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08/08/2024 10:00

Realistischer Blick auf europäische Verbriefungen notwendig

Pascal Ausäderer Presse und Redaktion
ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

    Angesichts der drängenden globalen Herausforderungen, insbesondere des Klimawandels, müssen Unternehmen verstärkt in transformative Projekte investieren. Dabei ist eine bessere Verzahnung von Bankensystem und Kapitalmärkten in Europa entscheidend. Angesichts der Transformation der Wirtschaft muss die Mobilisierung von privaten Finanzmitteln gefördert werden, zum Beispiel über Verbriefungen. Eine Verbriefung ist der Prozess, bei dem Finanzforderungen oder Vermögenswerte gebündelt und in handelbare Wertpapiere umgewandelt werden.

    Auf die neue EU Kommission kommt eine große Aufgabe zu: sie muss die Kapitalmarktunion voran bringen. Das Vorhaben zur Stärkung der europäischen Kapitalmärkte samt Verbriefungsmärkten hat mehrere Jahre kaum Fortschritt gebracht. Eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim beleuchtet vor diesem Hintergrund das Marktpotenzial von Verbriefungen in Europa. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Erwartungen unrealistisch hoch sind. Die Autoren unterstreichen, dass Verbriefungen zwar ein wichtiges Instrument zur besseren Anbindung des europäischen Bankensystems an die Kapitalmärkte sind, aber an sich nicht die großen Treiber der grünen Transformation sein können. Die Politik sollte sich vielmehr darauf konzentrieren, die nötigen Voraussetzungen für Investitionen in der Realwirtschaft zu schaffen.

    „Im Vergleich zu grünen Anleihen bieten grüne Verbriefungen institutionellen Investoren die Möglichkeit, grüne Projekte direkt zu finanzieren. Dies ist insbesondere unter den Gesichtspunkten des Klimarisikomanagements und Klimareportings interessant. Fraglich ist allerdings, ob Banken auf kurzer bzw. mittlerer Sicht grüne Kredite überhaupt verbriefen und verkaufen möchten. So müssen Banken erstens selbst grüner werden. Zweitens ist der Verkauf von Krediten via Verbriefungen für Banken nur interessant, wenn die Möglichkeiten zur Kreditvergabe das übersteigt, was sie mit ihrer Eigenkapitalausstattung leisten können und wollen“, sagt Dr. Frank Brückbauer, Wissenschaftler des ZEW-Forschungsbereichs „Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte“. „Um den grünen Wandel zu beschleunigen, muss die Politik die notwendigen privaten Realinvestitionen überhaupt erst fördern, indem sie ein günstiges wirtschaftliches Umfeld und die richtigen Anreize, zum Beispiel über entsprechende CO₂-Preise oder Subventionen zur Entwicklung grüner Technologien, schafft. Dann erfolgt auch die entsprechende Finanzierung durch den Finanzsektor“, erklärt Dr. Karolin Kirschenmann, stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte“.

    Marktpotenzial europäischer Verbriefungen schwer zu bewerten

    Die Autoren betonen, dass sich das aktuelle Marktpotenzial europäischer Verbriefungen weder aus einem Vergleich zur Marktgröße vor der Finanzkrise noch zum US-amerikanischen Markt ableiten lässt. Seit der Finanzkrise werden europäische Verbriefungen mit den besten Ratings nicht mehr als sichere Anlagen gesehen. Sie gehören daher einem anderen, kleineren Marktsegment an. Vergleiche mit dem US-amerikanischen Markt können in die Irre führen, da dieser von Immobilienkrediten mit expliziter Staatsgarantie dominiert wird. Schließt man diese vom Vergleich aus, ergibt sich, dass der US-amerikanische Markt immer noch deutlich größer ist, die Differenz – und damit das Aufholpotential für den EU-Markt – aber deutlich kleiner ist. Die Politik sollte daher das Marktpotenzial europäischer Verbriefungen realistischer einschätzen.

    Verbriefungen für die grüne Transformation kein Selbstläufer

    Die Analyse legt weiterhin dar, dass für die grüne Transformation vor allem Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und an Haushalte von zentraler Bedeutung sind, wenn es um die bessere Verzahnung von Bankensystem und Kapitalmärkten mittels Verbriefung geht. Doch die Verbriefung von KMU-Krediten ist insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit detaillierter Informationen über die grüne Wirkung der zugrunde liegenden Kredite eine Herausforderung. Daher ist es wichtig, dass KMU bereit sind, die notwendigen Informationen bereitzustellen, um den Anforderungen der Kapitalmarktakteure gerecht zu werden. Im Vergleich zur Verbriefung von Krediten an Haushalte zur Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Eigenheime haben Banken mit Covered Bonds bereits ein kostengünstigeres Instrument zur strukturierten Finanzierung. Covered Bonds bieten eine günstigere Finanzierungsmöglichkeit als die Verbriefung solcher Kredite.

    Die Autoren kommen daher zu folgendem Schluss: beide Anlageklassen sind keine klaren Kandidaten für die Schaffung grenzüberschreitender Verbriefungsmärkte, wie sie von der Kapitalmarktunion vorgesehen und von den politischen Entscheidungsträgern/-innen gewünscht werden. Insgesamt erscheint das Narrativ des in der Kapitalmarktunion vorgesehenen Modells zur Wiederbelebung der europäischen Verbriefungsmärkte nicht sehr realistisch.


    Contact for scientific information:

    Dr. Karolin Kirschenmann
    Stellvertretende Leitung des Forschungsbereichs „Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte"
    Telefon +49 (0)621 181-351
    E-Mail karolin.kirschenmann@zew.de

    Dr. Frank Brückbauer
    Wissenschaftler im Forschungsbereich „Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte"
    Telefon +49 (0)621 181-148
    E-Mail frank.brueckbauer@zew.de


    Original publication:

    https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/policybrief/en/pb13-24.pdf


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Economics / business administration, Politics, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results
    German


     

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