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Wissenschaft
Erste länderübergreifende Studie zu Antisemitismus im Internet kommt zu unerwarteten Ergebnissen
Forschung zu Antisemitismus im Online-Bereich gibt es erst seit einigen Jahren. Umso wichtiger sind die Ergebnisse des interdisziplinären und transnationalen Forschungsprojekts „Decoding Antisemitism: An AI-driven Study on Hate Speech and Imagery Online“, die nun Einblicke in die dynamische Entwicklung des öffentlichen Diskurses ermöglichen. Ein internationales Team von 20 Wissenschaftler*innen unter Leitung des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin untersuchte von 2020 bis 2024, wo und wie Antisemitismus in den Kommentarbereichen von Mainstream-Medien in den Ländern Großbritannien, Frankreich und Deutschland auftritt.
Dabei untersuchten sie die Kommentarspalten der Online-Auftritte von u.a. The Guardian, Le Monde oder DIE ZEIT sowie deren Accounts auf sozialen Medienplattformen wie Facebook, YouTube, Twitter (jetzt X), Instagram und TikTok. Die Beobachtungen erfolgten jeweils zu Diskursereignissen wie dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, aber auch bei den international viel beachteten Äußerungen von Rapper Kanye West oder Millionär Elon Musk, die online hohe Wellen von Antisemitismus auslösten. Insgesamt führte das Team 27 Fallstudien durch, sowohl länderspezifisch als auch -übergreifend, und analysierte insgesamt 130.000 Userkommentare im Detail.
80 bis 85 Prozent des Antisemitismus ist implizit
Für die qualitative Analyse jedes einzelnen Userkommentares entwickelte das Forscher*innenteam ein 160-Punkte-Kategoriensystem und kam zu unerwarteten Ergebnissen „In politisch gemäßigten Online-Milieus sind 80 bis 85 Prozent des Antisemitismus implizit, also in Form von Anspielungen, Wortspielen, rhetorischen Fragen. Der wird bei den gängigen quantitativen Umfragen vom ‚Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus‘ oder dem ‚American Jewish Committee Berlin‘, die bereits eine Zunahme festgestellt haben, gar nicht aufgedeckt. Das bedeutet, es gibt eine riesige Dunkelziffer“, berichtet Studienleiter Dr. Matthias J. Becker vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin im Interview.
Völlig neue Form antisemitischer Kommunikation
Hinzu kommt, dass der 7. Oktober 2023 international eine völlig neue Form antisemitischer Kommunikation hervorgerufen habe, so der Wissenschaftler. „Der Diskurs entfernte sich vorübergehend von der Äußerung von Stereotypen und Analogien, wie sie für israelbezogenen Antisemitismus typisch sind, und wurde getragen von sogenannten Selbstpositionierungen, bei denen User*innen offen den Terror vom 7. Oktober 2023 gutheißen, begrüßen und rechtfertigen.“
Erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern
Zudem konnte das Team zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede feststellen. „Über den Untersuchungszeitraum von dreieinhalb Jahren war in Großbritannien in den untersuchten Medien der Antisemitismus am meisten verbreitet, gefolgt von den Medien in Frankreich und denen in Deutschland“, so Becker. Basierend auf den Ergebnissen entwickelte ein Data Science-Team an der HTW Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Helena Mihaljevic KI-Modelle, die Antisemitismus im Netz aufspüren sollen.
Lesen Sie das ausführliche Interview (https://www.tu.berlin/go258172/) mit Matthias J. Becker über die Ergebnisse des Projekts, welche Rolle KI spielt und seine Empfehlungen für Politik und Gesellschaft.
Die Studien finden Sie auf der Webseite des Projekts „Decoding Antisemitism“: https://decoding-antisemitism.eu/publications/
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Matthias J. Becker
Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin
E-Mail: mjb@decoding-antisemitism.eu
Stefanie Terp
Pressesprecherin der TU Berlin
Tel.: +49 30 314-23922
E-Mail: pressestelle@tu-berlin.de
Criteria of this press release:
Journalists
History / archaeology
transregional, national
Research results
German
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