idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Darmstadt. Bislang geht die Forschung davon aus, dass Gründer:innen, die sich gut in die Gefühle ihrer Kund:innen hineinversetzen können, besonders viel geschäftlichen Erfolg haben. Doch eine Untersuchung von Forschenden der TU Darmstadt deutet nun darauf hin, dass zu viel Einfühlungsvermögen auch hinderlich sein kann.
Empathie wird häufig als Eckpfeiler der notwendigen Fähigkeiten von Unternehmensgründer:innen betrachtet, damit diese ihre Produkte möglichst gut auf die Bedürfnisse der Kund:innen zuschneiden können. Methoden wie „Jobs to be done“ zur Ermittlung von Kundenwünschen oder Design-Thinking-Ansätze zur Entwicklung neuer Ideen aus Nutzersicht genießen daher eine hohe Popularität unter Start-ups. Allerdings lassen neue Erkenntnisse der Sozialpsychologie und der Neurowissenschaften folgende Frage aufkommen: Ist Empathie allumfassend positiv für Produktentwickler:innen?
„Bislang konnte man annehmen, dass die Gründer mit dem höchsten Level an Empathie auch am erfolgreichsten sind“, erklärt Konstantin Kurz vom Fachgebiet Entrepreneurship an der TU Darmstadt. Allerdings vernachlässigt diese einseitige Sichtweise die Tatsache, dass Empathieprozesse bei Gründer:innen zu kognitiven Verzerrungen führen können, welche die Vorteile eines hohen Kundenverständnisses einschränken: Denn die nun im „Journal of Business Venturing“ veröffentlichte TU-Studie zeigt empirisch auf, dass weniger Produktentwicklungen die Folge sind. Empathisches Verständnis von Gründern scheint daher einer „Zu-viel-des-Guten“-Logik zu folgen – ein zweischneidiges Schwert, das mächtig, aber auch hinderlich sein kann.
Die nachteiligen Effekte eines hohen Empathielevels zeigen sich besonders bei Gründer:innen mit einer ängstlichen Persönlichkeitsausprägung, wie aus Untersuchung mit dem Titel „Flip the tweet – the two-sided coin of entrepreneurial empathy and its ambiguous influence on new product development“ hervorgeht. „Dieser Effekt entsteht potenziell, da sehr ängstliche Gründer insbesondere für verzerrte Wahrnehmung anfällig sind und so zum Beispiel einzelne, aber unbedeutende Kundenmeinungen übermäßig wichtig einschätzen“, erklärt Professorin und Fachgebietsleiterin Carolin Bock.
Die Autor:innen analysieren für ihre Studie mehrere Millionen Posts auf der Kommunikationsplattform X (ehemals Twitter) von Gründer:innen im Hinblick auf deren empathisches Verständnis. Hierfür wenden sie neuartige Forschungsansätze an. Ein Machine-Learning-Algorithmus misst dabei das Empathielevel anhand bestimmter Worte in den Tweets, die einer anderen Studie zufolge auf eine überdurchschnittliche Empathie hinweisen. Auch die Zahl der Produktentwicklungen wird über einen Algorithmus erfasst, der die Tweets automatisch danach klassifiziert, ob es darin um ein neues Produkt oder einen neuen Service geht. Die Autor:innen hoffen, weitere Entrepreneurship-Forschende dahingehend zu inspirieren, diese leistungsstarken Analysemöglichkeiten in ihren methodischen Werkzeugkoffer mit aufzunehmen.
Indem die Autor:innen neue Erkenntnisse zur „dunklen Seite“ von Empathie liefern, belegen sie erstmals, dass so wichtige und wertvolle Eigenschaften wie Empathie auch ein kontraproduktives Übermaß erreichen können. Dessen sollten sich Gründer:innen bewusst sein.
Die Studie
Konstantin Kurz, Carolin Bock und Leonard Hanschur: „Flip the tweet – the two-sided coin of entrepreneurial empathy and its ambiguous influence on new product development“, „Journal of Business Venturing“, DOI: 10.1016/j.jbusvent.2023.106378
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0883902623000927
Über die TU Darmstadt
Die TU Darmstadt zählt zu den führenden Technischen Universitäten in Deutschland und steht für exzellente und relevante Wissenschaft. Globale Transformationen – von der Energiewende über Industrie 4.0 bis zur Künstlichen Intelligenz – gestaltet die TU Darmstadt durch herausragende Erkenntnisse und zukunftsweisende Studienangebote entscheidend mit.
Ihre Spitzenforschung bündelt die TU Darmstadt in drei Feldern: Energy and Environment, Information and Intelligence, Matter and Materials. Ihre problemzentrierte Interdisziplinarität und der produktive Austausch mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erzeugen Fortschritte für eine weltweit nachhaltige Entwicklung.
Seit ihrer Gründung 1877 zählt die TU Darmstadt zu den am stärksten international geprägten Universitäten in Deutschland; als Europäische Technische Universität baut sie in der Allianz Unite! einen transeuropäischen Campus auf. Mit ihren Partnern der Rhein-Main-Universitäten – der Goethe-Universität Frankfurt und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – entwickelt sie die Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main als global attraktiven Wissenschaftsraum weiter.
www.tu-darmstadt.de
MI-Nr. 6/2024, mih
Prof. Dr. Carolin Bock
carolin.bock@tu-darmstadt.de
Publikation: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0883902623000927
DOI: 10.1016/j.jbusvent.2023.106378
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars
Economics / business administration, Information technology, Psychology
transregional, national
Research projects, Research results
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).