idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
04/17/2024 09:00

Uranimmobilisierende Bakterien im Tongestein: Mikrobielle Reduktion verringert Mobilität von Uranverbindungen

Simon Schmitt Kommunikation und Medien
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

    Bei der Konzeption von Endlagern für hochradioaktive Abfälle in tiefen geologischen Schichten müssen verschiedene Faktoren sorgfältig berücksichtigt werden, um ihre langfristige Sicherheit zu gewährleisten. Unter anderem können natürliche Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen das Verhalten der Abfälle beeinflussen, insbesondere, wenn sie in Kontakt mit Wasser geraten. Die Mikroorganismen interagieren mit freigesetzten Radionukliden und beeinflussen deren Mobilität. Forschende des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) haben sich einen Mikroorganismus genauer angeschaut, der in der Umgebung eines möglichen Endlagers vorkommt.

    Wirtsgesteine, also Gesteine, die für eine dauerhaft sichere Lagerung von hochradioaktiven Abfällen in einem Endlager in Frage kommen, sind in Deutschland neben Steinsalz und Kristallingestein bestimmte Tongesteinsformationen. Dabei wird ein Multibarrierensystem bevorzugt, das aus dem Abfall-Container als technischer Barriere, dem Verfüllmaterial als geotechnischer und dem Wirtsgestein als geologischer Barriere besteht. Dieses System soll den radioaktiven Abfall von der Umwelt isolieren.

    „Die Kombination von Tonformationen mit dem aus verschiedenen Tonmineralen bestehenden Füllmaterial Bentonit ist ein Beispiel für ein solches System. Wir wissen, dass im Wirtsgestein und im Füllmaterial sogenannte sulfatreduzierende Mikroorganismen gleichermaßen vorkommen. Einen Vertreter der Gattung Desulfosporosinus haben wir in unserer Arbeit näher untersucht. Dabei hat uns insbesondere sein Einfluss auf eventuell im System Bentonit-Ton vorhandenes Uran interessiert“, erläutert Dr. Stephan Hilpmann vom Institut für Ressourcenökologie am HZDR.

    Uran kann in einer Vielzahl von Verbindungen auftreten und dabei verschiedene Oxidationsstufen annehmen. In natürlichen Vorkommen findet man Uran hauptsächlich in vier- und sechswertiger Form. Unter normalen Bedingungen sind vierwertige Uranverbindungen – im Gegensatz zu den sechswertigen – praktisch unlöslich in Wasser. Uranverbindungen sind giftig, wobei die Toxizität hauptsächlich von ihrer Löslichkeit abhängt. Dieses unterschiedliche Verhalten der Verbindungen mit verschiedenen Oxidationszuständen ist für das Verständnis der Vorgänge im Endlager von großer Bedeutung.

    Mikrobielles Abwehrverhalten holt Uran aus dem Wasser

    Desulfosporosinus lebt unter anaeroben Bedingungen, das heißt, es gedeiht nur unter Luftabschluss. So können die Forschenden den Mikroorganismus unter realitätsnahen Bedingungen erforschen, wie sie auch in tiefen Gesteinsschichten vorzufinden sind. Dazu brachten sie die Bakterienkulturen in Kontakt mit Uransalz-Lösungen in naturnahem Porenwasser des Tongesteins, behütet von einer vor dem Luftsauerstoff schützenden Stickstoff-Atmosphäre. Sie beobachteten dabei, dass die Bakterien das leicht wasserlösliche sechswertige Uran in schwerlösliches vierwertiges Uran umwandeln. Dieses schwerlösliche Uran können die Bakterien in Membranbläschen auf ihrer Zelloberfläche in Form von Verkrustungen abscheiden. Das Team vermutet, dass es sich hier um eine Abwehrreaktion der Mikroorganismen handelt – ein Verhalten, das sich zuvor schon bei anderen Bakterienarten beobachten ließ. „Nach einer Woche haben die Bakterien etwa 40 Prozent des ursprünglich gelösten Urans in die schwerlösliche Variante überführt“, berichtet Hilpmann.

    Zudem hat das Team mit fünfwertigem Uran noch eine weitere Oxidationsstufe beobachtet, über deren Ausbildung in diesem Prozess zuvor nicht sehr viel bekannt war. Das ist vor allem seiner typischen Instabilität geschuldet. Die Forschenden vermuten, dass sie fünfwertiges Uran nur nachweisen konnten, weil die Bakterien es in Lösung zu einem gewissen Maß stabilisieren. So konnten sie diese Oxidationsstufe noch nach einer Woche nachweisen.

