idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
11/22/2022 12:45

Plastik in Foraminiferen und mögliche Folgen für die Umwelt

Dr. Susanne Eickhoff Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)

    Einzeller mit Kalkgehäuse, Foraminiferen genannt, tragen maßgeblich zur Entstehung von Sand bei, der an Stränden, Inseln und Küstengebieten abgelagert wird. Forscher:innen des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) haben nun erstmals festgestellt, dass Foraminiferen kleinste Plastikteilchen aufnehmen und in ihre Kalkschale einbauen können. Die Ergebnisse wurden in Scientific Reports und Limnology and Oceanography Letters publiziert.

    Strahlend weiße tropische Strände sind begehrte Sehnsuchtsorte für viele Erholungssuchende. Doch wie nehmen wir solche Strände wahr, wenn wir befürchten müssen, dass sie zu einem nicht unerheblichen Teil aus – für unser Auge unsichtbarem – Mikro- und Nanoplastik bestehen?

    Tropische Strände werden hauptsächlich von kalkbildenden Meerestieren wie Korallen, Muscheln und Schnecken gebildet. Dass Korallen Mikroplastik in ihr Kalkskelett einbauen, ist bereits in Studien belegt worden. In einigen Weltregionen, wie Indonesien, den Philippinen und Australien, bestehen viele Strände aber größtenteils aus den Kalkschalen von Foraminiferen. Das sind einige Millimeter große Einzeller mit einem schützenden Kalkgehäuse, die weltweit in warmen, flachen Küstenbereichen vorkommen.

    Finden sich auch in Foraminiferen kleinste Plastikpartikel, wie sie aus unserem Plastikmüll durch Reibung, Salz, Bakterien oder UV-Licht überall im Meer entstehen? Diese Frage stellte sich ein Team von Meeresforscher:innen am ZMT. Da Foraminiferen weltweit in den Ozeanen vorkommen, ihre Gehäuse nicht nur den Strandsand sondern auch große Teile des Sedimentes am Meeresboden bilden und die Struktur von Korallenriffen verfestigen, ist es wichtig zu verstehen, wie die Einzeller mit kleinen Plastikteilchen umgehen.

    „Foraminiferen ernähren sich unter anderem von Mikroalgen oder organischen Materialteilchen, die sie am Meeresgrund finden. Mikro- und Nanoplastikpartikel haben ähnliche Größen und könnten leicht für potentielles Futter gehalten werden“, erklärt Marlena Joppien, Erstautorin der Studien.

    Das Team des ZMT setzte in einer Versuchsreihe mehrere Hundert Foraminiferen über einige Wochen in Meerwasserbecken aus. Teils fütterten sie sie mit winzigen Mikro- oder Nanoplastikpartikeln, teils mit natürlichen Nahrungsbrocken oder einer Mischung aus beidem. Dabei beobachteten sie, dass die Foraminiferen zwar die natürliche Nahrung bevorzugten, wenn beides gleichzeitig vorhanden war aber häufig Plastikteile verspeisten.

    Mit einem Fluoreszenzmikroskop konnten die Forscher:innen eine große Anzahl von gelb leuchtenden Nanoplastikpartikeln in den Foraminiferen beobachten. Zwar stieß ein Teil der Einzeller nach den Futterversuchen das Plastik wieder ab, doch rund die Hälfte der Foraminiferen behielt die Plastiklast im Zellinneren.

    Nach acht Wochen offenbarte dann ein Rasterelektronenmikroskop mit 80.000-facher Vergrößerung, dass viele der Einzeller die Plastikteilchen bereits mit einer Kalkschicht überkrustet hatten und offensichtlich im Begriff waren, sie in ihr Kalkgehäuse einzubauen.

    „Wenn die Plastikpartikel klein genug sind, nehmen die Foraminiferen sie also als Nahrung auf“, berichtet Marleen Stuhr, Co-Autorin der Studien. „Für die Umwelt könnte das Vorteile und Nachteile haben. So könnten die Billionen von Foraminiferen am Meeresgrund eine Senke für Nanoplastik darstellen, also ein System, was dem Ozean Plastik entzieht.“

    Ein Problem sieht die Forscherin jedoch in möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Foraminiferen. An Stränden und in flachen Meeresgebieten werden die Gehäuse von Foraminiferen häufig in hoher Dichte von mehr als 1 kg pro m2 abgelagert. Wenn die Einzeller jedoch Plastikpartikel mit der natürlichen Nahrung vertauschen und in ihr Kalkgehäuse einbauen, könnte ihre Fitness, die Bildung der Schalen und deren Stabilität gestört sein – mit Folgen für ihre Population insgesamt. Das wiederum könnte langfristig Auswirkungen auf Küsten und Inseln haben, die bereits unter der Last des Meeresspiegelanstiegs und der Erosion durch immer häufigere und stärkere Sturmfluten sehr zu leiden haben.


    Contact for scientific information:

    Dr. Marleen Stuhr
    Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT)
    Tel: 0421 / 23800-178
    Email: marleen.stuhr@leibniz-zmt.de


    Original publication:

    Joppien M, Westphal H, Chandra V, Stuhr M, Doo S (2022) Nanoplastic incorporation into an organismal skeleton. Scientific Reports 12, 14771. https://doi.org/10.1038/s41598-022-18547-4

    Joppien M, Westphal H, Stuhr M, Doo S (2022) Microplastics alter feeding strategies of a coral reef organism; Limnology and Oceanography Letters, 7(2), 131-139. https://doi.org/10.1002/lol2.10237


    Images

    1.	Foraminifere, aufgrund ihrer gekammerten Kalkschale auch Kammerling genannt.
    1. Foraminifere, aufgrund ihrer gekammerten Kalkschale auch Kammerling genannt.
    Marleen Stuhr
    Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

    2.	Die große Anzahl fluoreszierender gelber Punkte in dieser Foraminifere sind aufgenommene Nanoplastikteilchen.
    2. Die große Anzahl fluoreszierender gelber Punkte in dieser Foraminifere sind aufgenommene Nanoplas ...
    Marlena Joppien
    Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
    Biology, Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).