnahmepotenzial

    Die vorgeschlagenen Konzepte weisen ein sehr unterschiedliches jährliches CO2-Entnahmepotenzial auf, das von 62.000 Tonnen bei der Wiederherstellung von Seegraswiesen in der Ostsee bis zu 29,9 Millionen Tonnen über die Verbrennung von Biomasse zur Kraft-Wärme-Kopplung mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) reicht. Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Bioenergy with Carbon Capture and Storage, kurz BECCS) besitzt das höchste spezifische Entnahmepotenzial. Für BECCS wird Biomasse aus Pflanzen – die der Luft durch Photosynthese CO2 entziehen – zur Energieerzeugung, das heißt zum Beispiel für Wärme, Strom oder Kraftstoffe genutzt. Bei der Umwandlung von Biomasse in Energie wird CO2 freigesetzt, welches aber nicht in die Atmosphäre gelangt, sondern direkt eingefangen und anschließend gespeichert wird. Dieses Einfangen wird als Abscheidung bezeichnet. Besonders interessant im Hinblick auf die Menge des entzogenen CO2 ist das Konzept der sogenannten Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Dabei werden ehemalige Kohlekraftwerke zur Verbrennung von Holzpellets für die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme genutzt. Jedes Kraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 500 MW könnte durch Anwendung von BECCS knapp 3 Megatonnen CO2 pro Jahr neutralisieren. Borchers gibt jedoch zu bedenken: „Die Verwendung von holzartiger Biomasse in Kraftwerken in größerem Maßstab wird die Gesamtnachfrage nach Biomasse voraussichtlich erheblich steigern. Wir werden Biomasse aus dem Ausland importieren müssen, was sich negativ auf die Waldökosysteme im Ausland auswirken und zusätzliche CO2-Emissionen ver-ursachen könnte“.

    Auch Direktabscheidung von Kohlenstoff aus der Luft hat hohes Potenzial

    Die Direktabscheidung von Kohlenstoff aus der Luft (Direct Air Carbon Capture, kurz DACC), bei der große DACC-Absorber-Anlagen installiert werden, ist der Studie zufolge ein weiteres CDR-Konzept mit hohem Entnahmepotenzial. Jede Anlage könnte bis zu einer Million Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden, sofern eine wirksame CO2-Speicherung erreicht werden kann. Thrän wendet jedoch ein: „In Anbetracht der Größenordnung einer solchen Anlage und des damit verbundenen Energiebedarfs ist zweifelhaft, ob diese Technologie in Deutschland überhaupt umsetzbar wäre. Der Energiebedarf einer solchen
    Anlage entspräche dem jährlichen Energiebedarf von 720.000 deutschen Haushalten“.

    Verwitterung von Gesteinen bei natürlichen Verfahren vorne

    Andere BECC- und DACC-Optionen weisen geringere CO2-Abscheidungspotenziale auf. Bei den Optionen zur Erweiterung natürlicher Senken wie der Wiedervernässung von Mooren, der Aufforstung von Ackerflächen oder der verstärkten Gesteinsverwitterung schwankt das Potenzial zwischen 1,5 und 9,5 Tonnen CO2, die jährlich pro Hektar Land, auf dem sie angewendet würden, abgeschieden werden könnten. Von diesen natürlichen Verfahren bietet die Förderung der natürlichen Verwitterung von Gesteinen das höchste Entnahmepotenzial pro Fläche. Karbonat- und Silikatminerale könnten in pulverisierter Form auf Böden ausgebracht werden, etwa auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, um CO2 zu binden. Durch die Ausbringung von Basalt auf Ackerland könnten in Deutschland bis zu 5,82 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gebunden werden. Thrän gibt jedoch zu bedenken, „dass diese CDR-Option von der Gewinnung bis zum Zerkleinern und Mahlen des Silikatgesteins mit einem erheblichen Energieaufwand verbunden ist. Zudem sollten auch die Umweltauswirkungen weiter untersucht werden, da es noch an aussagekräftigen Ergebnissen mangelt.“

    Wie viel CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden muss, ist unklar

    „Die Schätzwerte für den notwendigen Kohlendioxidabbau in Deutschland reichen von 3 bis 18 Gigatonnen CO2 von heute bis zum Jahr 2100, je nachdem, was wir als unsere historische Verantwortung, Leistungsfähigkeit und Beitrag zur globalen Gerechtigkeit zugrunde legen“, erklärt Borchers. „Und natürlich ist die Menge an CO2, die wir entfernen müssen, stark von den Maßnahmen abhängig, die wir in den kommenden Jahren zur Reduzierung und Vermeidung von Emissionen ergreifen.“

    Über die Helmholtz-Klima-Initiative
    Die Helmholtz-Klima-Initiative erforscht systemische Lösungen für eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit: den Klimawandel. Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler aus 15 Helmholtz-Zentren entwickeln gemeinsam Strategien zur Eindämmung von Emissionen und zur Anpassung an unver-meidliche Klimafolgen – mit dem Fokus auf Deutschland. Die Helmholtz-Klima-Initiative stellt vielen gesellschaftlichen Bereichen wissenschaftlich basiertes Wissen zur Verfügung und tritt mit Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Medien sowie der interessierten Öffentlichkeit in den Dialog.

    Auf der Website der Helmholtz-Klima-Initiative mehr über die verschiedenen Ansätze zur Kohlendioxid-Entnahme erfahren.

    Kontakte

    Meike Lohkamp | Helmholtz-Klima-Initiative | Wissenschaftskommunikation | meike.lohkamp@helmholtz-klima.de | +49 151 5674 9826

    Prof. Dr. Daniela Thrän | Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ |
    Leiterin des Departments Bioenergie | daniela.thraen@ufz.de

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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Environment / ecology
    transregional, national
    Research projects, Transfer of Science or Research
    German


     

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