idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Durch die Kombination von Konzepten aus der statistischen Physik mit maschinellem Lernen haben Forscher der Universität Bayreuth gezeigt, dass sich nun hochpräzise und effiziente Vorhersagen darüber treffen lassen, ob eine Substanz unter bestimmten Bedingungen flüssig oder gasförmig ist. Über ihre Ergebnisse berichten sie in der renommierten Fachzeitschrift Physical Review X.
---
What for?
Dass Flüssigkeiten stabile Oberflächen bilden, ohne weiter zu verdunsten, ist eine alltägliche Erfahrung. Bei der Betrachtung eines Wasserglases wird offensichtlich, dass das Wasser in zwei klar unterscheidbaren Phasen existiert: flüssig und gasförmig. Schon bei Raumtemperatur verdunsten ständig Wassermoleküle von der Oberfläche des flüssigen Wassers und gehen in die Gasphase über. Gleichzeitig kondensieren einige der Wassermoleküle aus dem Gas wieder in die Flüssigkeit. Der Übergang von einer Phase in die andere hängt von Temperatur und Druck ab. Oberhalb einer kritischen Temperatur verschwindet die gleichzeitige Koexistenz von Gas und Flüssigkeit. Das entstehende sogenannte überkritische Fluid bildet keine Grenzfläche mehr, was für industrielle Prozesse wie Trennung, Reinigung und Produktion wichtig ist. Die genaue Vorhersage des Drucks und der Temperatur, also des Siedepunkts, bei denen dieser grundlegende Phasenübergang stattfindet, liefert ein umfassendes Bild der zugrundeliegenden Physik und damit ein tiefes Verständnis vielfältiger Begleitphänomene, die auch in der Industrie eine Rolle spielen.
---
Unter bestimmten Bedingungen kann Wasser gleichzeitig flüssig und gasförmig sein, zum Beispiel bei der Wolkenbildung: Je nach Temperatur kondensiert Wasserdampf in der Luft zu Tröpfchen. Die Theorie der Phasentrennung erklärt, warum und wie sich eine Flüssigkeit und ihr Dampf in zwei verschiedene Phasen aufspalten können - flüssig und gasförmig. Experimentelle Beobachtungen von Thomas Andrews im späten 19. Jahrhundert wiesen auf die Existenz einer kritischen Temperatur hin und kurz darauf beschrieb Johannes Diderik van der Waals (Nobelpreis 1910) die Phasentrennung anhand eines einfachen theoretischen Modells. Van der Waals' Theorie der Phasentrennung hat Lehrbuchcharakter, beruht jedoch auf groben Näherungen. Es bleibt schwierig vorherzusagen, ob eine Substanz unter gegebenen Bedingungen flüssig oder gasförmig sein wird. Moderne statistische Theorien wie die klassische Dichtefunktionaltheorie gehen viel weiter, beruhen jedoch ebenfalls auf schwer kontrollierbaren Näherungen. Dr. Florian Sammüller und Prof. Dr. Matthias Schmidt vom Lehrstuhl für Theoretische Physik II der Universität Bayreuth haben gemeinsam mit dem britischen Physiker Prof. emeritus Robert Evans FRS, dem Begründer der klassischen Dichtefunktionaltheorie, einen neuen Ansatz entwickelt, der präzise Vorhersagen des Phasenübergangs ermöglicht. Dies gelang ihnen durch die Kombination von theoretischer Physik und einem neuronalen Netz – einem Computermodell, das aus künstlichen „Nervenzellen“ besteht, die miteinander verbunden sind und Informationen verarbeiten.
In ihrer Studie kombinierten die Forscher die leistungsfähige theoretische Beschreibung mit der Genauigkeit von Computersimulationen. Die Eingangsdaten des neuronalen Netzes werden dabei entsprechend einer von Evans 1979 formulierten „funktionalen Beziehung“ verknüpft, wonach alle Eigenschaften eines Systems allein durch die Teilchendichte bestimmt werden. „Bisher waren funktionale Beziehungen der Modellierung durch physikalische Intuition und der Arbeit mit Stift und Papier vorbehalten. Maschinelles Lernen ermöglicht es nun, die damit verbundenen Einschränkungen zu überwinden und die Genauigkeit enorm zu verbessern. Eine Fülle von Annahmen, die seit van der Waals nur vermutet werden konnten, lassen sich nun quantitativ untersuchen und überraschenderweise größtenteils sehr eindeutig bestätigen“, sagt Schmidt.
Die verwendete hybride Methodik, die maschinelles Lernen und Fluidtheorie kombiniert, bietet breites zukünftiges Anwendungspotenzial in der vielseitigen Modellierung des Verhaltens von Substanzen und der in ihnen auftretenden Phänomene, wie etwa der Benetzung von Substraten, dem Kapillarverhalten in Poren oder Entmischungsphänomenen. „Die theoretische Physik, insbesondere die statistische Mechanik von Fluiden, bietet eine Fülle konkreter Tests in Form rigoros gültiger Gleichungen, mit denen sich die Qualität von KI-Vorhersagen beurteilen und letztlich kontrollieren lässt“, ergänzt Sammüller.
Prof. Dr. Matthias Schmidt
Lehrstuhl für Theoretische Physik II
Universität Bayreuth
Tel.: 0921 / 55-3313
E-Mail: Matthias.Schmidt@uni-bayreuth.de
Florian Sammüller, Matthias Schmidt, Robert Evans. Neural density functional theory of liquid-gas phase coexistence. Phys. Rev. X 15, 011013 (2025).
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevX.15.011013
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Chemistry, Physics / astronomy
transregional, national
Research results
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).