idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
10/24/2023 17:05

Epigenetisch wirkende Medikamenten könnten Krebs-Immuntherapie unterstützen

Dr. Sibylle Kohlstädt Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum

    Epigenetisch wirkende Medikamente ermöglichen, dass in der Zelle Bereiche des Erbguts abgelesen werden, die vorher blockiert und unzugänglich waren. Das führt zur Bildung neuer mRNA-Abschriften und auch neuer Proteine, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und vom Universitätsklinikum Tübingen jetzt veröffentlichten. Diese „therapieinduzierten Epitope“ könnten das Immunsystem beim Erkennen von Krebszellen unterstützen.

    Bei vielen Krebsarten sind Immuntherapien fester Bestandteil des Behandlungsspektrums. Doch nicht alle Patienten profitieren davon. Einer der Gründe für das Versagen dieser Behandlungsform kann sein, dass das Immunsystem des Patienten die Krebszellen nicht als solche erkennt. Eine grundlegende Voraussetzung für den Erfolg dieser Therapien ist, dass Krebszellen auf ihrer Oberfläche Proteinstrukturen, so genannte Antigene, tragen, an denen die T-Zellen des Immunsystems sie von gesunden Körperzellen unterscheiden können.

    Solche Antigene können etwa krebsassoziierte Proteine sein („tumorassoziierte Antigene“) oder durch Mutationen veränderte Eiweiße. Es kann sich aber auch um ganz neue Genprodukte handeln, die in Tumorzellen entstehen, weil ganz neue Bereiche von Genen abgelesen werden.

    Wissenschaftler um Christoph Plass, DKFZ, und Juliane Walz, Universität und Universitätsklinikum Tübingen, hatten nun die Idee, Krebszellen noch sichtbarer für das Immunsystem zu machen: Sie statten die Zellen mit ganz neuen Antigenen aus – mithilfe epigenetisch wirkender Krebsmedikamente.

    Diese Wirkstoffe werden bei vielen Krebserkrankungen verordnet. Sie wirken auf die so genannten epigenetischen Markierungen an der DNA oder an DNA-Verpackungsproteinen, den Histonen. Epigenetische Markierungen entscheiden darüber, ob die Zelle bestimmte Bereiche des Erbguts in mRNA ablesen kann oder nicht.

    Zu diesen Wirkstoffen zählen etwa demethylierende Medikamente wie z.B. Decitabine oder die so genannten HDAC-Inhibitoren*. Sie bewirken, dass bisher blockierte, unzugängliche Bereiche des Erbguts abgelesen werden können und dadurch neue mRNA-Transkripte in der Zelle entstehen.

    Die Behandlung einer Lungenkrebs-Zelllinien in der Kulturschale mit Decitabine und HDAC-Inhibitoren induzierte tatsächlich mehrere tausend neuer Transkripte, wie das Team um Plass durch RNA-Analysen herausfand. Die Mehrheit dieser neuen Transkripte entstammte endogenen Retroviren. Diese Sequenzen, die bis zu acht Prozent des menschlichen Genoms ausmachen, gelten als Relikte retroviraler Infektionen aus längst vergangenen Zeiten. Normalerweise ist ihre Transkription durch epigenetische Mechanismen blockiert. Der Effekt der durch Decitabine und den HDAC-Inhibitoren induzierten Neoepitope fällt in Krebszellen weitaus stärker aus als in gesunden Zellen. Experten sehen die Ursache für diesen Unterschied in der hohen Proliferationsrate der Krebszellen.

    Die spannende Frage war nun, ob diese „therapieinduzierten Transkripte“ tatsächlich für immunogene Proteinabschnitte, sogenannte Peptide, kodieren. Das prüfte das Team um Juliane Walz mithilfe der Massenspektrometrie. So konnten die Forscher 45 „Neoepitope“ identifizieren, die nach Behandlung auf der Oberfläche der Krebszellen präsentiert wurden. Vergleichbare Ergebnisse konnten die Forschenden mit einem großen Spektrum unterschiedlicher Krebszelllinien erzielen. Mit den therapieinduzierten Neoepitopen ließen sich zytotoxische T-Zellen in der Kulturschale aktivieren.

    Decitabine wird unter anderem häufig zur Behandlung der akuten myeloischen Leukämie (AML) eingesetzt. Auch im Blut von AML-Patienten unter Decitabine-Therapie entdeckten die Forscher therapieinduzierte Neoepitope – ein wichtiger Hinweis darauf, dass dieses Phänomen kein Artefakt aus der Kulturschale ist.

    „Die Induktion von Neoantigenen durch epigenetische Wirkstoffe könnte ein neuer Weg sein, um mit Medikamenten-Kombinationen die Wirksamkeit von Krebsimmuntherapien zu steigern. Mit weiteren Untersuchungen wollen wir herausfinden, ob es möglich ist zielgerichtete Immunotherapien gegen diese Neoantigene zu entwickeln“, sagt Studienleiter Christoph Plass.

    Goyal A, Bauer J, Hey J et al.: DNMT and HDAC inhibition induces immunogenic neoantigens from human endogenous retroviral element-derived transcripts
    Nature Commmunications 2023

    * HDAC-inhibitoren = Histon-Deacetylase-Inhibitoren

    Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

    Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

    Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
    Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
    Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
    Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
    DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
    Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

    Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).