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Nur erneuerbare Energien erfüllen die Kriterien für einen schnellen und widerstandsfähigen Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Stromversorgung in der Ukraine. Zu diesem Ergebnis ist ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von Prof. Dr. Marie-Louise Arlt von der Universität Bayreuth gekommen.
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What for?
Der Krieg in der Ukraine hat zu einer massiven Zerstörung der Infrastruktur des Landes geführt. Besonders betroffen ist das Stromnetz. Wegen der essenziellen Rolle für Krankenhäuser, die Grundversorgung, die Wirtschaft und auch das Militär ist ein schneller Wiederaufbau des Stromsystems entscheidend für die Wiederherstellung des normalen Lebens in der Ukraine. Die Ergebnisse der Studie können politischen Entscheidungsträgern und Finanzinstitutionen, die am Wiederaufbau der Ukraine beteiligt sind, als Grundlage für Investitionsentscheidungen dienen.
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Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 wurde systematisch das ukrainische Stromsystem, einschließlich der Großkraftwerke und des Übertragungsnetzes angegriffen. Ein internationales Forschungsteam, an dem Prof. Dr. Marie-Louise Arlt, Juniorprofessorin für Wirtschaftsinformatik und vernetzte Energiespeicher an der Universität Bayreuth sowie Mitglied im BayBatt, beteiligt war, hat nun eine umfassende und georeferenzierte Kartierung des ukrainischen Stromsystems vor dem Krieg und seiner Zerstörung im Kriegsverlauf erstellt. Das Team hat zudem das Potenzial für erneuerbare Energien in der Ukraine berechnet und analysiert, inwiefern diese die entstandenen Schäden ersetzen könnten.
Ihr Ergebnis: Seit Februar 2022 sind etwa 71 % der ukrainischen Stromerzeugungskapazität in Form von Kraftwerken beschädigt oder besetzt worden. Damit ist die Gesamterzeugungskapazität der Ukraine auf etwa ein Drittel des Vorkriegsniveaus gesunken. Besonders betroffen ist der östliche Teil des Landes, da sich hier die größten Stromerzeugungsanlagen befinden. Jedoch haben Angriffe auf die Strominfrastruktur einschließlich der Umspannwerke im ganzen Land stattgefunden.
„Unsere Studie analysiert das Ausmaß der Zerstörung des Stromsystems in der Ukraine und zeigt, welche zentrale Rolle erneuerbare Energien beim Wiederaufbau spielen können. Hierdurch werden nicht nur Abhängigkeiten minimiert und die Stromversorgung resistenter gegenüber Angriffen gemacht, es ist auch ein weiterer Schritt hin zur Energiewende“, sagt Prof. Arlt. Sie hat die in der Ukraine erhobenen Daten zusammen mit Forschenden der ETH Zürich und der TU München ausgewertet, interpretiert und visualisiert.
Großes Potenzial für erneuerbare Energien
Für den Wiederaufbau des Stromnetzes in der Ukraine haben die Forschenden vier Kriterien definiert: 1) Der Wiederaufbau der Erzeugungskapazität muss schnell gehen. 2) Die neue Infrastruktur muss widerstandsfähiger gegenüber Angriffen sein. Die bisherige Stromversorgung basierte auf großen, zentralen Kraftwerken, die leichte militärische Ziele darstellen. 3) Die neue Strominfrastruktur muss unabhängig von Brennstoffimporten wie Gas, Kohle oder Uran aus Russland sein. 4) Die neue Infrastruktur muss geringere Schadstoffemissionen haben als die bisherige und damit attraktiv für internationale Investoren sein. Diese vier Kriterien erfüllen für die Ukraine nur Wind- und Solarenergie, so die Forschenden.
Windenergieanlagen haben mit durchschnittlich zwölf Monaten eine deutlich kürzere Bauzeit als Kernkraftwerke mit 90 Monaten. Zudem ermöglicht der modulare Aufbau von Anlagen für erneuerbare Energien eine dezentrale Struktur des Stromsystems. Das verringert die Anfälligkeit für gezielte Angriffe. Auch der Import von Windturbinen und Solaranlagen ist unabhängig von Russland, und nach der Installation ist die Stromerzeugung gänzlich unabhängig von Importen. Ein weiterer Vorteil ist die Emissionsfreiheit der Stromerzeugung durch Wind und Sonnenenergie, wodurch die Ukraine zu einem attraktiveren Geschäftspartner für die EU- und OECD-Länder wird, insbesondere in Hinblick auf das CO2-Grenzausgleichssystem und CO2-Zertifikate.
Die Forschenden berechneten ein enormes Potenzial für Wind- und Sonnenenergie: Mit 219 Gigawatt potentieller installierter Leistung übersteigen die erneuerbaren Energien deutlich die bisherige ukrainische Erzeugungskapazität von 59 GW. Regional gesehen liegt das größte Potenzial für beide Technologien im Süden und Osten der Ukraine.
Die Ergebnisse der Studie entstanden zusammen mit Forschenden der ETH Zürich und der TU München sowie der Abteilung für elektrische Energietechnik der Iwano-Frankiwsk Nationalen Technischen Universität für Öl und Gas (IFNTUOG), Ukraine.
Prof. Dr. Marie-Louise Arlt
Juniorprofessur für Wirtschaftsinformatik und vernetzte Energiespeicher
Universität Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 / 55-4975
E-Mail: arlt@uni-bayreuth.de
Why Renewables Should Be at the Center of Rebuilding the Ukrainian Electricity System. Iryna Doronina, Marie-Louise Arlt, Marcelo Galleguillos Torres, Vasyl Doronin, Adrienne Grêt-Regamey, Tobias S. Schmidt, Florian Egli. Joule (2024)
DOI: https://doi.org/10.1016/j.joule.2024.08.014
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Energy, Environment / ecology
transregional, national
Research results
German
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