    Multispektraler Blick in kontaminierten Untergrund

    Um die verschiedenen Uranverbindungen beobachten zu können, nutzte das Team eine Reihe von modernen Spektroskopie- und Mikroskopie-Methoden. Die Forschenden des HZDR haben dabei am Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung sowie an der Rossendorf Beamline (ROBL), die das HZDR an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble betreibt, Zugang zu sehr speziellen Techniken. Am französischen Standort etwa können sie radiochemische Vorgänge spektroskopisch untersuchen. Hier haben sie auch mit einem Verfahren namens HERFD-XANES die Bildung von fünfwertigem Uran im Prozess beobachtet.

    HERFD-XANES steht für Fluoreszenzdetektion mit hoher Energieauflösung, die mit der Röntgen-Nahkanten-Absorptions-Spektroskopie gekoppelt ist. Es ist ein röntgenabsorptionsspektroskopisches Verfahren, mit der sich das Verhalten von Elektronen beobachten lässt. Die uranhaltigen Aggregate auf der Zelloberfläche von Desulfosporosinus konnte das Team mittels Rastertransmissionselektronenmikroskopie gekoppelt mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie sichtbar machen.

    „Unsere Erkenntnisse vertiefen unseren Blick auf das komplexe Geschehen in einem möglichen Endlager. Außerdem können sie relevant für die Remediation radioaktiver Schadstoffe aus kontaminierten Gewässern und damit deren Sanierung werden“, fasst Hilpmann die Bedeutung der Ergebnisse zusammen.

    Die Arbeiten liefen im Projekt „iCross“, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 02NUK053E) und die Helmholtz-Gemeinschaft (Förderkennzeichen SO-093) fördert.

    Publikationen:

    S. Hilpmann, A. Rossberg, R. Steudtner, B. Drobot, R. Hübner, F. Bok, D. Prieur, S. Bauters, K.O. Kvashnina, T. Stumpf, A. Cherkouk, Presence of uranium(V) during uranium(VI) reduction by Desulfosporosinus hippei DSM 8344T, in Science of The Total Environment, 2023 (DOI: 10.1016/j.scitotenv.2023.162593 )
    X-ray absorption spectroscopy reveals the transient oxidation state during microbial uranium(VI) reduction by a sulfate-reducing microorganism, ESRF Highlights 2023, Ed.: A. Joly, 2024 (https://www.esrf.fr/home/UsersAndScience/Publications/Highlights/esrf-highlights...)

    Weitere Informationen:
    Dr. Stephan Hilpmann | Dr. Andrea Cherkouk
    Institut für Ressourcenökologie
    Tel.: +49 351 260 2860 | +49 351 260 2989
    E-Mail: s.hilpmann@hzdr.de | a.cherkouk@hzdr.de

    Medienkontakt:
    Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
    Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
    Tel.: +49 351 260 3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de

    Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
    • Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
    • Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
    • Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?

    Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
    Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt fast 1.500 Mitarbeiter*innen – davon etwa 670 Wissenschaftler*innen inklusive 220 Doktorand*innen.


    Contact for scientific information:

    Dr. Stephan Hilpmann | Dr. Andrea Cherkouk
    Institut für Ressourcenökologie
    Tel.: +49 351 260 2860 | +49 351 260 2989
    E-Mail: s.hilpmann@hzdr.de | a.cherkouk@hzdr.de


    Original publication:

    S. Hilpmann, A. Rossberg, R. Steudtner, B. Drobot, R. Hübner, F. Bok, D. Prieur, S. Bauters, K.O. Kvashnina, T. Stumpf, A. Cherkouk, Presence of uranium(V) during uranium(VI) reduction by Desulfosporosinus hippei DSM 8344T, in Science of The Total Environment, 2023 (DOI: 10.1016/j.scitotenv.2023.162593 )

    X-ray absorption spectroscopy reveals the transient oxidation state during microbial uranium(VI) reduction by a sulfate-reducing microorganism, ESRF Highlights 2023, Ed.: A. Joly, 2024 (https://www.esrf.fr/home/UsersAndScience/Publications/Highlights/esrf-highlights...)


    More information:

    https://www.hzdr.de/presse/uranium-immobilizing_bacteria


    Images

    Abbildung einer Desulfosporosinus-Zelle mit immobilisiertem Uran auf der Oberfläche
    Abbildung einer Desulfosporosinus-Zelle mit immobilisiertem Uran auf der Oberfläche
    B. Schröder/ HZDR
    B. Schröder/ HZDR


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Chemistry, Environment / ecology, Geosciences, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).