idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/25/2024 12:02

Wie sich die Mikrostruktur von hochreaktiven Alkalimetallen in Festkörperbatterien bestimmen lässt

Caroline Link Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Forschungsteam aus Gießen, den USA und Kanada entwickelt einen Weg zur Aufklärung der Mikrostruktur von elektrochemisch gewachsenem Lithium- und Natriummetall – Kontrolle der Mikrostruktur entscheidend für Eigenschaften in Batterien

    Lithium- und Natriummetallanoden spielen für die weitere Entwicklung von leistungsfähigen Festkörperbatterien eine zentrale Rolle. Um die elektrochemischen Eigenschaften dieser hochreaktiven Alkalimetalle günstig zu beeinflussen, ist die Kenntnis ihrer Mikrostruktur notwendig. Erstmals konnte nun über eine an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam aus den USA und Kanada entwickelte Methode die Mikrostruktur der in einer Batterie abgeschiedenen Alkalimetalle aufgeklärt werden. Die Aufklärung der Mikrostruktur von Lithium oder Natrium ermöglicht gänzlich neue Ansätze, die Eigenschaften der Batterie zu beeinflussen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Materials“ veröffentlicht worden.

    Die Mikrostruktur von Metallen – also der innere Aufbau auf der Skala von einigen Nanometern bis zu einigen Mikrometern – kann entscheidend für deren elektrochemische Eigenschaften sein. Bei den meisten der heute technologisch genutzten Metalle ist diese Struktur intensiv untersucht, und in vielen Fällen können durch gezielte Kontrolle der Mikrostruktur ganz besondere Eigenschaften erreicht werden. Anders sah es bislang bei den Batterien genutzten Alkalimetallen Lithium und Natrium aus. Das liegt daran, dass diese Metalle chemisch sehr reaktiv sind. Ihre Oberflächen überziehen sich nahezu sofort in nahezu allen Umgebungen mit Korrosionsschichten, wodurch die Aufklärung ihrer Mikrostruktur unmöglich wird. Doch nun haben die Forscherinnen und Forscher aus Materialwissenschaft und Chemie der JLU, der University of California, Santa Barbara (USA) und der University of Waterloo (Kanada) erstmals einen Weg zur Bestimmung der Mikrostruktur sowohl von elektrochemisch abgeschiedenem Lithium- als auch Natriummetall demonstriert.

    Hierfür entwickelte das Gießener Team unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Janek vom Physikalisch-Chemischen Institut der JLU eine Kette von Präparations- und Untersuchungsschritten bei sehr tiefen Temperaturen und unter Schutzgas, an deren Ende die Bestimmung der lokalen Metallstruktur mittels sogenannter Elektronenrückstreubeugung steht. Das Team konnte mit dieser Methode zeigen, wie elektrochemisch gewachsene Metallschichten aus Lithium- und Natriummetall mit Dicken im Bereich von bis zu 100 Mikrometern aufgebaut sind. „Die Korngröße der erzeugten Schichten war für uns überraschend, und die Ergebnisse geben wichtige Hinweise auf den Wachstumsmechanismus“, so Janek, der auch Mitglied des Exzellenzclusters POLiS – Post Lithium Energy Storage ist. „Die Erkenntnisse zum Natriummetall werden darüber hinaus einen starken Impuls für die Arbeit in POLiS setzen, dessen Mission die Erforschung unter anderem von Natriumbatterien ist.“

    Mit der Entwicklung von Festkörperbatterien ist die Hoffnung auf besonders leistungsfähige, sichere und langzeitstabile elektrochemische Energiespeicher verbunden. Der Einsatz von keramischen festen Elektrolyten könnte es ermöglichen, Elektroden aus den Alkalimetallen Lithium und Natrium in Hochleistungsbatterien einzusetzen. Bislang gibt es allerdings noch Probleme beim Einsatz von Metallelektroden, insbesondere wegen der starken Neigung der Metalle zur Formveränderung bei der elektrochemischen Nutzung. Dies betrifft sowohl den Lade- als auch den Entladevorgang. So bilden sich zum einen Poren im Metall bei der Entladung einer Batterie. Bei der Abscheidung des Metalls im Ladeschritt kommt es hingegen oft zur Bildung von mikroskopisch kleinen Metallstrukturen, sogenannten Dendriten, die Kurzschlüsse erzeugen. Auf dem Weg zu leistungsfähigeren Feststoffbatterien, die mit herkömmlichen Lithiumionenbatterien konkurrieren können, soll das Lithiummetall (oder das Natriummetall) erst im ersten Ladeschritt überhaupt gebildet werden, um die kostenträchtige Handhabe von sehr reaktiven Alkalimetallfolien zu umgehen.

