idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Nicht nur der Klimawandel sorgt für austrocknende Landschaften: Ein Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchte die Folgen vermehrter Wasserentnahme für Landwirtschaft und Viehzucht aus dem Great Ruaha River, einem der größten Flüsse Tansanias. Dieser ehemals permanent wasserführende Fluss fällt mittlerweile über Monate trocken. Die Forschenden konnten nachweisen, dass Büffel, Zebras und Wasserböcke dadurch teils gravierend in ihrem Lebensraum eingeschränkt werden. Einige Pflanzenfresser können den temporären Wassermangel durch ihre Nahrung teilweise ausgleichen, andere kaum oder gar nicht.
Die Auswirkungen der Wasserverknappung auf die Artengemeinschaft im Ruaha-Nationalpark sind in einem Aufsatz in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Wildlife Biology“ beschrieben.
Obwohl Nationalparks in ganz Afrika das Ziel haben, Wildtiere vor den direkten negativen Auswirkungen menschlicher Eingriffe wie Buschfleischjagd, Wilderei und Viehzucht zu schützen, gehen die Wildtierbestände in vielen Nationalparks zurück. Der Grund dafür sind unter anderem indirekte menschliche Eingriffe wie die Wasserentnahme aus Flüssen außerhalb der Nationalparks. Wenn es während der Trockenzeit in afrikanischen Ländern wenig oder gar nicht regnet, versiegen temporäre Wasserquellen wie Pfützen, regengefüllte Senken und Tümpel. Viele Tierarten reagieren darauf, indem sie in die Nähe noch bestehender Gewässer ziehen.
„Wir wollten herausfinden, welche Tierarten am besten mit Wasserknappheit zurechtkommen und welche Überlebensstrategien die Tiere entwickeln“, erklärt Erstautorin Dr. Claudia Schmied, deren Dissertation über die Konsequenzen der Wasserentnahme aus dem Great Ruaha River für die Großtiergemeinschaft vom Leibniz-IZW betreut wurde. „Dafür haben wir uns während dreier Trockenzeiten angeschaut, welche Pflanzenfresser im Ruaha-Nationalpark ihren Standort ändern und dorthin ziehen, wo sie konstante Wasserquellen finden.“
Manche Pflanzenfresser reagierten sensibler auf Wassermangel als andere, bestätigen die Wissenschaftler:innen. „Es gibt Tiere, die den Mangel an Trinkwasser teilweise durch ihre Ernährung ausgleichen können oder über Mechanismen verfügen, ihre Körpertemperatur zu regulieren, um den Wasserverlust über Kot und Urin zu begrenzen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass zum Beispiel Allesfresser wie der Kronenducker und das Warzenschwein ihre Entfernung zur nächstgelegenen Wasserquelle in der späten Trockenzeit deutlich größer werden lassen, also nicht dem Wasser hinterherziehen“, sagt Schmied. Dies gelte beispielsweise auch für das Impala (Aepyceros melampus) und den Großen Kudu (Strepsiceros zambesiensis), die eine gemischte vegetarische Kost zu sich nehmen.
„Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass diese Arten besser mit dem Rückgang des Oberflächenwassers zurechtkommen als zum Beispiel der Afrikanische Büffel.“. Afrikanischer Büffel (Syncerus caffer), Steppenzebra (Equus quagga) und Wasserbock (Kobus ellipsiprymnus) brauchen als Weidetiere einen konstanten Zugang zu Trinkwasser. Allesfresser wie das Warzenschwein (Phacochoerus africanus) und der Kronenducker (Sylvicapra grimmia) haben ein breiteres Nahrungsspektrum und verzehren unterirdische Pflanzen wie Knollen, Rhizome, Früchte und zudem kleinere Tiere – und damit Nahrung, die mehr Wasser enthält als die in der Trockenzeit abgegrasten Weideflächen. Dies macht diese Tierarten unabhängiger vom Zugang zu Trinkwasser.
Um die sich ändernden Standorte der Tiere zu ermitteln, kartierten die Forschenden die Aufenthaltsorte der Tiere in der frühen und in der späten Trockenzeit. Es bestätigte sich die Vermutung, dass manche Tierarten in die Nähe der noch wenigen verbleibenden Wasserquellen am oberen Great Ruaha River ziehen. Am auffälligsten verhielt sich der Afrikanische Büffel, so Prof. Stephanie Kramer-Schadt, Leiterin der Abteilung für Ökologische Dynamik am Leibniz-IZW: „Unsere räumlichen Analysen zeigten, dass sich die Afrikanischen Büffel während der Trockenzeit komplett aus dem Forschungsgebiet zurückzogen.“ Diese Weidetiere sind besonders wasserabhängig, da der Feuchtigkeitsgehalt von Weidegräsern in der Trockenzeit gering ist. „Die Afrikanischen Büffel im Ruaha-Nationalpark verlieren während der Trockenzeit also große Teile ihres Lebensraums“, ergänzt Dr. Marion East, Wissenschaftlerin in der Abteilung für Ökologische Dynamik am Leibniz-IZW und Betreuerin von Schmieds Dissertation.
Dass sich zum Ende der Trockenzeit vermehrt wasserabhängige Pflanzenfresser in der Nähe der schrumpfenden Wasserstellen am oberen Great Ruaha River versammeln, hat weitreichende Folgen. Größere Raubtiere wie Löwen und Leoparden ziehen nun ebenfalls in diese Gebiete und vertilgen einen Teil der Bestände dieser Arten. Über die langfristigen Auswirkungen des Wasserverlustes im Great Ruaha River auf die Ökologie des Ruaha-Nationalparks und seine hohe Artenvielfalt ist allerdings bisher noch wenig bekannt. Die zunehmende Ansammlung von Tieren in der Nähe verbleibender Wasserquellen kann die Übertragung von Krankheitserregern fördern, vermuten die Forschenden. Der große Wasserverlust könnte zudem zu einem schnelleren Rückgang der Nährstoffqualität und der Ufervegetation führen, was wiederum die Gesundheit von Pflanzenfressern beeinträchtigen und negative Folgen für deren Bestände haben könnte.
Der Ruaha-Nationalpark in Tansania wurde 1964 gegründet und 2008 um das Usangu-Wildreservat erweitert. Mit einer Fläche von 20.226 km2 gehört er zu den größten Nationalparks in Afrika. Er gilt als einer der wichtigsten Lebensräume für Wildtiere in Afrika. Der Great Ruaha River wird als das ökologische Rückgrat Tansanias geschätzt, bevor er den Ruaha-Nationalpark durchquert, einem der größten Nationalparks Afrikas.
Dr. Claudia Schmied
Stv. Leiterin der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW
Telefon: 0228-9775518
E-Mail: claudia.schmied@lanuv.nrw.de
Prof. Dr. Stephanie Kramer-Schadt
Leiterin der Abteilung für Ökologische Dynamik
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
Telefon: +49 (0)30 5168714
E-Mail: kramer@izw-berlin.de
Dr. Marion East
Wissenschaftlerin in der Abteilung für Ökologische Dynamik
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
Telefon: +49 (0)30 5168512
E-Mail: east@izw-berlin.de
Schmied C, Hofer H, Scherer C, Kramer-Schadt S, East ML (2024): Effect of human induced surface water scarcity on herbivore distribution during the dry season in Ruaha National Park, Tanzania. Wildlife Biology 2024: e01131. DOI: 10.1002/wlb3.01131
Zebras und Giraffen im Ruaha-Nationalpark in Tansania
Claudia Schmied
Claudia Schmied/Leibniz-IZW
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).