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Wissenschaft
Babys, die mehrsprachig aufwachsen, bevorzugen lange, bevor sie selbst sprechen können, harmonische sprachliche Muster. Dies konnte ein Forschungsteam um die Potsdamer Psycholinguisten Prof. Dr. Natalie Boll-Avetisyan und Paul O. Omane mit einer experimentellen Studie belegen. Die Forschenden zeigten, dass Babys, die in Ghana mit zwei bis fünf Sprachen aufwachsen, Lautmuster verinnerlicht haben und präferieren, obwohl diese in nur einer ihrer Sprachen typisch sind. Sie zeigen diese Fähigkeit im selben Alter wie einsprachig aufwachsende Babys. Die Ergebnisse der Studie wurden nun im Journal „Developmental Psychology“ veröffentlicht.
Die Untersuchung ist die erste experimentelle Studie zum frühkindlichen Spracherwerb bei Babys, die auf dem afrikanischen Kontinent durchgeführt wurde.
„Konkret haben wir 40 Babys im Alter von sechs Monaten in Accra, der Hauptstadt von Ghana in West-Afrika, getestet“, sagt die Ko-Autorin Natalie Boll-Avetisyan, Professorin für Developmental Psycholinguistics an der Universität Potsdam. Das besondere an den untersuchten Babys ist, dass sie in der Regel multilingual aufwachsen und täglich zwischen zwei und sechs Sprachen hören. Kinder werden in Ghana häufig nicht nur von der Kernfamilie betreut und erzogen, sondern von vielen Erwachsenen, die miteinander im Haus wohnen und oft unterschiedliche Sprachen sprechen, darunter ghanaische wie Akan, Ewe, Ga und Krobo, aber auch Englisch. „Wir haben getestet, ob die Babys auf Vokalharmonie reagieren“, berichtet die Linguistin. Dabei handelt es sich um ein Lautmuster, welches es in vielen Sprachen der Welt gibt und das bestimmt, dass Vokale innerhalb eines Wortes ähnlich sein müssen. Unter den Sprachen, die in Accra gesprochen werden, hat nur Akan eine solche Vokalharmonie. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die ghanaischen Babys lieber erfundene, sinnfreie Pseudowörter hören, die Vokalharmonie zeigen, als Pseudowörter, die nicht harmonisch sind. Und diese Präferenz hängt nicht davon ab, ob Kinder in ihrem Alltag viel oder wenig Akan hören.“
Im Potsdamer BabyLAB, wo seit mehr als 20 Jahren der kindliche Spracherwerb im Fokus steht und experimentell erforscht wird, wurde vor einigen Jahren bereits eine ähnliche Studie mit Deutsch und Türkisch lernenden Babys durchgeführt. „Die Methode der Studie in Ghana war an diese angelehnt, allerdings mussten wir manche Dinge den besonderen Gegebenheiten in Accra anpassen, da wir dort – anders als im Potsdamer BabyLAB – nicht auf eine etablierte Infrastruktur zurückgreifen konnten“, erklärt Natalie Boll-Avetisyan. Ein Aufwand, der sich lohnt, wie die Forscherin betont: „Die bisherige Forschung zum kindlichen Spracherwerb hat sich auf zwei Prozent aller in der Welt gesprochenen Sprachen beschränkt. Dabei unterscheiden sich die Sprachen, die von Kindern weltweit gelernt werden, teilweise frappant in ihren Strukturen, aber auch die Lebensumstände, unter denen Kinder groß werden, sind bisweilen sehr verschieden. Nur wenn unsere Forschung globaler wird, werden wir umfassend verstehen, wie der menschliche Geist befähigt ist, Sprachen zu lernen.“
Die Studie im Internet:
Omane, P. O., Benders, T., & Boll-Avetisyan, N. (2024). Vowel harmony preferences in infants growing up in multilingual Ghana (Africa). Developmental Psychology. In press. DOI: https://doi.org/10.1037/dev0001776
Foto: Potsdamer Forschende leiteten die erste experimentelle Studie zum frühkindlichen Spracherwerb bei Babys, die bislang auf dem afrikanischen Kontinent durchgeführt wurde. Foto: Paul O. Omane
Kontakt: Prof. Dr. Natalie Boll-Avetisyan, Professorin für Developmental Psycholinguistics
E-Mail: natalie.boll-avetisyan@uni-potsdam.de
Telefon: 0331 977-2374
Medieninformation 09-07-2024 / Nr. 069
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Biology, Language / literature, Teaching / education
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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