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07/21/2004 13:40

Lehrergesundheit fördert Qualität von Schule - Landauer Empfehlungen zur Lehrergesundheit

Bernd Hegen Referat Kommunikation
Universität Koblenz-Landau

    In Landau haben sich Experten aus den Bereichen Forschung und Lehre, Lehrerfortbildung, Medizin, Lehrerverbände, Schulpsychologie, Gesundheitsinstitutionen, Unfallkassen, Ministerien und Schulaufsicht zu einer ersten bundesweiten Tagung zusammengefunden, um sich über Fragen der Lehrergesundheit auszutauschen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Expertentagung appellieren an die Verantwortlichen in Bildungspolitik und Bildungswesen, in Verbänden der Lehrerschaft, in den Medien, in Hochschulen und im Gesundheitswesen, der Lehrergesundheit mit der Übernahme dieser Empfehlungen einen höheren Stellenwert einzuräumen und sie in politisches und administratives Handeln umzusetzen:

    I. Lehrergesundheit als zentrales Gut

    1. Lehrergesundheit ist ein zentrales Gut des Bildungswesens und der Gesellschaft; die Bildungs- und Gesundheitsdiskussion gehören zusammen. Die Politik muss dies in das gesellschaftliche Bewusstsein hineintragen und allen an Schule Beteiligten ihre Mitverantwortung für die Gestaltung einer guten und für Lehrkräfte wie für Schüler gesunden Schule verdeutlichen.
    2. In Bildungspolitik, Schulaufsicht und bei Schulleitungen sollte Lehrergesundheit Führungsthema und strategisches Managementziel werden und ein selbstverständliches Kriterium für personelle und administrative Entscheidungen sein.
    3. Ihrer Bedeutung entsprechend sollte "Lehrergesundheit" in der Schulaufsicht und in pädagogischen Diensten personell institutionalisiert werden.
    4. Auswirkungen von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und anderen Regelungen sind regelmäßig auch auf die Folgen für die Arbeitssituation von Lehrkräften und Schulleitungen zu überprüfen (Belastungs-Check - Evaluation). Gleichzeitig sollten Bürokratie und Verwaltungsaufwand auf Ebene der Schule reduziert und in die Hände von verantwortlichen Verwaltungsfachkräften gelegt werden.
    5. Lehrkräfte bedürfen des Schutzes bei "Grenzverletzungen" ihrer Persönlichkeitssphäre durch Führungskräfte, Kollegen, Eltern, Schüler. (Dies gilt allerdings auch vice versa).

    II. Prävention: Verknüpfung von
    Qualitätsmanagement und Lehrergesundheit

    6. Der Erhalt und die Förderung von Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit von Lehrkräften und Schulleitungen lassen sich - auch im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes - langfristig nur präventiv erreichen. Gesundheit und Leistung gehören zusammen. Nur physisch und psychisch gesunde Lehrkräfte können auf Dauer den Bildungs- und Erziehungsauftrag wahrnehmen und Schule weiterentwickeln.
    7. Deswegen sollten die Ressourcen für Arbeitsschutz, Verhältnismanagement und Gesundheitsförderung mit den Bemühungen um die Qualitätsentwicklung von Schule inhaltlich und strukturell zusammengeführt werden (integratives Gesundheitsmanagement).
    8. Durch Schülerrückgang freiwerdende Ressourcen im Schulbereich sollten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen (Klassenfrequenz, Unterrichtsentlastung) eingesetzt werden.

    III. Lehrerausbildung und Personalentwicklung

    9. Voraussetzung für eine nachhaltige Prävention ist eine gezielte, an den pädagogisch-psychologischen Anforderungen der Praxis orientierte Ausbildung für Lehrkräfte, die ggf. auch Auswahlprozesse für das Studium einschließt.
    10. Für Berufsanfänger bedarf es in den ersten zwei Jahren verpflichtender Supervision zur Stabilisierung sozialer und persönlicher Kompetenzen und guter pädagogischer Praxis.
    11. Für schon im Beruf stehende Lehrkräfte ist eine regelmäßige Selbstevaluation ("Lehrer-TÜV") sowie eine systematische Personalpflege und Personalförderung erforderlich, welche auch eine individuelle Entwicklungsplanung umfasst.
    12. Es bedarf dringend einer langfristigen Personalentwicklung, Berufsvorbereitung und anforderungsorientierter Eignungsfeststellung für qualifizierte Führungskräfte, die mehr Eigenverantwortlichkeit von Schule, Qualitätsmanagement und Gesundheitsmanagement miteinander verbinden können.