    Die Entwicklung von Festkörperbatterien wird seit etwa zehn Jahren durch intensive Forschungsarbeiten weltweit vorangetrieben; das Gießener Team um Prof. Janek gehört zu den weltweit führenden Arbeitsgruppen. Seit Jahren arbeitet Prof. Janek erfolgreich mit den Teams in Santa Barbara und Waterloo zusammen, die an dieser Studie maßgeblich beteiligt waren. „Die Abbildung der Mikrostruktur von Lithium und Natrium galt als sehr schwierig und war bisher nur selten berichtet worden – und dies auch nur von einfachen Folienoberflächen. Es ist den beiden Erstautoren unserer Studie nun auf Basis von sehr sorgfältigen Vorarbeiten gelungen, Lithium- und Natriumelektroden zu schneiden, dann im Querschnitt zu präparieren und mittels Elektronenrückstreubeugung abzubilden“, fasst Janek die Ergebnisse zusammen. „Dieser Erfolg ist nur durch die sehr konsequente Zusammenarbeit verschiedener Spezialistinnen und Spezialisten an der JLU und die hervorragende Ausstattung des Zentrums für Materialforschung gelungen. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen in Santa Barbara und Waterloo war für die richtige Materialauswahl mitentscheidend.“

    Beteiligt an der Studie waren folgende Forscherinnen und Forscher aus den Fachgebieten Materialwissenschaft und Chemie: Dr. Till Fuchs, Till Ortmann, Juri Becker, Maya Ziegler, Prof. Dr. Marcus Rohnke, Dr. Boris Mogwitz, Dr. Klaus Peppler und Prof. Dr. Jürgen Janek (alle JLU), Dr. Catherine G. Haslam und Prof. Dr. Jeff Sakamoto (beide University of California, Santa Barbara, USA), sowie Vipin Kumar Singh und Prof. Dr. Linda F. Nazar (beide University of Waterloo Kanada).

    Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat die Arbeit an Lithiumelektroden im Rahmen des Kompetenzclusters „FestBatt“ sowie der Deutsch-Amerikanischen Projektförderung finanziell unterstützt. Die Arbeit an Natriumelektroden wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (Exzellenzcluster POLiS).

    Zu den Autorinnen und Autoren

    Die Autorinnen und Autoren gehören zu den international führenden Forschenden in der physikalisch- und anorganisch-chemischen Materialforschung. Prof. Dr. Jürgen Janek leitet seit 1999 eine Arbeitsgruppe für Festkörperelektrochemie an der JLU. Er leitet außerdem das Zentrum für Materialforschung an der JLU und ist einer der beiden wissenschaftlichen Leiter des Labors BELLA am Karlsruher Institut für Technologie. Er ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und wurde erst jüngst für seine Arbeiten mit einer Ehrendoktorwürde der TU Delft und dem erstmalig vergebenen Greve-Preis der Leopoldina für grundlegenden wissenschaftliche Arbeiten an Materialien für Hochleitungsbatterien ausgezeichnet. Er ist Mitglied des Exzellenzclusters POLiS – Post Lithium Energy Storage (KIT und Universität Ulm, JLU als beteiligte Einrichtung).

    Prof. Dr. Jeff Sakamoto ist ein renommierter Experte für keramische Ionenleiter und deren mechanische Eigenschaften. Er leitet zwei Start-ups im Bereich der elektrochemischen Energiespeicher. Seit 2024 arbeitet er an der University of California in Santa Barbara, wo er eine Arbeitsgruppe leitet, die sich vor allem mit Elektrodenphänomenen in Festkörperbatterien beschäftigt. Prof. Sakamoto leitet in USA das DOE Energy Frontier Research Center (EFRC) mit dem Thema „Mechano-chemical Understanding of Solid Ion Conductors (MUSIC)“.

    Prof. Dr. Linda F. Nazar gehört zu den weltweit führenden Wissenschaftlerinnen im Bereich der Entwicklung neuer Materialien für Energiespeicher. Sie ist eine Pionierin auf dem Gebiet von Kathodenmaterialien für Lithiumionenbatterien und von Festelektrolyten für Festkörperbatterien. Die international vielfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin ist seit 2021 Liebig-Professorin an der JLU und bereits seit Jahren sehr eng mit der JLU und speziell dem Zentrum für Materialforschung verknüpft.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Janek
    Physikalisch-Chemisches Institut
    Justus-Liebig-Universität Gießen
    Telefon: 0641 99-34500
    E-Mail: juergen.janek@phys.chemie.uni-giessen.de


    Original publication:

    Imaging the Microstructure of Lithium and Sodium Metal in Anode-Free Solid-State Batteries using EBSD. Till Fuchs, Till Ortmann, Juri Becker, Catherine G. Haslam, Maya Ziegler, Vipin Kumar Singh, Marcus Rohnke, Boris Mogwitz, Klaus Peppler, Linda F. Nazar, Jeff Sakamoto & Jürgen Janek. Nature Materials (2024), online veröffentlicht am 23. September 2024
    www.nature.com/articles/s41563-024-02006-8


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars, Students
    Chemistry, Energy, Physics / astronomy
    transregional, national
    Cooperation agreements, Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).