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Wissenschaft
Das generische Maskulinum betont in der Regel die männliche Seite. Daran ändert auch der Hinweis nichts, dass selbstverständlich alle Geschlechter gemeint seien. Das zeigt eine neue Studie Würzburger Psychologen.
Es ist eine Krux mit dem generischen Maskulinum im Deutschen: Setzt sich eine Gruppe aus 99 Professorinnen und nur einem Professor zusammen, wäre es grammatikalisch korrekt, in diesem Fall von „den Professoren“ zu reden. Schließlich umfasst die maskuline Mehrzahl immer auch Frauen. Man dürfe halt nicht das grammatische Geschlecht mit dem natürlichen verwechseln – so zumindest die Ansicht vieler Gender-Gegner. Sie stören sich an der Diskussion über sprachliche Alternativen, mit denen eindeutig alle Menschen angesprochen werden können.
Dabei zeigen bereits viele Studien, dass das generische Maskulinum eher mit Männern als mit Frauen assoziiert wird. Was aber geschieht, wenn kein Zweifel daran besteht, dass alle Geschlechter mitgemeint sind? So ist doch klar erkennbar, dass sich der Satz „Alle Bürger sind wahlberechtigt“ nicht ausschließlich auf Männer bezieht, sondern auch weibliche Bürger einschließen soll. Wirkt das generische Maskulinum in solchen Fällen entsprechend inklusiv, oder wird dennoch ein „männerlastiges“ Bild ausgelöst?
Zusätzliche Informationen verhindern die „männliche Verzerrung“
Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) haben diese Frage aus Sicht der Psychologie unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Wird das generische Maskulinum mit Informationen ergänzt, die die geschlechtsgemischte Zusammensetzung einer Gruppe verdeutlichen, verschwindet die „männliche Verzerrung“. Spezielle grammatikalische Marker, die in einem Text kontinuierlich an die generische Intention erinnern, ändern hingegen nichts daran.
Verantwortlich für diese Studie waren Patrick Rothermund, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Psychologie II, und Fritz Strack, emeritierter Professor des Lehrstuhls. Die Ergebnisse haben sie in der aktuellen Ausgabe des Journal of Language and Social Psychology veröffentlicht.
Zwei Experimente mit kleinen Unterschieden
In ihrer Studie haben die beiden Sozialpsychologen zwei Experimente mit jeweils 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – alles deutsche Muttersprachler – durchgeführt. In beiden Experimenten wurden den Probanden Satzpaare präsentiert. Der erste Satz beschrieb eine Gruppe wie beispielsweise „Nachrichtensprecher“, der zweite Satz beschrieb eine geschlechtsspezifische Teilmenge dieser Gruppe, also „die Männer“ oder „die Frauen“. Aufgabe der Probanden war es, per Tastendruck zu beurteilen, ob der zweite Satz eine sinnvolle Fortsetzung des ersten ist – und das so schnell wie möglich.
In den beiden Experimenten wurde auf unterschiedliche Weise kommuniziert, dass sich das generische Maskulinum auf geschlechtergemischte Gruppen bezieht. Im ersten Experiment wurden kontextuelle Hinweise auf beide Geschlechter gegeben, etwa durch stereotype Kleidung. So lautete ein Satz beispielsweise: „Die Nachrichtensprecher trugen schicke Anzüge und Kleider“. In der Kontrollbedingung wurde der Geschlechtsbezug gestrichen: „Die Nachrichtensprecher trugen schicke Kleidung“.
Im zweiten Experiment wurden die Probanden noch direkter auf die generische Intention hingewiesen. Sie wurden zu Beginn instruiert, dass ein Zirkumflexzeichen (^) anzeigt, dass alle Geschlechter gemeint sein sollen. Die Probanden lasen danach Sätze wie: „Die Nachrichtensprecher^ trugen schicke Kleidung“. Gemessen wurde in beiden Experimenten, ob Folgesätze wie „Zur Vorbereitung lasen sich alle Frauen die Nachrichten durch“ oder aber „Zur Vorbereitung lasen sich alle Männer die Nachrichten durch“ als sinnvolle Fortsetzung akzeptiert wurden, und wie lange die Probanden für diese Entscheidung brauchten.
Das bloße Wissen reicht nicht aus
Die Ergebnisse dieser beiden Experimente zeigen deutlich: Mehrheitlich führte das generische Maskulinum bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern dazu, dass sie damit eher Männer assoziierten als Frauen. Dieses Ungleichgewicht verschwindet bei entsprechenden kontextuellen Hinweisen – wie im Beispielsatz oben, wenn von „Anzügen und Kleidern“ die Rede war. Jedoch genügte die Betonung der generischen Intention durch das Zirkumflexzeichen nicht, um das „männerlastige“ Bild zu korrigieren.
„Das bloße Wissen über die generische Bedeutung reicht also nicht aus, um asymmetrische Geschlechterrepräsentationen auszugleichen“, lautet denn auch das Fazit der beiden Autoren. Ihrer Meinung nach sei ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden psychologischen Prozesse entscheidend, um die laufende wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatte voranzubringen.
Patrick Rothermund, Lehrstuhl für Psychologie II, patrick.rothermund@uni-wuerzburg.de
Rothermund, P., & Strack, F. (2024). Reminding may not be enough: Overcoming the male dominance of the generic masculine. Journal of Language and Social Psychology, 0(0). https://doi.org/10.1177/0261927X241237739
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Language / literature, Psychology
transregional, national
Research results
German
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