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02/14/2025 11:00

Ein neuer Schalter für die Zelltherapie der Zukunft

Franziska Schmid Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

    ETH-Forschende haben einen neuen Genschalter entwickelt, der mit einem handelsüblichen Nitroglyzerin-Pflaster auf der Haut aktiviert werden kann. Mit solchen Schaltern möchten die Forschenden dereinst Zelltherapien gegen verschiedene Stoffwechselkrankheiten starten.

    Der Körper reguliert seinen Stoffwechsel jederzeit und sehr präzise. So überwachen beispielsweise spezialisierte Zellen der Bauchspeicheldrüse laufend den Blutzuckerspiegel. Steigt dieser nach einer Mahlzeit an, setzt der Körper eine Signalkaskade in Gang, um den Blutzucker zu senken.

    Bei Diabetiker:innen funktioniert diese Regulation nicht mehr optimal. Die Betroffenen haben zu viel Zucker im Blut. Sie müssen ihren Blutzuckerspiegel messen und sich Insulin spritzen, um ihn zu regulieren. Das ist im Vergleich zu dem, was der Körper leistet, ziemlich unpräzise.

    Zellen mit Spezialfunktionen ausstatten

    Martin Fussenegger, Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel, und sein Team arbeiten deshalb seit langem an Zelltherapien. Sie sollen es eines Tages ermöglichen, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes individuell und präzise zu behandeln oder gar zu heilen.

    Und so funktionieren solche Zelltherapien: Die Forschenden modifizieren menschliche Zellen, indem sie ihnen ein Netzwerk von Genen einbauen, das die Zellen mit speziellen Fähigkeiten ausstattet. Diese Zellen werden Menschen implantiert, zum Beispiel unter die Haut. Ein spezifischer Reiz von aussen schaltet das Netzwerk an.

    Auf einen geeigneten Schalter kommt es an

    Dazu haben die Forscherinnen und Forscher in den vergangenen Jahren verschiedene Varianten von Schaltern entwickelt. Manche lassen sich elektrisch steuern, andere mit Licht, einer sogar mit Musik der britischen Rockgruppe Queen.

    Nun haben die Basler Forschenden eine weitere Variante entwickelt und in der Fachzeitschrift Nature Biomedical Engineering vorgestellt.

    «Diese Lösung ist für mich der beste Genschalter, den meine Gruppe und ich bisher gebaut haben», betont Fussenegger. Dies, weil sich der Schalter mit Nitroglyzerin, einem seit langem bewährten Wirkstoff, auslösen lässt und weil die Anwendung – ein Pflaster auf die Haut kleben – denkbar einfach ist. Entsprechende Pflaster in verschiedenen Grössen kann man schon heute in jeder Apotheke kaufen.

    Vom Pflaster aus dringt das Nitroglycerin rasch in die Haut ein und trifft dort auf ein Implantat, das modifizierte menschliche Nierenzellen enthält.

    Stickstoffmonoxid startet Netzwerk

    Diese Zellen fangen das Nitroglycerin gezielt ab. Ein in sie eingebautes Enzym wandelt es in das natürliche Signalmolekül Stickstoffmonoxid (NO) um. NO sorgt im Körper normalerweise dafür, dass sich die Blutgefässe erweitern und der Blutfluss verstärkt wird. Nach wenigen Sekunden wird es bereits abgebaut; NO wirkt daher nur sehr lokal.

    Die implantierten Zellen sind so verändert, dass NO dort die Produktion und Freisetzung des Botenstoffs GLP-1 auslöst, der wiederum die Insulinausschüttung der Betazellen der Bauchspeicheldrüse verstärkt und so den Blutzuckerspiegel reguliert. Zudem löst GLP-1 ein Sättigungsgefühl aus, was die Nahrungsaufnahme reduziert.

    Der neue Schalter ist ausschliesslich aus menschlichen Bestandteilen zusammengesetzt, enthält also keine Bauteile anderer Arten. «Das ist bahnbrechend und neu», sagt Fussenegger. Bei artfremden Komponenten bestehe immer die Gefahr von Fehlschaltungen, Interferenzen mit körpereigenen Prozessen oder Immunreaktionen. «Das können wir hier ausschliessen.»

    Ein ganzes Arsenal von Schaltern entwickelt

    Der ETH-Professor hat in den letzten zwanzig Jahren verschiedene Varianten von Genschaltern entwickelt. Einige reagieren auf physikalische Auslöser wie Strom, Schallwellen oder Licht. Welcher hat die besten Chancen, dereinst umgesetzt zu werden?

    «Physikalische Auslöser sind interessant, weil wir dabei keine Moleküle verwenden müssen, die mit körpereigenen Vorgängen interferieren», sagt der Biotechnologe. Elektrische Signale seien ideal, um Schalter und Gen-Netzwerke mit tragbarer Elektronik wie Smartphones oder Smartwatches zu steuern. Dann könne man auch KI integrieren. «Ich glaube daher, dass elektrogenetische Zelltherapien die besten Chancen haben, umgesetzt zu werden. Bei den chemischen Schaltern sehe ich die neue Lösung in der Poleposition», sagt Fussenegger.

    Aber: Die Weiterentwicklung solcher Genschalter-basierter Zelltherapien ist komplex und langwierig. «Um eine Zelltherapie zur Marktreife zu bringen, braucht man Jahrzehnte, viel Personal und ausreichende Mittel», sagt der Forscher. «Eine Abkürzung gibt es nicht.»

    Bisher hat sich Fussenegger vor allem mit Zelltherapien gegen Diabetes beschäftigt. Das ist eine der häufigsten Stoffwechselerkrankungen weltweit. Jeder zehnte Mensch ist davon betroffen. «Das ist unsere Modellkrankheit, mit der wir arbeiten. Grundsätzlich ist es aber auch möglich, Zelltherapien für andere Stoffwechsel-, Autoimmun- oder auch neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln – im Prinzip für alles, was dynamisch reguliert werden muss.»

    Viele Medikamente seien wie ein Hammer, mit dem man blind auf ein Problem einschlage. «Zelltherapien hingegen lösen das Problem auf eine ähnliche Weise wie der Körper», sagt Fussenegger.


    Contact for scientific information:

    Prof. Dr. Martin Fussenegger, ETH Zürich, martin.fussenegger@bsse.ethz.ch


    Original publication:

    Mahameed M, Xue S, Danuser B, Charpin-El Hamri G, Xie M, Fussenegger M: Nitroglycerin-responsive gene switch for the on-demand production of therapeutic proteins, Nature Biomedical Engineering, 14. Februar 2025, doi: 10.1038/s41551-025-01350-7


    More information:

    https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2025/02/neuer-schalter...


    Images

    Ein Nitroglyzerin-Pflaster als Schalter für ein unter der Haut sitzendes Zelltherapie-Implantant (Symbolbild)
    Ein Nitroglyzerin-Pflaster als Schalter für ein unter der Haut sitzendes Zelltherapie-Implantant (Sy ...
    ETH Zürich
    ETH Zürich


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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