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Wissenschaft
Unsere DNA erleidet ständig Schäden, die wieder repariert werden müssen. Der gravierendste Schaden entsteht, wenn die DNA in zwei Teile bricht, was als Doppelstrangbruch bezeichnet wird. Dadurch entstehen zwei lose DNA-Enden, die für die Reparatur zusammengehalten werden müssen. Forschenden am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der TU Dresden ist es nun gelungen zu erklären, was die gebrochenen DNA-Enden vor dem Auseinanderfallen bewahrt.
Das Team entdeckte, dass das Protein PARP1 eine Art Unterwasser-Kleber bildet, der die DNA-Enden zusammenhält und eine spezielle Reparaturzone schafft. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für das Verständnis von DNA-Reparatur wichtig, sondern liefern auch wertvolle Hinweise für die Krebsforschung. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.
Unser Körper ist ständig Faktoren ausgesetzt, die unsere DNA schädigen können, wie UV-Strahlung, verschiedene Chemikalien oder freie Radikale. Der schwerste Typ von DNA-Schäden ist ein Doppelstrangbruch, bei dem die DNA in zwei Teile bricht. Die Zelle muss dafür sorgen, dass die gebrochenen Stränge nicht auseinanderdriften und wieder miteinander verbunden werden können.
„Wie Zellen die Trennung gebrochener DNA-Enden verhindern, war bisher ein Rätsel. Mein Team hat herausgefunden, dass dies durch ein Protein namens PARP1 vermittelt wird, das schon lange als Sensor für DNA-Schäden bekannt ist”, erklärt Prof. Alberti, Forschungsgruppenleiter am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der Technischen Universität Dresden (TUD).
„Einzelne PARP1-Moleküle erkennen den Doppelstrangbruch und verbinden sich miteinander, um eine Art Unterwasser-Sekundenkleber zu bilden, der das Auseinanderfallen der beiden Enden verhindert. Wir nennen diesen Kleber ein Kondensat, das heißt eine Ansammlung dicht miteinander verbundener Protein- und DNA-Moleküle, die vom Rest der Zelle isoliert sind und ein spezielle Reparaturkammer bilden. Dieser Kleber hält nicht nur die DNA-Enden zusammen, sondern ermöglicht auch DNA-Reparaturenzymen, ihre Arbeit zu verrichten”, fügt Prof. Alberti hinzu.
Ersteinsatzkräfte und Protein-Absperrung
PARP1 kann man sich wie einen Ersthelfer am Unfallort vorstellen. Seine Aufgabe ist es, die DNA entlangzulaufen und zu patrouillieren, ständig nach beschädigter DNA ausschauzuhalten. Sobald ein Doppelstrangbruch entdeckt wird, schlägt PARP1 Alarm und ruft DNA-Reparaturenzyme herbei, die den Schaden beheben können.
„Wir konnten die genauen molekularen Ereignisse, die der Bildung von Reparaturorten für DNA-Schäden zugrunde liegen, bestimmen. Die PARP1-Kondensation ist aber erst der Anfang. Nachdem es sich mit der DNA verklumpt, wird PARP1 als Enzym aktiv und rekrutiert eine Reihe nachgeschalteter DNA-Reparaturproteine”, erklärt Dr. Nagaraja Chappidi, ein Wissenschaftler in der Alberti-Gruppe, der viele der Experimente durchführte.
Man kann sich das vorstellen, als würden die Ersthelfer die Unfallstelle absperren und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen, um den Schaden zu minimieren. So können die „molekularen Reparaturarbeiter“ ihre Arbeit in Ruhe verrichten und die gebrochene DNA schnell reparieren.
“Eines dieser Proteine ist das Protein FUS, das seit langem bekannt ist, bei DNA- Schadensfällen herangezogen zu werden, aber seine Funktion dort blieb lange unklar. Wir konnten zeigen, dass FUS wie ein Schmiermittel wirkt und das Kondensat weich macht, damit Reparaturenzyme ihre Arbeit verrichten können", fügt Dr. Chappidi hinzu.
„Es ist ein Beispiel für kollektives Proteinverhalten, das zu einer höheren Funktionalität führt. Jedes Protein macht seinen eigenen Job, aber alle Proteine müssen zusammenarbeiten, um das Ziel der Erkennung und Behebung des DNA-Schadens zu erreichen”, fügt Dr. Titus Franzmann hinzu, ein leitender Wissenschaftler in der Alberti-Gruppe, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Von Grund auf DNA-Brüche erzeugen
Um den Mechanismus zu entschlüsseln, nutzte die Gruppe eine Vielzahl modernster biochemischer und biophysikalischer Methoden. Dabei arbeiteten sie mit Forschenden des Exzellenzclusters „Physik des Lebens” der TU Dresden, des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und des Instituts für Molekularbiologie der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften zusammen.
