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Wissenschaft
Wissenschaftspreise der Weinheimer Hector Stiftung gehen an die Neurobiologin Magdalena Götz sowie an den Informatiker und Physiker Klaus-Robert Müller für ihre herausragenden Forschungen.
Weinheim. Prof. Dr. Magdalena Götz und Prof. Dr. Klaus-Robert Müller erhalten in diesem Jahr den mit jeweils 150.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis der Weinheimer Hector Stiftung. Damit würdigt die Jury die herausragenden Forschungsleistungen der 61-jährigen Neurobiologin, die in Heidelberg geboren wurde, sowie des 59-jährigen Informatikers und Physikers, der aus Karlsruhe stammt.
Götz lehrt als Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und ist als Direktorin am Institut für Stammzellenforschung am Helmholtz Zentrum München tätig. Müller ist Professor für maschinelles Lernen an der Technischen Universität Berlin und Co-Direktor am Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD), einem der sechs vom Bundesforschungsministerium geförderten Kompetenzzentren für Künstliche Intelligenz.
Zur Preisverleihung trafen sich der Vorstand der Stiftung sowie frühere Preisträger im Hotel „Europäischer Hof“ in Heidelberg. Stifter Dr. h.c. Hans-Werner Hector hieß die beiden neuen Preisträger im Kreis der nunmehr 30 „Hector Fellows“ willkommen, die sich dort gemeinsam für interdisziplinäre Spitzenforschung in Deutschland engagieren. Dabei waren sich die beiden Laudatoren, Prof. Dr. Dr. Christian Haass (LMU) und Prof. Dr. Bernhard Schölkopf (Max-Planck-Institut für intelligente Systeme, Tübingen) einig, dass Magdalena Götz und Klaus-Robert Müller mit der Exzellenz ihrer Grundlagenforschung, aber auch mit ihrer ansteckenden Begeisterung für das Beschreiten neuer Wege die „Hector Fellow Academy“ bereichern werden, die aussichtsreiche Nachwuchswissenschaftler fördert.
Magdalena Götz ging schon früh der Frage nach, wie das Gehirn gebildet wird, wie Nervenzellen entstehen und wie sie korrekt verknüpft werden. Dabei fand sie heraus, dass die Stammzellen des Gehirns eigentlich Gliazellen sind. Gliazellen wurden bis dato nur als Stützzellen angesehen. Dass diese sogar Nervenzellen bilden, war vorher völlig unvorstellbar. Dies inspirierte die Wissenschaftlerin zu dem bahnbrechenden Ansatz, Gliazellen im ausgewachsenen Gehirn zur Bildung von Nervenzellen anzuregen. Denn normalerweise endet die Bildung von Nervenzellen nach der Geburt. Das ist das Problem nach Gehirnverletzungen oder bei neurodegenerativen Erkrankungen. Denn abgestorbene Nervenzellen werden nicht ersetzt.
Magdalena Götz gelang es – in der Zellkulturschale und in vorklinischen Modellen – aus diesen Gliazellen durch Einbringen von regulatorischen Faktoren, die nur während der Entwicklung des Gehirns vorhanden sind, wieder Neurone zu bilden. Sie hat sozusagen die Faktoren wieder aktiviert, die während der Entwicklung für die Bildung von Nervenzellen zuständig sind. Sie verfolgte diesen Ansatz nun mit menschlichen Gliazellen weiter und untersuchte auch die Reaktion von Gliazellen in menschlichen Gehirnen im Kontext verschiedener Erkrankungen. Dabei konnte sie aufzeigen, wie wichtig auch der Stoffwechsel der Zellen in diesem Zusammenhang ist, und wie es gelingen kann, auch Gliazellen mit Defekten zum Beispiel in der Energiebildung in Nervenzellen umzuwandeln. Der nächste Schritt, auf den sich das Team von Magdalena Götz konzentriert, ist nun, verschiedene Nervenzellen korrekt zu bilden, was eines Tages zu völlig neuen therapeutischen Ansätzen führen könnte.
