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Wissenschaft
Fledermäuse haben die Fähigkeit, Corona- und andere Viren zu tolerieren, ohne daran zu erkranken. Dies ist auf besondere Anpassungen ihres Immunsystems zurückzuführen. Im Rahmen des „Bat1K“-Projekts hat nun ein internationales Forschungsteam hochqualitative Genome von Fledermäusen erstellt, um diese Adaptionen zu analysieren. Die heute im renommierten Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie zeigt, dass Fledermäuse mehr genetische Anpassungen in Immun-Genen aufweisen als andere Säugetiere. Die Ergebnisse könnten helfen, neue medizinische Ansätze zur Bekämpfung von Viruserkrankungen zu entwickeln.
Fledermäuse faszinieren durch ihre Besonderheit. Als die einzigen Säugetiere, die fliegen können, spielen sie eine wichtige Rolle im Ökosystem: Sie bestäuben Pflanzen, verbreiten Samen und tragen durch ihre Fressgewohnheiten zum Gleichgewicht in der Insektenpopulation bei. Durch ihre außergewöhnliche Orientierung mithilfe von Ultraschall-Echoortung sind sie perfekt an ihre nächtliche Lebensweise angepasst. „Darüber hinaus sind Fledermäuse auch für die medizinische Forschung von großem Interesse: Die Analyse ihres Immunsystems und ihrer einzigartigen Virentoleranz kann wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Therapien und Medikamente liefern“, erklärt Prof. Dr. Michael Hiller, Sprecher des ehemaligen hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik sowie Professor für Vergleichende Genomik an der Goethe-Universität und am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, und fährt fort: „Sie sind außerdem bekannt dafür, zahlreiche Viren in sich zu tragen, darunter auch solche, die auf den Menschen übertragbar sind – wie Coronaviren. Interessanterweise zeigen Fledermäuse bei Infektionen mit solchen Viren aber keine Krankheitssymptome.“
Hiller hat gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam im Rahmen des „Bat1K“-Projekts hochqualitative Genome von zehn Fledermausarten sequenziert, darunter Arten, die als Träger von Corona- und anderen Viren bekannt sind. „Die Fähigkeit von Fledermäusen virale Infektionen zu kontrollieren und dabei nicht krank zu werden, sind vermutlich auf besondere Anpassungen ihres Immunsystems zurückzuführen. Um festzustellen, welche Gene daran beteiligt sind, haben wir unter Verwendung der neuen Fledermausgenome insgesamt 115 Genome anderer Säugetiere analysiert und deren Gene systematisch nach Anzeichen von genetischen Anpassungen durchsucht“, erläutert Hiller. Solche Anpassungen lassen sich als Spuren von positiver Selektion nachweisen und können auf Funktionsänderungen hindeuten.
Das Ergebnis der umfangreichen Analyse zeigt, dass Fledermäuse im Vergleich zu anderen Säugetieren deutlich häufiger derartige Anpassungen in Immun-Genen aufweisen. Dr. Ariadna Morales, Erstautorin der Studie, ehemals LOEWE-TBG und heute Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, betont: „Unsere Untersuchungen zeigen, dass der gemeinsame Vorfahre aller Fledermäuse eine unerwartet hohe Anzahl von Immun-Genen mit Selektionssignaturen aufweist. Dies deutet darauf hin, dass die Evolution des Fledermaus-Immunsystems eng mit der Entwicklung der Flugfähigkeit verbunden sein könnte.“
Besonderes Augenmerk legte das Forschungsteam auf das Gen ISG15, das beim Menschen mit einem schweren Verlauf von COVID-19 in Verbindung gebracht wird. Dort fanden sich bei den untersuchten Fledermäusen wichtige Änderungen in den Proteinsequenz. Experimente in Zelllinien, die von Prof. Dr. Aaron Irving von der Zhejiang University School of Medicine in China und Prof. Dr. Arinjay Banerjee von der University of Saskatchewan in Kanada durchgeführt wurden, zeigten, dass das ISG15-Gen von einigen Fledermäusen die Produktion von SARS-CoV-2-Viren um 80 bis 90 Prozent reduzieren kann. Im Gegensatz dazu zeigt ISG15 aus dem menschlichen Genom kaum antivirale Wirkung in diesem Experiment.
„Das Gen ISG15 ist also vermutlich einer von mehreren Faktoren, die zur Viruserkrankungsresistenz bei Fledermäusen beitragen“, fasst Hiller zusammen und weiter: „Auf diesen vielversprechenden Resultaten lassen sich weitere experimentelle Untersuchungen aufbauen, die notwendig sind, um die einzigartigen Anpassungen des Fledermaus-Immunsystems zu entschlüsseln.“
Die Studie unterstreicht das Potenzial, neue Erkenntnisse für den Umgang mit viralen Erkrankungen durch die Erforschung von Fledermaus-Genomen zu gewinnen. Zusammen mit anderen „Bat1K“-Forschenden wird sich Hiller dieser Frage im Rahmen eines ERC Synergy Grant widmen. Die Ergebnisse könnten langfristig zu innovativen Strategien in der Medizin führen.
Prof. Dr. Michael Hiller
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. 069 7542 1398
michael.hiller@senckenberg.de
Ariadna E. Morales et. al. (2025): Bat genomes illuminate adaptations to viral tolerance and disease resistance. https://www.nature.com/articles/s41586-024-08471-0
Auch das Genom der Java-Hufeisennasen-Fledermaus (Rhinolophus affinis), einem Träger von Coronaviren ...
Burton Lim
Burton Lim, Royal Ontario Museum
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Medicine
transregional, national
Research results
German
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