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Wissenschaft
Die Analyse des Stickstoffisotopenverhältnisses in Korallenskeletten offenbart starke dekadische Schwankungen der Ausdehnung der weltweit größten sauerstoffarmen Zone in den letzten 80 Jahren. Diese Dynamik macht sie voraussichtlich anfälliger für Klimaveränderungen, was erhebliche Auswirkungen auf die Meeresökosysteme hätte.
Für Millionen von Menschen sind die fischreichen Gebiete der tropischen Ozeane eine wichtige Nahrungsquelle. Sie tragen zur sozioökonomischen Stabilität vieler Länder bei. Allerdings kann gerade diese natürliche Fülle paradoxerweise auch Bedingungen schaffen, die für das Leben im Meer ungünstig sind. Dies liegt daran, dass die in riesigen Mengen gebildete Biomasse in die Tiefe absinkt und dort von Bakterien abgebaut wird.
Bei diesem Abbauprozess wird Sauerstoff verbraucht, so dass es in einigen hundert Metern Tiefe große Gebiete mit wenig oder keinem Sauerstoff gibt. Sie werden als sauerstoffarme Zonen bezeichnet. Die größte Sauerstoffmangelzone der Erde befindet sich im östlichen tropischen Pazifik und erstreckt sich von der mittelamerikanischen Küste nach Westen bis zum zentralen Pazifik.
Wie diese umfangreichen sauerstoffarmen Wassermassen und die darüber liegenden hochproduktiven marinen Ökosysteme gleichzeitig existieren können, ist seit langem ein wissenschaftliches Rätsel. Weltweit versuchen Forschende daher, die natürlichen Rhythmen und Größen- und Positionsschwankungen dieser Sauerstoffmangelzone zu verstehen.
In vielen Modellstudien wird die Befürchtung geäußert, die fortschreitende globale Erwärmung könne dazu führen, dass sich das Volumen der sauerstoffarmen Gewässer in den Weltmeeren aufgrund von Veränderungen der Meeresströmungen und der Löslichkeit von Sauerstoff vergrößert. Ob dieser Prozess bereits im Gange ist, ließ sich bisher nicht beurteilen, da es nur wenige Messreihen der Konzentrationen von gelöstem Sauerstoff in diesem abgelegenen Gebiet gibt.
Rekonstruktion des Sauerstoffgehalts im östlichen tropischen Pazifik der letzten 80 Jahre
Internationalen Forschenden des Max-Planck-Instituts für Chemie (Mainz, Deutschland) ist es nun in Zusammenarbeit mit der Universidad Autónoma de Baja California (Mexiko), der Scripps Institution for Oceanography (USA), des Senckenberg Naturmuseums (Deutschland) und der Princeton University (USA) gelungen, die Entwicklung des Sauerstoffgehalts im östlichen tropischen Pazifik in den letzten 80 Jahren zu rekonstruieren.
„Wir konnten anhand von Korallenbohrkernen mehrere Zeitreihen stabiler Stickstoffisotope aus den letzten 80 Jahren erstellen. Diese Daten zeigen, dass sich die sauerstoffarme Zone im östlichen tropischen Nordpazifik etwa alle zehn Jahre ausdehnt und zusammenzieht, viel häufiger als bisher angenommen“, so Alan Foreman, Postdoktorand am MPI für Chemie.
Über dieses natürliche Wachsen und Schwinden der sauerstoffarmen Zone im östlichen tropischen Nordpazifik berichteten die Forschenden kürzlich in der Fachzeitschrift Science. Sie schreiben, dass dekadische Klimaschwankungen im Pazifik die Größe der sauerstoffarmen Zone über Veränderungen der Stärke der Ostwinde steuern. Die enge Kopplung der Windstärke und der Ausdehnung der sauerstoffarmen Gewässer zeigt, dass die Sauerstoffmangelzonen dynamischer sind als bisher angenommen. Zudem könnten sie in den kommenden Jahrzehnten schnell auf Klimaveränderungen reagieren, was erhebliche Auswirkungen auf die Meeresökosysteme hätte.
Korallenskelette zeichnet die Sauerstoffkonzentration des Ozeans auf
Zu diesem Ergebnis gelangte das Forschungsteam anhand von geochemischen Parametern von Steinkorallen. Genauer gesagt nutzen sie als Indikator für die Sauerstoffkonzentration im Ozean das Stickstoffisotopenverhältnis organischer Stoffe, die im Skelett von Korallen eingeschlossen sind.
