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Wissenschaft
Entwicklungspotential bietet und interdisziplinäre Zusammenarbeit voraussetzt. In der Herzchirurgie „denkt man mit den Händen“*; diese manuellen Fähigkeiten müssen trainiert werden. Kaum ein anderes medizinisches Fachgebiet ist so komplex. Über Berufschancen, Fortbildung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie spricht Dr. Najla Sadat, Sprecherin des Jungen Forums der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie.
Frau Dr. Sadat; beschreiben Sie in drei Worten, was für Sie die Herzchirurgie ausmacht und was Sie an dem Fachgebiet fasziniert.
Innovation, Interdisziplinarität und Multiprofessionalität. Mich persönlich fasziniert die grazile und dynamische (Hand-)Arbeit im operativen Bereich, sowie die gleichzeitige Forschung auf dem Gebiet der Herzmedizin. Daneben macht es mir auch Freude, das Wissen über so ein interessantes Fach, dass mir selbst sehr viel Spaß macht, an Studierende zu vermitteln.
Sie sind die Sprecherin des Jungen Forums der DGTHG und seit März 2023 Fachärztin für Herzchirurgie. Welche Voraussetzungen sind nötig, um Herzchirurg:in zu werden und was ist das Besondere am Fachgebiet?
Nach dem universitären Abschluss in Humanmedizin (Approbation) beginnt die zweijährige Basisweiterbildung mit sechsmonatigen Rotationen u.a. auf der Intensivstation und in der Notaufnahme. So lernen junge Kollegen:innen bereits zu Beginn ihrer Weiterbildung die Behandlung von komplexen Krankheitsbildern, Stabilisierung von kreislaufinstabilen Patient:innen und die Notfallversorgung in akut-lebensbedrohlichen Situationen, kennen. Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen haben oftmals eine Reihe von Begleiterkrankungen, da alle Organsysteme von der Herzfunktion abhängig sind, und somit eine eingeschränkte Herzfunktion zu einer Beeinträchtigung dieser Organe führen kann. Um unsere Patient:innen in der Herzchirurgie bestmöglich behandeln zu können, und um im interdisziplinären Team die beste Therapie-Entscheidung zu finden, müssen wir uns fundiertes Wissen in fast allen Fachdisziplinen, wie z.B. Kardiologie, Pulmonologie, Nephrologie, Intensivmedizin, aneignen. Als Herzchirurg:innen therapieren wir alle anderen Organsysteme mit und verbessern damit idealerweise die gesamte Lebensqualität der Patient:innen. Das ist, meiner Meinung nach, eine der schönsten Facetten unseres Faches. Die Grundbausteine dieser Multiprofessionalität sind bereits in unserer Basisweiterbildung verankert und werden in den folgenden vier Jahren der Spezialisierung zum Herzchirurgen/zur Herzchirurgin intensiviert. Den chirurgischen Schwerpunkt der Facharzt-Weiterbildung bildet insbesondere das Erlernen komplexer operativer Techniken, moderner Transkatheterverfahren und innovativer Device-Therapien.
Welche charakterlichen Eigenschaften sind nötig?
Der Aus- und Fortbildungsweg ist lang. Es braucht auf der persönlichen Ebene Entschlossenheit, den Willen zur außerordentlichen Leistungsbereitschaft, eine gute Stressresistenz und Empathie für die Patient:innen und deren Angehörigen. Bis zur Facharztreife dauert es mindestens sechs Jahre; oftmals jedoch auch deutlich länger. Herzchirurgie ist zudem in allen Bereichen Teamarbeit. Deshalb sind Teamfähigkeit, Professionalität und Toleranz für uns als Ärztinnen und Ärzte sehr wichtig. Zudem agieren wir multiprofessionell und interdisziplinär. Hierfür ist auch eine reflektierte Kommunikation von Vorteil.
In welche Richtung entwickelt bzw. wie entwickelt sich die Herzchirurgie?
Die Herzchirurgie ist ein sehr innovatives, dynamisches Fach und entwickelt sich zunehmend in Richtung moderner minimal-invasiver, interventioneller, endoskopischer und Roboter-assoziierter Behandlungsmöglichkeiten weiter. Des Weiteren gewinnt der wissenschaftliche Austausch auf internationaler Ebene, sowie die Digitalisierung und künstlicher Intelligenz in der Herzchirurgie zunehmend an Bedeutung.
Wie sieht die Zukunft für junge Herzchirurginnen und Herzchirurgen „auf dem Markt“ aus?
In der Herzchirurgie gibt es, wie in allen Bereichen der Medizin, Personalmangel, so dass die Chancen vor allem für Berufsanfänger:innen sehr gut sind. Zusätzlich haben operativ gut ausgebildete Fachärztinnen und Fachärzte auch auf internationaler Ebene gute Chancen. Leider ist der Weg zum operativen Herzchirurgen bzw. Herzchirurgin lang und nur wenige Ärztinnen und Ärzte, die in der Herzchirurgie anfangen, erhalten auch tatsächlich eine operative Weiterbildung, so dass ein Wechsel von der Herzchirurgie in andere Fachrichtungen sehr häufig ist. Persönlich bin ich der Meinung, dass sich der lange Weg lohnt, denn die Herzchirurgie ist ein spannendes, herausforderndes und innovatives Fachgebiet.
