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Wissenschaft
Der Untergrund könnte als Wärmequelle oder Wärmespeicher ein wichtiger Baustein der Energiewende sein. Um seine Eignung abzuschätzen, braucht es spezielle geophysikalische Daten der Erdschichten in der Tiefe von bis zu 1500 Metern. Im Auftrag des Fraunhofer IEG führt die DMT im Januar mit einem großen Messfahrzeug auf einer knapp 5000 Meter langen Strecke die notwendigen Messungen durch und fährt an drei Tagen vom Gewerbegebiet Mark51°7, durch Bochum-Hustadt und Universitätscampus bis nach Witten-Heven. Das BMWK fördert das Projekt mit rund 330.000 Euro.
Die Messung, in der Fachsprache Seismik genannt, ist Teil des wissenschaftlichen Projektes »VESTA CONTRAST«. Langfristig können die Daten helfen, den Energiemix der lokalen Fernwärmenetzen von fossilen auf nachhaltige Quellen umzustellen. Etwa indem Erdwärme direkt genutzt wird, oder indem saisonale Speicher für Überschusswärme im Untergrund eingerichtet werden.
Zwischen Auftraggeber Fraunhofer IEG, ausführender Spezialfirma DMT und genehmigendem Landesbergamt sind die Details der Messkampagne nun abgestimmt: Ab dem 6. Januar werden die Gegebenheiten vor Ort nochmals konkret begutachtet und es wird mit dem Auslegen der Messsensoren entlang der Strecke begonnen. Begleitend vermisst ein Messtrupp lokale Bodeneigenschaften (sog. Nahlinienmessung) an einem halben Dutzend Stellen entlang der 5 Kilometer langen Messstrecke. Die Hauptmessung ist erst ab dem 7. oder 8. Januar geplant. Der exakte Verlauf lässt sich erst Anfang Januar angeben, wenn Vermesser das Gebiet gesichtet haben. Die Anwohner finden die aktuellen Daten auf der Projektwebseite https://www.ieg.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/vesta-contrast.html .
»Auch wenn geophysikalische Messungen wie Seismik zum Standardwerkzeug der Geologen gehört, wissen wir, dass es für Anwohner ein außergewöhnliches Ereignis ist«, erklärt Messkampagnenleiter Dr. Oliver Ritzmann vom Fraunhofer IEG. Das Messfahrzeug erzeugt Vibrationen und Geräusche vergleichbar einer Wanderbaustelle und ist von Menschen in geschlossenen Räumen wahrnehmbar. »Die Vibrationen können zum Teil deutlich spürbar sein, sind aber in keinem Fall gesundheitsschädlich. Nach 20 bis 30 Minuten ist der Messwagen vorbeigezogen. Mein Team und ich begleiten die Messtage eng und beantworten auch alle Fragen vor Ort gerne.« Im Vorfeld hat Ritzmann die Messung mit dem Bergamt sowie den beteiligten Behörden abgesprochen. Auch wird das Team in den betroffenen Wohn- und Gewerbegebieten per Postwurfsendung zwischen den Jahren über Messungen und Ansprechpartner informieren. »Unsere beauftragten Dienstleister haben jahrelange Erfahrung und können auf alle Vorkommnisse reagieren.« Insbesondere wird die Messkampagne ständig auf Basis der Messverfahren DIN 4150-3 überwacht, sodass Schäden an Straßen, Gebäuden oder andere Infrastruktur praktisch ausgeschlossen sind. »Sobald die Geräte wahrnehmen, dass die Anhaltswerte der DIN-Verfahren überschritten werden, wird mit gedrosselter Leistung weitergemacht, ein kleineres Fahrzeug eingesetzt oder die Anregung gestoppt.« Sollte dennoch etwas passieren, werden Schäden selbstverständlich reguliert.
Das sogenannte Seismik-Verfahren ähnelt dem Echolot und schickt über große Rüttelplatten Vibrationen in die Tiefe, die an Erdschichten reflektiert werden (Vibrationsseismik). Geophone, spezielle Mikrofone, nehmen die großflächigen Reflexionen wieder auf. Die Analyse aller über mehrere Tage und auf einer Strecke von 5 Kilometern erhobenen Daten erschafft ein »Schallbild des Untergrundes«. Insgesamt sind für die Messung bis zu 500 Geophonstandorte im Abstand von bis zu 10 Meter entlang der Profillinie geplant. Die Linie verbindet grob das Gewerbegebiet Mark51°7 mit dem Stadtteil Witten-Heven und läuft durch die Bochum-Hustadt, den Campus der Ruhr-Universität, der Hochschule Bochum und des Fraunhofer IEG sowie am Kemnader See. Der ideale Weg liegt innerhalb eines rund 500 Meter breiten Korridors und wurde mit dem genehmigenden Bergamt abgestimmt und biete auch Alternativen, falls Witterung oder Unvorhergesehenes dieses notwendig machen. Die Rüttelplatte ist unter einem LKW (Vibrotruck) montiert, der langsam die Strecke abfährt und ca. alle 20 Meter ein Vibrationssignal in die Erde schickt. Die Anregungen dauern dabei bis zu 36 s und liegen in einem Frequenzbereich von bis zu 80 Hz.
