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12/19/2024 09:05

Spurensuche: Myokarditis nach gehäufter Parvovirus B19-Infektion

Karin Lange Wissenschaftskommunikation
Kompetenznetz Angeborene Herzfehler

    RKI und MYKKE identifizieren postpandemische Ringelrötelnwelle als Auslöser des Anstiegs von Myokarditis-Erkrankungen bei Kindern und erforschen Genom.

    Seit Sommer 2023 ist in Deutschland ein Anstieg von Myokarditis-Erkrankungen bei Kindern zu beobachten. Dahinter steckt offenbar das vermehrte Auftreten der an sich harmlosen Ringelröteln nach der Covid-19-Pandemie. Per Genomsequenzierung soll jetzt untersucht werden, warum es zugleich zu einer ungewöhnlichen Häufung an schweren Myokarditis-Verläufen besonders bei Babys und Kleinkindern kommt. Für die Ursachenforschung und eine bestmögliche medizinische Versorgung sind Register wie MYKKE unverzichtbar.

    Mehrere europäische Länder meldeten im Jahr 2024 plötzlich viele Fälle von Ringelröteln, auch bei Schwangeren. In Deutschland erreichte die Zahl der Infektionen im April 2024 einen Höhepunkt. Die neben Masern, Windpocken, Scharlach und Röteln als fünfte Krankheit bekannte Kindererkrankung wird durch das menschliche Parvovirus B19 (B19V) verursacht.

    Meist harmlos, aber nicht ganz ungefährlich

    Ringelröteln sind vor allem bei Kindern meist harmlos. Sie machen sich häufig mit Fieber und einem roten Hautausschlag im Gesicht bemerkbar, der sich auf Arme und Oberkörper ausbreitet. „Wer sich einmal damit angesteckt hat, ist sein Leben lang immun dagegen. Eine Infektion während der Schwangerschaft jedoch kann schwere Folgen haben, da sie zu Komplikationen bei den Föten bis hin zu einer Fehlgeburt führen können. Bei Kindern dagegen sind schwere Komplikationen sehr selten“, erläutert Franziska Seidel, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin der Klinik für Angeborene Herzfehler am Herzzentrum der Charité. In äußerst seltenen Fällen entwickele sich eine Myokarditis, eine Entzündung des Herzmuskelgewebes.

    Studie zeigt: Babys und Kleinkinder besonders gefährdet

    Kurz nach dem vermehrten Auftreten der Ringelröteln seit Ende 2023 wurde ein Anstieg von Myokarditis-Erkrankungen bei Kindern beobachtet, wie Teresa Nygren vom Robert-Koch-Institut (RKI) Ende November auf einer Fachkonferenz in Stockholm berichtete. Mehr als die Hälfte der von dieser seltenen Komplikation Betroffenen sind Babys und Kleinkinder unter zwei Jahren. Das geht aus der gemeinsamen Studie von RKI und MYKKE hervor, die in Stockholm erstmals vorgestellt wurde.

    Auf Grundlage der Daten des MYKKE-Registers aus derzeit 29 kinderkardiologischen Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz und mithilfe von Meldedaten sowie von Labordaten zu B19V-Infektionen der vom RKI ernannten Konsiliarlabore haben die Forschenden um Erstautorin Teresa Nygren untersucht, ob es sich bei den Myokarditis-Fällen um einen Ausbruch aufgrund von B19V handelte. „Der Verdacht hat sich bestätigt. Das gehäufte Auftreten der in der Regel äußerst seltenen Komplikation scheint mit der Ringelrötelnwelle zusammenzuhängen“, sagt MYKKE-Forscherin Franziska Seidel.

    Anstieg nach der COVID-19-Pandemie

    Die Ausbruchswelle erklären sich die Forschenden mit den geringen Infektionszahlen verschiedener Infektionskrankheiten während der vorangegangenen COVID-19-Pandemie sowie mit dem Anstieg der Infektionszahlen in der Zeit danach. Seit Sommer 2023 verzeichnete das Multizentrische Register für Kinder und Jugendliche bei Verdacht auf Myokarditis (MYKKE) einen Anstieg der durch Ringelröteln ausgelösten Herzmuskelentzündung.