Wie kann man sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in solch einer zeitaufwendigen Fachdisziplin vorstellen? Wie teilen Sie persönlich Ihre Zeit ein?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch in der Herzchirurgie möglich. In den letzten Jahren haben einige meiner Kolleg:innen Elternzeit genommen, was durch die Abteilungsleiter und das Team unterstützt wurde. Um die Familie und die Kariere „unter einen Hut“ zu bringen, ist ein gutes Zeitmanagement und eine gute Organisation sehr entscheidend. Ich persönlich habe in den letzten Jahren den Fokus auf die Herzchirurgie und meine Patient:innen, die Forschung mit dem Ziel der Habilitation, meine Aufgaben im Jungen Forum, als Lehrbeauftragte und Assistentensprecherin, gelegt. Das sind aber Aufgaben, die ich sehr gerne mache und ich kann somit auch meinen Beitrag für unser Team und unsere Fachgesellschaft leisten. Natürlich nehme ich mir in meiner Freizeit auch „Quality-Time“ für die Familie und Freunde und verreise sehr gerne mit ihnen. Es ist wichtig, dass man für sich eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit findet. Das kann individuell sehr unterschiedlich aussehen und ist abhängig davon in welchem Lebensabschnitt man sich befindet. Wie heißt es so schön: Viele Wege führen nach Rom.
Wie unterstützt das Junge Forum der DGTHG den Nachwuchs auf dem Weg zur Facharztreife?
Das Junge Forum setzt sich innerhalb der DGTHG für die Interessen der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung und der interessierten Studierenden ein, z.B. in Kooperation mit der Kommission für Fort-, Weiterbildung und Nachwuchsförderung zur Optimierung der Facharztweiterbildung. Im Rahmen der Kongresse (DGTHG-Jahrestagung und Fokustagung) veranstalten wir ein Programm mit wissenschaftlichen und berufspolitischen Sitzungen für Assistenzärztinnen und Assistenzärzte, sowie Wetlabs für Studierende. Als Junges Forum können wir uns innerhalb unserer Fachgesellschaft engagieren und unsere berufliche Zukunft mitgestalten. Das ist mir wichtig.
Beschreiben Sie diese Ziele?
In Zusammenarbeit mit der DGTHG setzten wir uns für die Optimierung der Facharztweiterbildung in der Herzchirurgie ein. Aktuell erarbeiten wir ein Konzept für die moderne Herzmedizin, erstellen Kriterien für ein Siegel für gute Weiterbildung und erfassen über die Landesärztekammern die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Facharztweiterbildung in der Herzchirurgie. Zusätzlich repräsentieren wir die Herzchirurgie als Vertreter von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung, von jungen Fachärztinnen und Fachärzten sowie von Studierenden auf interdisziplinärer, nationaler und internationaler Ebene, um gemeinsame Ziele der Herzmedizin mit unseren Kooperationspartnern in der Fort- und Weiterbildung, sowie in der Forschung voranzubringen.
Hierfür haben Sie einen 10-Punkte Plan entwickelt. Erklären Sie diesen bitte kurz.
Im 10-Punkte-Plan des Jungen Forums haben wir die aus unserer Sicht wichtigsten Kriterien für eine strukturierte Fort- und Weiterbildung im Fachgebiet Herzchirurgie zusammengefasst. Hierzu zählen beispielsweise: ein strukturiertes Weiterbildungs-Curriculum, Rotationspläne, Unterstützung durch die Abteilung bei der Teilnahme an internen, externen und interdisziplinären Fortbildungen, bei der Forschung und bei wissenschaftlichen Kongressen, Etablierung von Skills-Labs zum Erlernen von manuellen Fertigkeiten und der Möglichkeit der Weiterbildung in Teilzeit.
Welche weiteren „Forderungen“ hat das Junge Forum? Welches Engagement zeigen sie für die moderne Herzchirurgie?
Wir halten eine transparente und strukturierte Weiterbildung für notwendig, die jungen Herzchirurg:innen eine qualitativ gute Facharztweiterbildung ermöglicht. In der modernen Herzmedizin liegt der Fokus auf der Behandlung unserer Patient:innen, auf Interdisziplinarität und Multiprofessionalität. Diese Aspekte des Team-Approaches müssen sich auch in der Weiterbildung widerspiegeln. Eine scharfe Trennung der Facharztweiterbildung für Kardiologie und Herzchirurgie ist unseres Erachtens nicht mehr zeitgemäß. Daneben spielen natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine wichtige Rolle und die Förderung der Frauen. Es gibt bis heute keine Ordinaria der Herzchirurgie. Auch der Anteil der Frauen in Führungspositionen in der Herzchirurgie ist im Vergleich zu anderen Fachgebieten deutlich geringer. Wir haben allerdings deutlich mehr Frauen, die Medizin studieren. Für die Zukunft des Faches ist es daher auch wichtig, den weiblichen Nachwuchs zu generieren. Ein Umdenken in neue Kommunikations- und Führungswege ist da sicherlich von Vorteil.
