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01/23/2025 09:15

Ausbau der Stromnetze: Finanzierung durch Privatinvestoren kommt Stromkund*innen fast doppelt so teuer wie durch Staat

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neue Studie

    Ausbau der Stromnetze: Finanzierung durch Privatinvestoren kommt Stromkund*innen fast doppelt so teuer wie durch den Staat

    Der für die Energiewende unerlässliche massive Ausbau der deutschen Stromnetze wird für private Stromverbraucher*innen und Unternehmen finanziell relativ herausfordernd, aber insgesamt tragbar, wenn die öffentliche Hand bei der Finanzierung eine zentrale Rolle einnimmt.

    Trotz des hohen Investitionsbedarfs von 651 Milliarden Euro bis 2045 würden die durchschnittlichen Netzentgelte im Falle einer öffentlichen Finanzierung nur moderat um 1,7 Cent pro Kilowattstunde (kWh) steigen, wobei die finanzielle Gesamtbelastung durch einen Verbrauch von 1.100 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2045 nicht zu unterschätzen ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie von Ökonomen der Universität Mannheim.*

    Fast doppelt so stark, um 3 Cent pro Kilowattstunde, müssen hingegen die Netzentgelte angehoben werden, wenn private Investoren das nötige Kapital zur Verfügung stellen. Denn diese verlangen deutlich höhere Renditen für ihren Kapitaleinsatz, wie langjährige Erfahrungen mit privat finanzierten Infrastrukturprojekten zeigen. Kurzfristig noch teurer wäre es für Privathaushalte und gewerbliche Verbraucher, wenn die Unternehmen, die die Übertragungs- sowie die lokalen Verteilungsnetze betreiben, den Ausbau aus ihren laufenden Einnahmen bezahlen müssten. Dann würden die durchschnittlichen Netzentgelte mit Beginn des Netzausbaus um 7,5 Cent pro Kilowattstunde steigen, haben die Studienautoren Prof. Dr. Tom Krebs und Dr. Patrick Kaczmarczyk berechnet (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM, Link unten; Details zu den Berechnungen unten). Zum Vergleich: 2021 betrugen die Netzentgelte, über die Stromabnehmer*innen sowohl den Netzbetrieb als auch Investitionen refinanzieren, im Mittel etwa 5,1 Cent/kWh. 2024 waren es 7,7 Cent.

    „Unsere Studie legt somit nahe, dass ein nachhaltiger und effizienter Ausbau der Stromnetze nur mit einer massiven Stärkung der Eigenkapitalbasis der Netzbetreiber möglich ist – und dies durch öffentliches Kapital erfolgen sollte, um die Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft zu minimieren und die Energiewende sozialverträglich und wirtschaftlich tragfähig zu gestalten“, lautet das Fazit von Krebs und Kaczmarczyk. „Trotz der hohen Investitionssummen, die bis 2045 in den Netzausbau fließen müssen, wäre die Energiewende damit finanzier- und realisierbar, ohne für soziale oder wirtschaftliche Verwerfungen zu sorgen.“

    Ganz anders sähe das aus, wenn die Kapitalbeschaffung im Wesentlichen über private Geldgeber wie Banken oder in- und ausländische Finanzinvestoren laufen würde, wie es beispielsweise der Ökonom Professor Lars Feld oder die Beratungsgesellschaft Deloitte in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vorgeschlagen haben. Durch die weitaus höheren Finanzierungskosten und die entsprechend stärkere Anhebung der Netzentgelte „bezahlen Wirtschaft und Gesellschaft jedes Jahr bis zu 14 Milliarden Euro zusätzlich für die Nutzung der Stromnetze, damit internationale Finanzinvestoren wie BlackRock hohe Renditen einfahren können“, warnen Krebs und Kaczmarczyk für dieses Szenario. Die Selbstfinanzierung durch die Netzbetreiber sei wegen des schnellen, drastischen Anstiegs der Netzentgelte erst recht „keine ökonomisch sinnvolle Option.“ Die Studie zeigt, so Christina Schildmann, Leiterin der Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, wie wichtig die Diskussion darüber ist, welche Rolle der Staat beim Ausbau von Infrastrukturen spielen soll, die für die Transformation essenziell sind.

