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05/28/2024 11:14

Mehr Magenkrebs durch mehr Salz in der Suppe

RWI Kommunikation
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

    Salz schmeckt – aber schadet es? Und wieviel davon? Wer viel Salz isst, hat ein um etwa 40 Prozent höheres Risiko für Magenkrebs, meldeten heidel-berg24 und die Wiener KLEINE ZEITUNG. „Nachsalzen erhöht das Risiko für Magenkrebs um 41 Prozent“, warnte auch FITBOOK. Heißt das, dass von je 100 Menschen, die gerne nachsalzen, 41 mehr Magenkrebs bekommen?

    Nein. Die Medien arbeiteten mit einem Trick, um den kleinen negativen Effekt von Nachsalzen größer aussehen zu lassen, als er wirklich ist. Der Trick besteht darin, einen kleinen absoluten Anstieg des Risikos aufzublähen, indem man nur den relativen Anstieg (41 Prozent mehr) berichtet. Wir haben diesen Trick mehrmals erklärt. Beispielsweise berichtete eine Studie, dass pro 50 g täglichen Konsums von verarbeitetem Fleisch (wie Wurst) sich das Darmkrebsrisiko von 5 auf 5,9 Prozent erhöht. In den Medien wurde dieser absolute Anstieg von weniger als einem Prozentpunkt als ein Anstieg von 18 Prozent dargestellt, was mehr Aufmerksamkeit erzeugt (siehe Unstatistik 10/2015, „Wursthysterie“).

    Wie hoch ist nun der tatsächliche absolute Anstieg des Risikos, durch Nachsalzen
    Magenkrebs zu bekommen? Wir haben uns die Studie in der Fachzeitschrift „Gastric Cancer“ genauer angesehen, von der die Medien berichten. An dieser Studie nahmen 471.144 Erwachsene aus Großbritannien teil. Sie wurden gefragt „Salzen Sie Ihr Essen nach?“. 55 Prozent sagten „nie“ oder „selten“, knapp 5 Prozent sagten „immer“ (und der Rest „manchmal“ oder „meistens“). Nach elf Jahren wurde ermittelt, wer an Magenkrebs erkrankt war. Unter jenen, die nie oder selten nachsalzten, waren 0,123 Prozent an Magenkrebs erkrankt; unter jenen, die immer nachsalzten, waren es 0,231 Prozent. Das sind absolut gesehen 0,108 Prozentpunkte mehr – nicht besonders beeindruckend. Doch bereits die Autoren der Studie haben diesen kleinen Anstieg als relativen Anstieg ausgedrückt, und das klingt dann schon sehr beeindruckend. Relativ gesehen gibt es 88 Prozent mehr Magenkrebspatient/innen (0,108/0,123).

    Relativer statt absoluter Anstieg: Aus 0,05 Prozentpunkten werden 41 Prozent

    Nachdem die Autoren diesen Anstieg im Hinblick auf Unterschiede in Diät, Rauchen, Alkoholkonsum und anderen Faktoren adjustiert hatten (diejenigen, die immer nachsalzten, rauchten und tranken mehr), reduzierten sich die 88 Prozent auf 41 Prozent. Dieser Anstieg entspricht also einem absoluten Anstieg an Magenkrebserkrankungen von etwa 0,05 Prozentpunkten. Dieser absolute Wert wurde jedoch in der Studie selbst nirgends klar benannt, entgegen der Empfehlung für medizinische Studien, die absoluten Effekte immer zu berichten. Und die Journalistinnen und Journalisten haben schlicht abgeschrieben, ohne nachzudenken. Eine Schlagzeile „Nachsalzen erhöht das Risiko für Magenkrebs um 0,05 Prozentpunkte“ hätte wohl auch keine mediale Aufmerksamkeit erzeugt.

    Viele Menschen, einschließlich mancher Ärzte, verwechseln immer noch den relativen Anstieg mit dem absoluten Anstieg eines Risikos. Selbst der Bericht zur Studie unter aerzteblatt.de berichtete nur den relativen Anstieg des Risikos. Damit wird oft aus einer sprichwörtlichen Mücke ein Elefant. Diesen Unterschied zu verstehen, ist nicht so schwer und wesentlich für die Risikokompetenz, die wir alle bräuchten. Solange diese Kompetenz aber nicht weit verbreitet ist, werden Medien wie leider auch einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiterhin die Öffentlichkeit durch relative Risiken in Angst versetzen, obwohl das absolute Risiko minimal ist.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Tel.: (030) 805 88 519


    Original publication:

    https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/detail/me...


    More information:

    http://Bei Weiterverbreitung von Texten aus der Reihe "Unstatistik des Monats" muss klar erkennbar sein, dass es sich um die Übernahme eines fremden Textes handelt. Zudem ist die Quelle https://www.unstatistik.de zu nennen. Bitte informieren Sie die Pressestelle des RWI über die Verwendung des Textes unter presse@rwi-essen.de. Das Urheberrecht bleibt bestehen.


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