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Wissenschaft
Ein internationales Team von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD), der Nanjing University, des Songshan Lake Materials Laboratory (SLAB) und weiterer Partner hat eine neue Methode zur gezielten Kontrolle exotischer elektronischer Zustände in zweidimensionalen Materialien entwickelt.
Aufbauend auf ihren früheren Arbeiten zu verdrehten Van-der-Waals-Materialien hat das Team nun eine neuartige Möglichkeit entdeckt, korrelierte elektronische Zustände in zwei verdrehten Doppellagen von Wolframdiselenid (TDB-WSe₂) zu manipulieren. Dieser Durchbruch eröffnet neue Perspektiven für die Entwicklung fortschrittlicher Quantenmaterialien und -bauelemente.
Durch das präzise Verdrehen zweier Doppellagen von WSe₂ um nahezu 60 Grad sowie das Anlegen eines senkrechten elektrischen Feldes ist es den Forschenden gelungen, die Wechselwirkung zwischen zwei charakteristischen elektronischen Bändern – den K-Valley- und Γ-Valley-Bändern – gezielt zu steuern. Diese Manipulation führte zur Beobachtung eines „Valley-Ladungstransfer-Isolators“, eines exotischen Zustands, in dem die Bewegung der Elektronen stark korreliert ist und die elektrische Leitfähigkeit unterdrückt wird.
„Diese Arbeit zeigt, dass wir die elektronischen Phasen von Materie durch die Valley-Freiheitsgrade steuern können – eine neue ‚Stellschraube‘ zur Anpassung der Materialeigenschaften“, erklärt Lei Wang, Professor für Physik an der Nanjing University und Hauptautor der Studie. „Unsere Ergebnisse liefern ein tieferes Verständnis darüber, wie korrelierte Isolatorzustände gezielt eingestellt werden können, was für zukünftige Quantentechnologien von entscheidender Bedeutung ist.“
Die Möglichkeit, diese korrelierten Zustände ohne Änderungen der chemischen Zusammensetzung oder das Einbringen von Unordnung zu kontrollieren, stellt einen bedeutenden Fortschritt dar. Bisher war eine solche Kontrolle oft nur durch Materialmodifikationen oder starke Magnetfelder erreichbar. Die von dem Team entwickelte Methode bietet eine deutlich einfachere und reversible Alternative, indem elektrische Felder genutzt werden, um die relative Position der elektronischen Bänder einzustellen. Zudem konnte eine neuartige Form eines flachen Bands im Γ- Valley beobachtet werden.
Die Studie zeigt, dass durch das Verschieben des K-Valley-Bands über die Γ-Valley-Hubbard-Bänder mittels Gate-Steuerung ein kontinuierlicher Übergang von einem Mott-Hubbard-Isolator zu einem Valley-Ladungstransfer-Isolator realisiert werden kann. Diese einstellbare Dynamik eröffnet neue Wege zur Erforschung bislang unerforschter Quantenphasen mit potenziellen Anwendungen in Supraleitern, Quantencomputern und weiteren zukunftsweisenden Technologien.
Die Arbeit, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, ist das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit und unterstreicht die wachsende Bedeutung verdrehter Van-der-Waals-Materialien in der Quantenmaterialforschung.
„Das ist erst der Anfang“, sagt Lede Xian, Professor und Gruppenleiter der Max-Planck-Partnergruppe am SLAB. „Unsere Forschung eröffnet neue Wege zur Untersuchung und Nutzung stark korrelierter Materialien, die essenziell für die nächste Generation von Quantentechnologien sind.“
„Diese Entdeckung bietet neue Möglichkeiten zur Kontrolle von Materie auf atomarer Ebene“, ergänzt Ángel Rubio, Direktor der Theorie-Abteilung am MPSD. „Wir sind gespannt auf mögliche Anwendungen und darauf, welche einzigartigen Funktionalitäten sich daraus entwickeln lassen.“
Weitere Fortschritte in der Entwicklung von Moiré-Materialien könnten zu neuartigen, einstellbaren Materialeigenschaften führen, die mit herkömmlichen Methoden schwer zu realisieren sind – und so die Grenzen der Materialwissenschaft weiter verschieben. „Wir befinden uns hier in einer äußerst interessanten Situation, in der Änderungen in der strukturellen Ausrichtung zu einer neuen Art von korrelierten Phänomenen führen“, schließt Rubio.
Diese jüngste Arbeit verdeutlicht den rasanten Fortschritt des Forschungsfeldes und knüpft an die bahnbrechenden Erkenntnisse früherer Studien des Teams zu verdrehten Van-der-Waals-Materialien (siehe hier) an. Während Wissenschaftler*innen weiterhin neue Mechanismen der Kontrolle entdecken, bleibt das Potenzial für innovative Anwendungen in der Quanteninformatik, energieeffizienten Elektronik und darüber hinaus enorm und vielversprechend.
Angel Rubio
Geschäftsführender Direktor MPSD
angel.rubio@mpsd.mpg.de
Daniel A. Rhodes
Department of Materials Science and Engineering, University of Wisconsin, Madison, WI, USA
darhodes@wisc.edu
Lede Xian
Songshan Lake Materials Laboratory, Dongguan, Guangdong, China
Max Planck Institute for the Structure and Dynamics of Matter, Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), Hamburg, Germany
Tsientang Institute for Advanced Study, Hangzhou, Zhejiang, China
xianlede@sslab.org.cn
Valley charge-transfer insulator in twisted double bilayer WSe2
L. Wei, Q. Li, M. U. Rehman, Y. He, D. An, S. Li, K. Watanabe, T. Taniguchi, M. Claassen, K. S. Novoselov, D. M. Kennes, A. Rubio, D. A. Rhodes, L. D. Xian, G. Yu, L. Wang
Nature Communications 16 (1), 1185 (2025)
https://dx.doi.org/10.1038/s41467-025-56490-w
Veranschaulichung einer verdrehten Doppelschicht aus Wolframdiselenid, bei der die korrelierte Physi ...
Joerg Harms / MPSD
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Physics / astronomy
transregional, national
Scientific Publications
German
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