„Wir setzten eine Vielzahl von Techniken ein, darunter Einzelmolekülbildgebung, optische Pinzetten und quantitative Biochemie", erklärt Dr. Chappidi. „Der entscheidende Schritt war jedoch die Nachbildung des DNA-Schaden-Szenarios in einem kontrollierbaren zellfreien System.”
Dieser „Bottom-up"-Ansatz zur Nachbildung des DNA-Schadensorts in einem Reagenzglas war für die Studie entscheidend und ermöglichte dem Team einzigartige Einblicke in die Regulation der DNA-Reparatur. „Zum ersten Mal konnten wir ein bestimmtes Szenario von DNA-Schädigung und -Reparatur außerhalb von Zellen nachbilden. Unsere Studie bietet ein detailliertes Protokoll, damit andere Forscher dieses neue System für die Untersuchung ähnlicher DNA-Schäden nutzen können. Wir glauben, dass es ein großer Gewinn für die wissenschaftliche Gemeinschaft sein wird, die DNA-Schäden untersucht”, fügt Dr. Chappidi hinzu.
Neue Erkenntnisse für die Krebsbehandlung
Die neue Studie zeigt nicht nur einen Schritt-für-Schritt-Zeitplan dessen, was nach einem Doppelstrangbruch in der DNA passiert, sondern liefert auch wertvolle Erkenntnisse für die Krebsforschung.
„Aufgrund seiner Rolle bei der DNA-Reparatur ist PARP1 bereits Ziel vieler zugelassener Krebstherapien. Die gezielte Hemmung von PARP1 tötet Krebszellen ab. Unsere Arbeit enthüllt die molekulare und physikalische Grundlage dafür, warum diese Krebstherapien so erfolgreich sind. Die Daten deuten auf ein Modell hin, bei dem die Krebsbehandlung den PARP1-Superkleber so beeinträchtigt, dass er an der DNA bleibt. Auf diese Weise würde er Straßensperren für den Replikationsapparat von Krebszellen schaffen und sie zum Zelltod zwingen. Weitere Forschung ist nötig, um den Mechanismus genauer zu bestätigen", fasst Prof. Alberti zusammen.
Über das Biotechnologisches Zentrum (BIOTEC)
Das Biotechnologische Zentrum (BIOTEC) wurde 2000 als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der TU Dresden mit dem Ziel gegründet, modernste Forschungsansätze in der Molekular- und Zellbiologie mit den in Dresden traditionell starken Ingenieurwissenschaften zu verbinden. Seit 2016 ist das BIOTEC eines von drei Instituten der zentralen wissenschaftlichen Einrichtung Center for Molecular and Cellular Bioengineering (CMCB) der TU Dresden. Das BIOTEC nimmt eine zentrale Position in Forschung und Lehre im Forschungsschwerpunkt Molecular Bioengineering ein und verbindet zellbiologische, biophysikalische und bioinformatische Ansätze miteinander. Es trägt damit entscheidend zur Profilierung der TU Dresden im Bereich Gesundheitswissenschaften, Biomedizin und Bioengineering bei.
www.tud.de/biotec
www.tud.de/cmcb
Prof. Simon Alberti
Tel.: +49 351 463-40243
E-Mail: simon.alberti@tu-dresden.de
Nagaraja Chappidi, Thomas Quail, Simon Doll, Laura T. Vogel, Radoslav Aleksandrov, Suren Felekyan, Ralf Kühnemuth, Stoyno Stoynov, Claus A.M. Seidel, Jan Brugues, Marcus Jahnel, Titus M. Franzmann, and Simon Alberti: PARP1-DNA co-condensation drives DNA repair site assembly to prevent disjunction of broken DNA ends. Cell (February 2024)
Link: https://doi.org/10.1016/j.cell.2024.01.015
https://tud.link/f39yuy Bildmaterial
https://tud.link/2ytkvc Webseite Alberti Gruppe
Eine künstlerische Darstellung der Ergebnisse: Die gebrochenen DNA-Enden werden durch den klebrigen ...
Magdalena Gonciarz, generiert mit Dall-E3
Porträt Prof. Simon Alberti
Magdalena Gonciarz
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Medicine
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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