    IV. Lehrerbild: Wertschätzung des
    Lehrerberufs und Berufsethos

    13. Bildung und Erziehung, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Menschen sind die vorrangigen Ressourcen des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Die Politik muss der Gesellschaft vermitteln, dass für den Lehrerberuf und für die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen die Besten der Besten gebraucht werden.
    14. Dazu bedarf es jedoch arbeitswissenschaftlicher Untersuchungen des Lehrerberufs, insbesondere einer Beschreibung der Anforderungen und "Normalleistung" einer Lehrkraft in den verschiedenen Schularten. Das arbeitswissenschaftliche Anforderungsprofil schließt eine grundlegende Verständigung über Qualitätsstandards ein sowie die Identifikation gesunderhaltender Faktoren im Lehrerberuf; ansonsten besteht die Gefahr der Aufgabenüberlastung und Selbstausbeutung. Es dient gleichzeitig der Entwicklung von Eignungskriterien für Lehramtsbewerber.
    15. In Verbindung mit dem Anforderungsprofil für den Lehrerberuf muss auch ein Leitbild mit berufsethischen Verpflichtungen für Lehrerinnen und Lehrer entwickelt werden, das sich an dem Bildungs- und Erziehungsauftrag orientiert. Eine Kultur des sich gegenseitig respektierenden und würdigenden Umgangs und der Kooperation dient der Entlastung und sozialen Unterstützung.

    V. Unterstützungssysteme

    16. Lehrkräfte und Schulleitungen müssen auf ein differenziertes Unterstützungssystem zurückgreifen können, das ihnen niedrigschwellige und schulnahe Beratungsmöglichkeiten (auch z. B. durch Internetforen gestützt) zur individuellen und systemischen Prävention und Krisenbewältigung anbietet. Dazu gehört arbeitsmedizinische und schulpsychologische Betreuung - auch unter betriebspsychologischen Aspekten im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes.
    17. Fortbildungs- und Beratungsangebote - ggf. verpflichtend - insbesondere für Schulleitungen, aber auch für Lehrkräfte, können den Zusammenhang von Lehrergesundheit und Schulqualität verdeutlichen und entsprechende Kompetenzen für gesundheitsförderliches Verhaltens- und Verhältnismanagement vermitteln.
    18. Schulen, die "Lehrergesundheit" zum kollegialen Thema machen (z. B. in Form von Gesundheitszirkeln, Schlichtungsprogrammen) sollten personell und materiell unterstützt werden.
    19. Auch die Verbreitung entlastender Unterrichtsmethoden, etwa in Form von "eigenverantwortliches Arbeiten" der Schülerinnen und Schüler, trägt ebenso wie die Einbindung externer Personalressourcen zu einer entlastenden Arbeitssituation bei.

    VI. Behandlung und Rehabilitation

    20. Erkrankte und von psychischer Erkrankung bedrohte Lehrerinnen und Lehrer benötigen über die Akutbehandlung hinaus Rehabilitation. Dazu bedarf es gesetzlicher Veränderungen für rehabilitative Maßnahmen bei Beamten; insbesondere ist die Kostenfrage zu klären.
    21. Eine Konzentration der Dienstunfähigkeitsuntersuchungen auf wenige Gesundheitsämter könnte die Qualität einer lehrerspezifischen Diagnostik/Begutachtung auch unter Einbezug aktueller Erkenntnisse z. B. der Psychobiologie verbessern.
    22. Auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsämtern, Schulaufsicht und Schulbehörden ist erforderlich. Damit könnten Maßnahmen zur Früherkennung von Erkrankungen und zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit von Lehrkräften besser abgestimmt und gezielter eingesetzt werden.
    23. Für die klinische Arbeit mit Lehrkräften sollten Qualitätsstandards entwickelt und evaluiert werden - unter Einschluss einer Infrastruktur für Nachsorge - Rehabilitation - Berufsrückkehr und mit Beachtung von "Softfaktoren" wie Schulklima, Atmosphäre ... (Disability-Management-Program).
    24. Hilfreich wäre auch die Einrichtung von Möglichkeiten zur individuellen Prävention von psychischen Erkrankungen und Erschöpfungszuständen, wie z. B. Beurlaubung, Sabbathalbjahr.

    VII. Kooperation

    25. Auf der Ebene der KMK sollte über die Ländergrenzen hinaus ein integratives Konzept zur Lehrergesundheit entwickelt werden.
    26. Ein routinemäßiges Monitoring auf Länderebene könnte wesentliche Gesundheits-/Krankheitsdaten bei Lehrkräften und ihre Veränderungen über die Zeit erfassen. Dadurch könnten fundierte Informationen über gesundheits- und leistungsbeeinträchtigende Bedingungen in der Schule gewonnen werden, aus denen sich wiederum Erkenntnisse für Prävention, Intervention und Rehabilitation ableiten lassen.
    27. Die bisherigen Aktivitäten und Projekte an Hochschulen, Ministerien/Schulaufsicht, pädagogisch/psychologischen Institutionen, Kliniken und Bildungseinrichtungen usw. müssen stärker vernetzt werden, um Synergien zu nutzen.
    Dazu könnte die Kultusministerkonferenz (KMK) eine koordinierende Funktion übernehmen.

    Kontakt
    Helmut Heyse, Dipl.-Psych.
    54329 Konz, Albert-Schweitzer-Str. 7
    Tel.: 06501/15154
    Email: H.Heyse@ipcon.de

    Prof. Dr. Reinhold S. Jäger
    Zentrum für empirische pädagogische Forschung (zepf)
    der Universität Koblenz-Landau
    Bürgerstr. 23
    76829 Landau
    Tel. 06341-906-175
    Email: jaeger@zepf.uni-landau.de


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    Criteria of this press release:
    Law, Politics, Psychology, Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
    German


     

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