Apropos Aufstieg als Frau. Wie sehen Sie als Herzchirurgin die Chancen?
An einigen Universitäten beträgt der Anteil der Studentinnen bis zu 70 Prozent in der Humanmedizin. Trotzdem finden wir in den chirurgischen Fächern, wie gesagt, einen geringen Anteil an Ärztinnen, vor allem als Oberärztinnen/leitende Positionen, geringer als 5 Prozent. Das verdeutlicht, dass die Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen nach wie vor erschwert sind. Unsere Fachgesellschaft nimmt sich im Rahmen der Herzchirurginnen-Netzwerks, hier u.a. mit Kursangeboten und Mentorinnen-Programm wie „Frauen trainieren Frauen“, dieser Problematik an und versucht, den weiblichen Nachwuchs zu unterstützen. Auch wir als Junges Forum sehen es als unsere Aufgabe, Medizinstudentinnen und Ärztinnen zu ermutigen, sich für die Herzchirurgie zu entscheiden. Wir gehen mit gutem Beispiel voran: der federführende Ausschuss und Beirat des Jungen Forums besteht zur Hälfte aus Kolleginnen bzw. Studentinnen.
Wie muss sich die Herzchirurgie entwickeln, um Nachwuchs zu generieren?
Da 70 Prozent der Absolventen weiblich sind, sollten wir uns auf Lösungen für Hindernisse, die vor allem den weiblichen Nachwuchs betreffen, fokussieren. Wie gesagt, ist für Planung von Beruf und Familie eine durchschnittliche Facharzt-Weiterbildungszeit von 8,4 Jahren eher abschreckend. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist es aber erforderlich, dass wir eine verbindliche und qualitativ gute Weiterbildung in einer angemessenen Zeit für unser Fach anbieten. Zusätzlich brauchen wir mehr Ärztinnen in Führungspositionen, die als Vorbilder für die jüngere, überwiegend weibliche Generation stehen und die diese ermutigen, sich für die Herzchirurgie zu entscheiden. Ggf. braucht es auch eine neue Definition mit Spezialisierung innerhalb der Herzchirurgie, da die Komplexität des Faches ja eine lange Lernzeit erfordert. Wir sind zuversichtlich, dass wir hier gemeinsam mit der DGTHG gute Wege finden, um den Herausforderungen zu begegnen.
Die Herzmedizin arbeitet Hand in Hand im Herzteam. Wie sieht die Zusammenarbeit Herzchirurgie und Kardiologie beim Nachwuchs aus?
Die Zusammenarbeit mit dem Jungen Forum der DGPK (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler) und dem DGfK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung) ist wichtig für die Weiterentwicklung der herzmedizinischen Disziplinen und macht uns sehr viel Spaß. Wir organisieren auf der DGTHG Jahrestagung und Fokustagung gemeinsame Sessions, praktische Kurse und eine Get-Together Party. Wir wünschen uns für die Zukunft auch eine engere Zusammenarbeit und gemeinsame Projekte mit der „Young DGK“. Ich bin zuversichtlich, dass wir als junge Herzmediziner:innen das schaffen.
Wie sehen internationale Kooperationen (Schweiz, Österreich, EACTS) aus?
Mir persönlich macht insbesondere die Kooperation mit dem „Young swiss cardiac surgeons club“ und dem Jungen Forum der ÖGTHG (Österreichischen Gesellschaft für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie) viel Spaß. Ein gemeinsames Projekt, das wir als Junges Forum der DGTHG initiiert haben, ist die Summer School international, die im August 2023 in Berlin und in den folgenden Jahren in der Schweiz und Österreich stattfinden wird. Zusätzlich haben wir auf europäischer Ebene Projekte mit dem EACTS Residents Committee, bei denen wir uns auf internationaler Ebene in der Herzchirurgie austauschen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Facharztweiterbildung analysieren, voneinander lernen und großartige, engagierte neue Kolleginnen und Kollegen kennen lernen. Das wünsche ich mir für unsere Zukunft: enge Zusammenarbeit und Weiterentwicklung eines der spannendsten Fächer der Medizin…
Sprecherin des Jungen Forums der DGTHG; Dr. med. Najla Sadat
Geb.1985 in Kabul; Afghanistan
Medizinstudium und Promotion an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Fachärztliche Prüfung: 08.03.2023 (internationalen Frauentag)
*Formulierung des DGTHG-Vizepräsidenten Prof. Dr. Torsten Doenst ist zum geflügelten Wort innerhalb der herzchirurgischen Fachgesellschaft geworden.
Zeichen: 13.504 inkl. Leerzeichen
https://www.dgthg.de/de/pressemeldungen
Dr. Najla Sadat (links) mit Prof. Dr. Jörg Kempfert bei einer Herzoperation.
DGTHG
Herzchirurgin Dr. med. Najla Sadat ist Sprecherin des Jungen Forums der Deutschen Gesellschaft für T ...
DGTHG
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Biology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Studies and teaching
German
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