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Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg hat den Elise-Reimarus-Preis 2022 an die Germanistin und Philosophin Dr. Judith Neuhaus verliehen. Sie überzeugte mit ihrer Dissertation „Typographisches Verfremden – verfremdete Typographie. Zur Ästhetik der Schrift in der deutschsprachigen Erzählliteratur der Gegenwart“. Mit der Auszeichnung verbunden ist ein Druckkostenzuschuss von bis zu 4000 Euro. Bei der Preisverleihung während der Jahrfeier der Akademie am vergangenen Freitag in Hamburg erhielt die junge Wissenschaftlerin große Anerkennung für ihren innovativen Forschungsansatz.
In der deutschsprachigen Literatur trifft man seit einigen Jahrzehnten immer häufiger auf typographisch auffällige Texte. In der Literaturwissenschaft mangelte es jedoch bisher an Vokabular und Methodik, um diese typographischen Auffälligkeiten zu beschreiben und zu analysieren. Die Doktorarbeit von Judith Niehaus schließt diese Lücke mit einem multidirektionalen Ansatz und führt dazu den Begriff des „typographischen Verfahrens“ ein. Diese Verfahren werden in der Studie typologisiert, in exemplarischen Romananalysen interpretiert und im Zusammenspiel mit anderen ästhetischen Strategien und Tendenzen verortet.
„Die Arbeit befasst sich mit Auffälligkeiten des Schriftbildes, des Seitenlayouts oder der Einfügung von unterschiedlichen Schrifttypen als wichtigen bedeutungsschöpfenden Strategien der Kommunikation, die der Leserschaft die Materialität und die üblicherweise gar nicht reflektierte Normativität des Schriftbildes sichtbar vor Augen führen.“ So Prof. Dr. Anna Margaretha Horatschek, Akademiemitglied und Jury-Vorsitzende. In enger Verknüpfung von brillanter theoretischer Reflexion und akribisch genauem close reading individueller Texte typologisiere Judith Niehaus in ihrer Dissertation diese typographischen Verfahren und interpretiert sie exemplarisch am Beispiel ausgewählter Arbeiten von fünf Autorinnen und Autoren der Gegenwart, darunter Romane von Wolf Haas und María Cecilia Barbetta. Die Preisträgerin „überwindet damit überzeugend die in der Literaturkritik mehrfach beklagte ‚Materialvergessenheit‘ der Literaturwissenschaften und schafft mit ihrem sinnlich erweiterten Ästhetik-Begriff ein intermedial und interdisziplinär angelegtes Paradigma literaturwissenschaftlicher Forschung, das sich nicht nur auf andere Philologien übertragen lässt, sondern das einen fundierenden Beitrag zu Fragen der Medialität von Schriftlichkeit im Vergleich zu digitalen Kommunikationsformen, aber auch zu primärer und sekundärer Mündlichkeit leistet“, betonte Horatschek.
Judith Niehaus, geboren 1990 in Essen, hat an der Ruhr-Universität Bochum Germanistik, Philosophie und Mathematik studiert. Ihr Masterstudium und ihre Promotion in Germanistik absolvierte sie an der Universität Hamburg. Seit April 2022 ist Judith Niehaus als Postdoktorandin im Graduiertenkolleg „Gegenwart / Literatur. Geschichte, Theorie und Praxeologie eines Verhältnisses“ an der Universität Bonn tätig.
Ihre Dissertation wird mit Unterstützung des Elise-Reimarus-Publikationskostenzuschusses voraussichtlich im Frühjahr 2023 im Wallenstein Verlag erscheinen.
In diesem Jahr beriet der Akademie-Ausschuss für Nachwuchsförderung als Auswahljury des Elise-Reimarus-Preises über elf Bewerbungen.
Zum Elise-Reimarus-Preis
Der Elise-Reimarus-Preis richtet sich an promovierte norddeutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht auf eine unbefristete Professur berufen sind. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg fördert seit 2021 jährlich mit dem Elise-Reimarus-Preis exzellente Monografien aus allen thematischen Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften.
Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg widmet den Preis der Hamburger Schriftstellerin, Pädagogin, Übersetzerin und Philosophin Elise Reimarus (1735-1805). Sie gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Aufklärung in Deutschland. Erstmals wird mit dem neuen Elise-Reimarus-Preis diese wichtige Persönlichkeit der Hamburger Stadtgeschichte gewürdigt.
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Der Akademie der Wissenschaften in Hamburg gehören herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen aus Norddeutschland an. Sie trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, Impulse für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu setzen. Die Grundausstattung der Akademie wird finanziert von der Freien und Hansestadt Hamburg. Präsident der Akademie ist Prof. Dr. Mojib Latif. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist Mitglied in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.
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