»Der Untergrund des Ruhrgebietes ist nicht nur wegen der vielen ehemaligen Bergwergstrukturen interessant. Auch die natürlichen Sandsteine sind komplex gefaltet und geklüftet und zeugen von einer ereignisreichen tektonischen Geschichte«, begeistert sich Florian Hahn, Projektleiter VESTA am Fraunhofer IEG. »Wenn wir die tiefen Strukturen verstanden haben, haben die lokalen Energieversorger und Unternehmen eine bessere Datenbasis für die Nutzung in klimaneutralen Energiesystemen.« Zwar ist der Untergrund im Ruhrgebiet aufgrund der Bergbautradition bis in die Tiefen von ca. 1200 Metern gut bekannt, doch darunter gibt es noch viele weiße Flecken, die aber für eine geothermale Nutzung und Speicherung sehr interessant sein können: Je tiefer man bohrt, desto wärmer wird der Untergrund – im weltweiten Schnitt steigt die Temperatur um 3 Grad pro 100 Meter. In Deutschland hat Geothermie – sei sie tief oder oberflächennah - ein enormes Potenzial: Drei von vier Bestandsgebäuden in Deutschland könnten geothermisch beheizt werden. Gleichzeitig lässt sich jeweils ein Viertel der kommunalen Wärmenetze und des industriellen Prozesswärmebedarfs auf tiefe Geothermie umstellen, unterstreichen zwei einschlägige Roadmaps von Autoren der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft.
Das Projekt »VESTA-CONTRAST« wird ein Grundverständnis der geologischen Situation, Tektonikund des hydraulischen Regimes im Süden von Bochum erzeugen. Es erkundet geophysikalisch die gefalteten und geklüfteten Sandsteine des Erdzeitalters Karbon (300 Millionen Jahre) bis in 2000 Meter Tiefe. In rund 300 Millionen Jahren hat die Plattentektonik das Gestein stark gestaucht, sodass die Schichten ausgeprägte Sättel und Mulden bilden. Das Vorhandensein von natürlichem Thermalwasser und die Eignung als saisonaler Wärmespeicher dieser Strukturen sind für die Wärmewende von besonderem Interesse. Tiefe Geothermie wird bereits erfolgreich seit vielen Jahren zum Heizen von Haushalten und Betrieben in Metropolen wie München und Paris eingesetzt. »VESTA CONTRAST« macht einen ersten Schritt, um diese Möglichkeit auch für Bochum im Sinne eines Wärmespeicherprojektes zu öffnen.
Das Projekt »VESTA - Very-High-Temperature Heat Aquifer Storage« soll eine Konzeptstudie zur Nutzung des Bochumer Untergrundes für die Wärmewende erstellen. Projektpartner sind das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ, das Karlsruher Institut für Technologie, die SWM Service GmbH und EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Das Teilvorhaben »CONTRAST - CarBON TempeRAture Storage« führt die geophysikalische Messkampagne durch und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK unter dem Förderkennzeichen 03EE4033C mit rund 330.000 Euro gefördert.
Weiterführende Links
Projekt VESTA CONTRAST (ieg.fraunhofer.de)
https://www.ieg.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/vesta-contrast.html
Pressemeldung zum Projektstart:
https://www.ieg.fraunhofer.de/de/presse/pressemitteilungen/2024/vesta-contrast-k...
Roadmap Tiefe Geothermie:
https://www.ieg.fraunhofer.de/de/presse/pressemitteilungen/2022/erfolgreiche-wae...
Roadmap Oberflächennahe Geothermie:
https://www.ieg.fraunhofer.de/de/presse/pressemitteilungen/2022/oberflaechennahe...
Bildunterschrift
Die Geophone, die die reflektierten Schwingungen aus dem Untergrund aufnehmen, werden in Clustern entlang der Messstrecke verlegt. Bild: K.Schinarakis/Fraunhofer IEG
Oliver Ritzmann, oliver.ritzmann@ieg.fraunhofer.de
https://www.ieg.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/vesta-contrast.html
Geophone messen Signale bei seismischen Messkampagnen
K.Schinarakis
K.Schinarakis/Fraunhofer IEG
Sehr geehrte Redaktion, liebe Kolleginnen und Kollegen,
leider müssen wir unsere Pressemeldung vom Dienstag, den 17.12.2024 „Geothermie: Erkundungsmessung in Bochum startet im Januar 2025“ zurückziehen.
Der Start der Messkampagne „Vesta Contrast“ wird auf unbestimmte Zeit verschoben (Details siehe unten).
Wir bitten Sie auf ggf. eingeplante Berichterstattung bis auf weiteres zu verzichten.
Aktuelle Informationen für Anwohner halten wir weiterhin hier (https://www.ieg.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/vesta-contrast.html) bereit. Sobald ein neues Startdatum festgelegt, werden wir per Pressemeldung informieren.
Zum Hintergrund, Stand 20.12.2024:
Der rund 500 Meter breite Korridor, in dem gemessen werden soll, ist mit dem genehmigenden Bergamt abgestimmt. Die Detailplanung für die konkrete Messstrecke innerhalb des Korridors ist angestoßen. Um die Geologie des Untergrundes bestmöglich abzubilden, streben wir ein dichtes Messraster auch auf unbefestigten Wegen an. Da das schwere Messfahrzeug auch auf diesen unbefestigten Wegen eingesetzt werden soll, bedarf es gezielter Prüfung der stabilen Bodenverhältnisse im Korridor, um die Messung zuverlässig bei jeder Witterung durchführen zu können. Aufgrund der kurzfristig gestiegenen Anforderungen der gebotenen Prüfung, ist ein Messstart Anfang Januar nicht mehr zu gewährleisten. Wir wollen so transparent und frühzeitig wie möglich informieren. Bitte entschuldigen Sie, falls dies dazu führt, dass gelegentlich Informationen korrigiert werden müssen.
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Energy, Geosciences
regional
Miscellaneous scientific news/publications, Research projects
German
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