In den sauerstoffarmen Gewässern verändern komplexe bakterielle biologische Prozesse die Isotopenzusammensetzung von Nitrat. So entsteht eine Art geochemischer Fingerabdruck auf diesem für das darüber liegende Korallenriff-Ökosystem lebenswichtigen Nährstoff. Durch Vermischung und Diffusion wird das Nitrat aus der sauerstoffarmen Zone an die Oberfläche gebracht, wo es das Wachstums der Korallen unterstützt und als Stickstoff in ihrem Skelett konserviert wird. „In unserem Labor können wir die extrem geringen Mengen an Stickstoff analysieren, die in den Kalziumkarbonat-Kristallen des Korallenskeletts eingeschlossen sind, sodass wir Rückschlüsse darauf ziehen können, wie sich die Sauerstoff-Zirkulationszone in der Vergangenheit verändert haben könnte“, sagt Alfredo Martínez-García, Gruppenleiter der Forschungsgruppe für organische Isotopengeochemie am Max-Planck-Institut für Chemie.
Korallenproben aus dem mexikanischen Revillagigedo-Archipel
Die untersuchten Korallenskelette stammten von einer Expedition aus dem letzten Jahr zu den abgelegenen Inseln des Revillagigedo-Archipels im Pazifischen Ozean. Das zu Mexiko gehörende Archipel liegt geografisch neben der größten Tiefseezone der Welt.
Zusammen mit der Crew der Segelyacht Acadia der Mark and Rachel Rohr Foundation barg die Expedition mehrere Bohrkerne der Steinkoralle Porites, die auf dem felsigen Meeresboden der Inseln San Benedicto und Soccoro wächst. Das Korallenskelett entsteht durch die Kalziumkarbonat-Ausscheidungen von tausenden winzigen Tieren auf der Korallenoberfläche, den Polypen. Veränderungen in der Dichte der Ablagerungen im Jahresverlauf lassen helle und dunkle Bänder entstehen und machen sie so zu robusten chronologischen Markern. Anhand dieser Bänderung der Kalkschale konnte das Forschungsteam detaillierte Zeitreihen der Veränderung der sauerstoffarmen Zonen erstellen.
Zudem untersuchten die Forschenden Korallenbohrkerne, die zuvor von José Carriquiry (Universidad Autónoma de Baja California), Sara Sanchez (University of Boulder, Colorado) und Christopher Charles (Scripps Institution for Oceanography) gesammelt wurden.
Korallen sind Geschichtsbücher des Ozeans
„Mit unserer Korallensammlung können wir die Variabilität der sauerstoffarmen Gewässer im 20. Jahrhundert über ein Gebiet von Tausenden von Meilen mit großer Genauigkeit rekonstruieren. Für mich ist dies wie eine Bibliothek, in der jeder neue Korallenkern ein Buch ist, das eine Geschichte über unseren Ozean erzählt“, erklärt Nicolas Duprey, Hauptautor der Studie und Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Chemie. „Letztendlich besteht unsere Arbeit darin, jedes dieser Bücher zu entschlüsseln, um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf den Ozean zu verstehen und das Bewusstsein für dieses dringende Problem zu schärfen.“
Dr. Nicolas Duprey
Max-Planck-Institut für Chemie
E-Mail: n.duprey@mpic.de
Tel.: (+49)1520 89 11195
Dr. Alfredo Martínez-García
Max-Planck-Institut für Chemie
E-Mail: a.martinez-garcia@mpic.de
Tel.: (+49) 170 61 28921
Decadal oscillations in the ocean's largest oxygen-deficient zone
N. N. Duprey, A. D. Foreman, J. D. Carriquiry, C. D. Charles, S. C. Sanchez, H. Vonhof, F. Rubach, R. Rabenstein, M. Rohr, H. Reyes-Bonilla, D. Marconi, D. M. Sigman, G. H. Haug, A. Martínez-García
Science, November 29, 2024
https://www.science.org/doi/10.1126/science.adk4965
https://www.mpic.de/5622177/largest-oxygen-ocean-region-more-variable?c=3477744
Criteria of this press release:
Journalists
Environment / ecology, Oceanology / climate
transregional, national
Research results
German
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