Klaus-Robert Müller zählt zu den weltweit anerkanntesten Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenzforschung. Große Beachtung hat unter anderem seine grundlegende Forschung an der Schnittstelle von Maschinellem Lernen und Quantenmechanik erzeugt. Einige der größten wissenschaftlichen Herausforderungen der Welt sind mit dem Verständnis von Systemen mit vielen wechselwirkenden Atomen über die Zeit verbunden. Dazu gehören unter anderem die Bildung von DNA im Genom, die Wirkung von Pharmazeutika im Organismus oder auch die Zersetzung schädlicher Moleküle in der Atmosphäre. All diese Interaktionen werden von den Gesetzen der Quantenmechanik gelenkt. Das Verständnis der räumlichen und zeitlichen Korrelationen solcher Systeme ist ein uralter Traum der Wissenschaft. Da eine Modellierung dieser komplizierten Korrelationen alle Rechenkapazitäten übersteigt, entzogen sich große Quantensysteme jedoch lange der mathematischen Simulation. Doch dann entwickelte ein internationales Team um Klaus-Robert Müller einen maschinellen Lernalgorithmus, der genau dieses Problem löst – und dies mit einem 30-millionenfachen Geschwindigkeitsgewinn. Damit eröffneten sie der Quantenchemie ganz neue Horizonte.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner vielseitigen Arbeit liegt auf der Erforschung der sogenannten erklärbaren KI. KI-Modelle haben in den vergangenen Jahren zahlreiche anspruchsvolle Anwendungsprobleme gelöst. Im Allgemeinen bleibt die KI aber eine „Black Box“ – auch für die beteiligten Wissenschaftler. Sie können nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Befunde die KI so entscheidet, wie sie entscheidet. Während das für die Frage, ob auf einem Bild ein Hund oder eine Katze zu sehen ist, nicht dramatisch erscheint, sieht das für den Einsatz von KI in der Medizin oder dem autonomen Fahren natürlich völlig anders aus. In grundlegenden Arbeiten haben Klaus-Robert Müller und sein Team Verfahren entwickelt, die es ermöglichen, die Entscheidungen einer KI zurückzuverfolgen und damit erklärbar zu machen. Einige dieser KI-Verfahren fanden einen nahezu unmittelbaren Einsatz in der medizinischen Bilddiagnostik.
Bildunterschrift Gruppenfoto:
Prof. Dr. Magdalena Götz (Zweite von rechts) und Prof. Dr. Klaus-Robert Müller (Zweiter von links) erhalten in diesem Jahr den mit jeweils 150.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis der Weinheimer Hector Stiftung. Das Bild zeigt sie gemeinsam mit den Stiftern Josephine und Dr. h.c. Hans-Werner Hector. Bildnachweis: Marco Schilling
Über die Hector Stiftungen (weitere Infos unter: www.hector-stiftung.de)
Die H. W. & J. Hector Stiftung wurde 1995 von dem Ehepaar Josephine und Dr. h. c. Hans-Werner Hector in Weinheim an der Bergstraße gegründet. 2008 wurde als Ergänzung die „Hector Stiftung II“ ins Leben gerufen.
Folgende Kernbereiche werden von den Stiftungen gefördert:
• Wissenschaft und Bildung: Förderung von talentierten und hochbegabten jungen Menschen (Hector Kinderakademie, Hector Seminar), insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich; Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen; Förderung herausragender Wissenschaftler mit dem Hector Wissenschaftspreis; Ausstattung von Personalfonds für Elite-Universitäten. 2020 sagte die Stiftung zum Beispiel eine Förderung von bis zu 100 Millionen Euro für das Projekt „AI Breakthrough Hub“ im Tübinger „Cyber Valley“ zu, einem der größten Forschungskooperationen für Künstliche Intelligenz in Europa.
• Medizinische Forschung: Hector Institut für Translationale Hirnforschung (HITBR) zusammen mit dem DKFZ Heidelberg und dem ZI Mannheim; DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim; Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen; Hector Institut für Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie am ZI Mannheim (HITKIP).
