idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
05/16/2023 10:31

Entgelttransparenzgesetz: Nur Minderheit der Unternehmen ist aktiv geworden

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Entgelttransparenzgesetz: Nur Minderheit der Unternehmen ist aktiv geworden – Betriebe mit Mitbestimmung schneiden besser ab

    Das Entgelttransparenzgesetz soll die Benachteiligung von Frauen beseitigen. Doch es entfaltet bislang nur wenig Wirkung. Zwar haben im Zeitraum von 2019 bis 2021 in mehr Betrieben Beschäftigte ihren individuellen Auskunftsanspruch genutzt als im Vergleichszeitraum kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes 2018.

    Allerdings ist der Anteil der Betriebe, in denen mindestens eine Auskunftsanfrage gestellt wurde, mit gut einem Viertel bei mitbestimmten Betrieben der Privatwirtschaft und etwa zehn Prozent im Öffentlichen Dienst weiter niedrig. Und nur bei knapp der Hälfte der Betriebe in Unternehmen ab 501 Beschäftigten und mit Betriebsrat haben bislang die Arbeitgeber die gesetzliche Aufforderung umgesetzt, die Entgelte von Frauen und Männern auf Ungleichheit zu prüfen. Dabei spielt die betriebliche Mitbestimmung ganz offensichtlich eine positive Rolle. Denn Betriebe tun beispielsweise deutlich mehr, wenn es Betriebsvereinbarungen zu Gleichstellung oder verwandten Themen zwischen Management und Betriebsrat gibt und wenn das Verhältnis von Betriebsrat und Geschäftsführung generell gut ist. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Situation in Betrieben ohne Betriebsräte und effektive Mitbestimmung noch deutlich schlechter ist. Das ergibt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.*

    Um die bislang geringe Wirkung des Gesetzes zu erhöhen, sind strengere Auflagen, spürbare Sanktionen sowie niedrigere Hürden bei der Wahrnehmung des Transparenzanspruchs nötig, schreiben die Forschenden Dr. Helge Emmler und Dr. Christina Klenner. Die neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz – kürzlich beschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten – sei sinnvoll, um der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehenen Reform für ein wirksameres Gesetz Schub zu geben. „Gerade in Deutschland mit seinem hohen Gender Pay Gap erscheint das dringlich“, so Emmler und Klenner.

    Frauen müssen im gleichen Betrieb für gleiche und gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn erhalten wie Männer. Diesen Grundsatz soll das seit Mitte 2017 geltende Entgelttransparenzgesetz fördern. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten – also für etwa ein Drittel aller Arbeitnehmer*innen in Deutschland – gilt ein „individueller Auskunftsanspruch“, der in einem zweiten Schritt Anfang 2018 in Kraft getreten ist. Danach können Beschäftigte verlangen, dass ihnen der Arbeitgeber das durchschnittliche Gehalt der Kolleginnen oder Kollegen des jeweils anderen Geschlechts nennt, die eine ähnliche Arbeit leisten. Dadurch sollen bestehende Ungerechtigkeiten offengelegt und schließlich beseitigt werden. Für privatwirtschaftliche Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gelten weitere Vorgaben: Dort soll der Arbeitgeber regelmäßig überprüfen, wie es um die Entgeltgleichheit im Unternehmen steht. Diese Aufforderung gilt nicht für den Öffentlichen Dienst. Generell sieht das Gesetz keine Sanktionen bei Nichtbefolgung vor.

    Wie es um die betriebliche Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes steht, haben Emmler und Klenner auf Basis der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021 analysiert. Die Befragung unter Mitgliedern von knapp 3900 Betriebs- und Personalräten ist repräsentativ für Betriebe mit Betriebsrat und mindestens 20 Beschäftigten. Die Forschenden vergleichen die Befunde aus 2021 mit denen aus der vorausgegangenen Befragungswelle im Jahr 2018. Damals wurden Betriebs-, aber keine Personalräte befragt.

    Auf Basis der Betriebsrätebefragung können die Forschenden natürlich keinen direkten Vergleich mit der Situation in Betrieben ohne Mitbestimmung anstellen. Doch die Befragungsergebnisse zeigen: Aktive, für Geschlechterungerechtigkeiten sensibilisierte Betriebsräte sind ein wichtiger positiver Faktor bei der Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes. Das Gesetz wird signifikant häufiger umgesetzt in Betrieben, in denen Betriebsrat und Management Betriebsvereinbarungen (BV) zu Themen wie Antidiskriminierung oder Gleichstellung der Geschlechter abgeschlossen haben (knapp 59 Prozent gegenüber knapp 42 Prozent ohne BV). Das legt nach Analyse der Forschenden nahe, „dass die Betriebsräte eine sehr wichtige Rolle bei der Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes spielen können.“ Dazu bräuchten sie aber auch angemessene Ressourcen, beispielsweise zusätzliche Freistellungen.

    Weitere Kernergebnisse:

    - In der Mehrheit der privaten Betriebe mit Betriebsrat, in denen Beschäftigte den gesetzlichen Auskunftsanspruch haben, hat zwischen 2019 und 2021 niemand diesen Anspruch genutzt. Allerdings ist der Anteil der Betriebe, in denen mindestens ein*e Beschäftigte*r Auskunft begehrte, gestiegen: von 17 Prozent 2018 auf nun 26 Prozent.

    - Im öffentlichen Dienst berichten nur zehn Prozent der befragten Personalräte, dass Beschäftigte ihrer Dienststelle Anfragen zur Überprüfung ihres Entgelts gestellt haben.

    - Eine betriebliche Prüfung der Entgelte von Frauen und Männern auf Ungleichheit durch den Arbeitgeber wurde nach Angaben der Betriebsräte in rund 49 Prozent aller Betriebe durchgeführt. Das ist zwar spürbar mehr als 2018, als das nur für knapp 37 Prozent der Betriebe galt, gleichwohl weiterhin die Minderheit. Zudem lässt sich mit der Befragung nicht klären, ob die Prüfung aussagekräftig, umfangreich und systematisch oder nur oberflächlich war, betonen Klenner und Emmler.

    - Die Instrumente des Gesetzes werden häufiger genutzt, wenn im Betrieb der Anteil von hochqualifizierten und/oder von jungen Beschäftigten überdurchschnittlich ist.

    Auf Basis ihrer Untersuchung halten Emmler und Klenner die politischen Initiativen für sehr wichtig, das Entgelttransparenzgesetz wirksamer und verbindlicher auszugestalten. Dazu gehört für die Forschenden, die Prüfung der betrieblichen Gehaltsstrukturen nicht nur zu empfehlen, sondern verpflichtend zu machen und dabei valide Prüfungsverfahren vorzuschreiben, für die es mittlerweile auch Zertifizierungen gibt. Zweitens müsse der individuelle Auskunftsanspruch künftig auch für Beschäftigte in kleineren Betrieben gelten. Heute hohe Hürden für dessen Durchsetzung müssten abgesenkt werden, etwa durch die Möglichkeit zu Sammelklagen und ein Verbandsklagerecht. Für Verstöße gegen die gesetzlichen Verpflichtungen müsse ein novelliertes Gesetz wirksame Sanktionen vorsehen, die es bisher überhaupt nicht gebe.


    Contact for scientific information:

    Dr. Helge Emmler
    WSI
    Tel.: 0211-7778-603
    E-Mail: Helge-Emmler@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Original publication:

    *Helge Emmler, Christina Klenner: Wie wird das Entgelttransparenzgesetz in Betrieben umgesetzt? Antworten Betriebs- und Personalräte 2021, WSI-Report Nr. 84, Mai 2023. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008620


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).