    So zählte MYKKE von August 2023 bis einschließlich Mitte Dezember 2024 61 Kinder mit Parvovirus B19-Myokarditis. Zum Vergleich: In den zehn Jahren zuvor waren es pro Jahr im Durchschnitt 11 Patientinnen und Patienten. Zudem rechnen die Forschenden mit einer Dunkelziffer nicht erfasster Myokarditis-Fälle. Auch sei es noch nicht vorbei, wie Franziska Seidel erläutert: „Aufgrund der Verzögerung zwischen der B19V-Infektion und der Myokarditis ist von weiteren Fällen auszugehen. Erst im Dezember musste ein weiterer junger Patient stationär aufgenommen werden.“

    Besonders auffällig sind die schweren Krankheitsverläufe

    Was aus Sicht der Forschenden besonders auffällig ist, sind die schweren Krankheitsverläufe: „Die meisten der kleinen Patientinnen und Patienten, mehr als zwei Drittel, sind schwer krank. Bis dahin haben wir sehr viel seltener so ausgeprägte Entzündungen des Herzmuskels gesehen. Die Kinder haben eine deutlich eingeschränkte Funktion der linken Herzkammer. 14 von ihnen mussten aufgrund akuten Pumpversagens an eine mechanische Kreislaufunterstützung angeschlossen werden. Zwei Kleinkinder im Alter von eineinhalb Jahren haben die Myokarditis nicht überlebt. Zu Todesfällen kam es auch unter Patientinnen und Patienten, die nicht bei MYKKE registriert sind“, fasst Franziska Seidel die Lage zusammen.

    Genomsequenzierung soll Klarheit bringen

    Forscherinnen und Forscher am RKI versuchen daher derzeit, aus Gewebe- und Blutproben von bei MYKKE registrierten Patientinnen und Patienten das Genom des für die Ringelröteln verantwortlichen Parvovirus B19 zu isolieren. Eine Genomsequenzierung soll klären, ob sich das Genom des Virus möglicherweise verändert hat. „Das wäre eine Erklärung für die auffällige Schwere der Krankheitsverläufe, und ein wichtiger Anhaltspunkt sowohl für weitere Untersuchungen als auch für die bestmögliche medizinischer Versorgung“, so Franziska Seidel.

    Myokarditis frühzeitig erkennen

    Die Forscherinnen und Forscher empfehlen ihren pädiatrischen Kolleginnen und Kollegen, bei einer Infektion mit Ringelröteln besonders wachsam zu sein. Bereits im Sommer hatte MYKKE auch die zuständige Deutsche Gesellschaft für Kardiologie und angeborene Herzfehler (DGPK) einbezogen, die weitere medizinische Fachgesellschaften informierte. „Eine Herzmuskelentzündung kann leicht übersehen werden. Oft werden die Symptome auf die auslösende Infektion zurückgeführt“, sagt Franziska Seidel. Aufmerksam sollten auch Eltern werden, wenn bei ihren Kindern nach einer Ringelröteln-Erkrankung Symptome wie Abgeschlagenheit länger als üblich anhalten. „Ist die körperliche Schwäche danach noch stark ausgeprägt, sollte auf jeden Fall ärztlicher Rat eingeholt werden. Bei Kurzatmigkeit, Brustschmerzen und Herzrasen sollten die Kinder unbedingt kardiologisch untersucht werden.“


    Contact for scientific information:

    Teresa Nygren, Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie
    Fellow der Postgraduiertenausbildung für angewandte Epidemiologie (PAE)
    Tel.: +49 30 18754 3577, E-Mail: NygrenT@rki.de

    Dr. Franziska Seidel, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie, Deutsches Herzzentrum der Charité
    Tel.: +49 30 4593 28555, E-Mail: franziska.seidel@dhzc-charite.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Medicine
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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