• Soziale Projekte: Förderung von Projekten für Menschen mit Behinderung
• Kunst und Kultur: Unter anderem maßgebliche Förderung des Neubaus der Mannheimer Kunsthalle.
In Würdigung ihrer Verdienste erhielten Josephine und Hans-Werner Hector zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz (2003), den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg (2014), die Leibniz-Medaille der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (2017), den Stifter- und Stifterinnenpreis der Evangelischen Landeskirche und der Diakonie Baden (2018) und den bayerischen Stifterpreis (2018). 2003 verlieh die Universität Karlsruhe Hans-Werner Hector die Ehrendoktorwürde. Seit Dezember 2011 sind die Eheleute Hector Ehrenbürger von Weinheim.
Alle „Hector Fellows“ auf einen Blick (weitere Infos unter: www.hector-fellow-academy.de)
Preisverleihung 2009: Prof. Dr. Doris Wedlich (†), Prof. Dr. Peter Gumbsch und Prof. Dr. Martin Wegener (alle Karlsruher Institut für Technologie).
Preisverleihung 2010: Prof. Dr. Manfred Kappes (Karlsruher Institut für Technologie), Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Franz Nestmann (Karlsruher Institut für Technologie) und Prof. Dr. Thomas Elbert (Universität Konstanz).
Preisverleihung 2011: Prof. Dr. Stephen Hashmi (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg), Prof. Dr. Jürg Leuthold (Karlsruher Institut für Technologie) und Prof. Dr. Jens Timmer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg).
Preisverleihung 2012: Prof. Dr. Hilbert von Löhneysen (Karlsruher Institut für Technologie), Prof. Dr. Axel Meyer (Universität Konstanz) und Prof. Dr. Nikolaus Pfanner (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg).
Preisverleihung 2013: Prof. Dr. Immanuel Bloch (Ludwig-Maximilian-Universität München), Prof. Dr. Günter M. Ziegler (Freie Universität Berlin) und Prof. Dr. Dr. Eberhart Zrenner (Eberhard-Karls-Universität Tübingen).
Preisverleihung 2014: Prof. Dr. Antje Boetius (Universität Bremen), Prof. Dr. Christoph Klein (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Prof. Dr. Karl Leo (Technische Universität Dresden).
Preisverleihung 2015: Prof. Dr. Eva Grebel (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) und Prof. Dr. Dr. Thomas Lengauer (Max-Planck-Institut für Informatik, Saarbrücken).
Preisverleihung 2016: Prof. Dr. Peter Hegemann (Humboldt-Universität Berlin).
Preisverleihung 2017: Prof. Dr. Ralf Bartenschlager (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg).
Preisverleihung 2018: Prof. Dr. Brigitte Röder (Universität Hamburg)
Preisverleihung 2019: Prof. Dr. Bernhard Schölkopf (Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme Tübingen)
Preisverleihung 2020: Prof. Dr. Wolfgang Wernsdorfer (Karlsruher Institut für Technologie)
Preisverleihung 2021: Prof. Dr. Patrick Cramer (Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Göttingen)
Preisverleihung 2022: Prof. Dr. Katrin Amunts (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Forschungszentrum Jülich)
Preisverleihung 2023: Prof. Dr. Anna Wienhard (Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, Leipzig) und Prof. Dr. Dr. h.c. Christian Haass (Ludwig-Maximilians-Universität München).
Preisverleihung 2024: Prof. Dr. Magdalena Götz (Ludwig-Maximilians-Universität München und Institut für Stammzellenforschung am Helmholtz Zentrum München) und Prof. Dr. Klaus-Robert Müller (Technische Universität Berlin und Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data).
Uwe Bleich, Vorstand der Hector Stiftung II, Am Schlossberg 2, 69469 Weinheim Telefon: + 49 (0) 6201 71 08 411, E-Mail: u.bleich@hector-stiftung.com
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Marco Schilling
© Marco Schilling
Criteria of this press release:
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