    -Forscher durchleuchten drei aktuell diskutierte Szenarien-

    Den Investitionsbedarf von insgesamt 651 Milliarden Euro bis 2045 haben die Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler kürzlich in einer ebenfalls von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Vorläuferstudie auf Basis der aktuellen Netzausbaupläne zum Erreichen der Klimaziele ermittelt. In der neuen Untersuchung kommen sie nun zu dem Ergebnis, dass es für die Bezahlbarkeit der Energiewende einen entscheidenden Unterschied macht, wie genau der Netzausbau finanziert wird. Dazu haben sie drei Szenarien durchgerechnet, die aktuell diskutiert werden:

    Im ersten Finanzierungsszenario erfolgt eine Ausweitung der Eigenkapitalbasis der Netzbetreiber mit öffentlichem Kapital und eine zusätzliche Aufnahme von Fremdkapital, um die notwendigen Neuinvestitionen zu finanzieren. Dafür könnte sich der Staat etwa über die staatliche Förderbank KfW oder eine neu gegründete Infrastrukturgesellschaft an großen Netzbetreibern beteiligen, bis hin zu einer vollständigen Übernahme, was deren Eigenkapital vergrößern würde. Aktuell muss der Bund 2,5 Prozent Zinsen für dazu notwendige Kredite bezahlen. Krebs und Kaczmarczyk kalkulieren in ihren Berechnungen mit einem öffentlichen Fremdkapitalzins von 3 Prozent und einer moderaten öffentlichen Eigenkapitalrendite von ebenfalls 3 Prozent, weil die öffentliche Hand hauptsächlich gemeinwohlorientiert und nicht gewinnorientiert agieren sollte. Dieser finanzielle Vorteil kann an die privaten und gewerblichen Stromkund*innen durchgereicht werden, was den Anstieg der Netzentgelte auf die bereits genannten 1,7 Cent/kWh begrenzen würde. Mit der Schuldenbremse ist das staatliche Engagement in dieser Konstellation laut den Ökonomen vereinbar.

    Im zweiten Szenario wird ebenfalls die Eigenkapitalbasis der Netzbetreiber ausgeweitet und zusätzliches Fremdkapital aufgenommen, aber das Eigenkapital wird von privaten Finanzinvestoren bereitgestellt. Bei dieser Finanzierungsoption veranschlagen die Ökonomen in ihrer Berechnung eine Eigenkapitalverzinsung von 9 Prozent und Fremdkapitalkosten von 4 Prozent, wodurch sich ein gewichteter Kapitalzinssatz von 6 Prozent ergibt – in etwa ein Prozentpunkt über dem Niveau, das die Bundesnetzagentur derzeit veranschlagt. Der in der Studie verwendete Eigenkapitalzins orientiert sich an den Renditen von privaten Investoren bei bereits realisierten Infrastrukturprojekten, die zuletzt zwischen 8 und 10 Prozent betrugen. Private Investoren begründen happige Aufschläge auf ihre eigenen Kreditkosten mit Ausfallrisiken, die ihnen bei Großprojekten entstünden. Allerdings forderten Finanz- und Energiewirtschaft gleichzeitig regelmäßig staatliche Absicherungen, kritisieren Kaczmarczyk und Krebs. Das sei widersprüchlich und ökonomisch nicht sinnvoll. Im konkreten Szenario belaste eine Privatfinanzierung völlig unnötig private und gewerbliche Stromverbraucher*innen, deren Netzentgelte um 3 Cent/kWh steigen.

    Im dritten Szenario wird kein zusätzliches Eigenkapital und kein zusätzliches Fremdkapital aufgenommen, so dass die notwendigen Neuinvestitionen aus eigenen Mitteln der Netzbetreiber finanziert werden müssen (Selbstfinanzierung). Diese Option erfordert einen sofortigen Anstieg der Netzentgelte um 7,5 Cent/kWh, denn der Aufschlag muss zeitgleich mit den Investitionsausgaben erfolgen, während die ersten beiden Finanzierungsoptionen eine zeitliche Entkopplung der Einnahmen aus Netzentgelten und Ausgaben für Neuinvestitionen ermöglichen. Zwar würde in Szenario drei der Aufschlag auf die Netzentgelte im Laufe der Zeit deutlich zurückgehen und nach 2045 wieder auf das Ausgangsniveau fallen, während er in Szenario eins und zwei dauerhaft nötig wäre. Allerdings „wären die drastischen, kurzfristigen Anstiege der Netzentgelte bis 2037 für Unternehmen und Haushalte kaum tragbar“, warnen die Ökonomen der Universität Mannheim. „Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen wären voraussichtlich verheerend.“


    Contact for scientific information:

    Christina Schildmann
    Leiterin Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung
    Tel.: 0211-7778-194
    E-Mail: Christina-Schildmann@boeckler.de

    Patrick Kaczmarczyk, PhD
    Universität Mannheim, Abteilung Volkswirtschaftslehre
    Tel.: 0157-84461960
    E-Mail: patrick.kaczmarczyk@uni-mannheim.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Original publication:

    *Patrick Kaczmarczyk, Tom Krebs: Finanzierungsoptionen für den Stromnetzausbau und ihre Auswirkungen auf die Netzentgelte. IMK Study 98, Januar 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009039

    Die PM mit Abbildung (pdf): https://www.boeckler.de/data/pm_fofoe_2025_01_23.pdf


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Economics / business administration, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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