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02/20/2025 11:13

Säureblocker auf Abwegen

Dr. Sibylle Kohlstädt Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum

    Säureblocker aus der Gruppe der Protonenpumpen-Inhibitoren (PPIs) sind vielverkaufte Medikamente, die Magenbeschwerden vorbeugen und lindern. PPIs werden an den säureproduzierenden Zellen des Magens aktiviert und blockieren dort die Säureproduktion. Forschende vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) machten die überraschende Entdeckung, dass auch Zink-tragende Proteine, wie sie in allen Zellen vorkommen, PPIs aktivieren können – ganz ohne die Anwesenheit von Magensäure. Das Ergebnis könnte ein Schlüssel zum Verständnis der Nebenwirkungen der PPIs sein.

    Ein Zuviel an Magensäure kann Sodbrennen verursachen, aber auch chronische Beschwerden, etwa eine Magenschleimhautentzündung oder gar ein Magengeschwür. Zur Behandlung wird vom Arzt meist ein Protonenpumpeninhibitor (PPI) verschrieben, oft auch als Säureblocker bezeichnet. Beispiele sind die Wirkstoffe Pantoprazol, Omeprazol oder Rabeprazol. PPIs binden und blockieren ein Enzym in den Belegzellen des Magens, die sogenannte Protonenpumpe, und reduzieren so die Magensäureproduktion effektiv.

    PPIs sind sogenannte Prodrugs, d.h. sie werden als inaktive Vorstufe eingenommen. Ihre Aktivierung zum eigentlichen Wirkstoff wird durch Protonen angestoßen. Die Anwesenheit vieler Protonen ist das Kennzeichen einer Säure. Die Protonenpumpe in der Darmwand liefert die Protonen für die Ansäuerung der Magenflüssigkeit. Da in der unmittelbaren Umgebung der Protonenpumpe eine besonders hohe Konzentration an Protonen herrscht, werden die PPIs vor Ort aktiviert. Die Protonen-abhängige Aktivierung sorgt dafür, dass PPIs praktisch nur die Protonenpumpe angreifen und lahmlegen, so zumindest die bisherige Lehrmeinung.

    Auch wenn die vorübergehende Einnahme von PPIs in aller Regel sehr gut verträglich ist und als unbedenklich gilt, birgt die langjährige Einnahme gesundheitliche Risiken. Unter anderem wird in der Fachliteratur ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Demenz und Infektanfälligkeit diskutiert. Deshalb stellt sich die Frage, ob PPIs auch außerhalb des Magens aktiviert werden und andere Proteine beeinflussen, also unabhängig von einer Umgebung mit hoher Protonen-Konzentration.

    Forschende um den Biochemiker Tobias Dick und den Chemiker Aubry Miller, beide am DKFZ, haben sich dieser Frage gemeinsam angenommen. Sie nutzten die sogenannte Click-Chemie, eine Strategie zur Markierung von Molekülen, die vor drei Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie verfolgten damit den Wirkstoff Rabeprazol, ein typischer Vertreter der PPIs, in menschlichen Zellen in der Kulturschale, abseits eines sauren Milieus.

    Dabei machte das Team eine überraschende Beobachtung: Der PPI wurde im pH-neutralen Inneren der Zellen aktiviert und verband sich dort mit Duzenden von Proteinen. Die weitere Analyse zeigte, dass es sich dabei um Zink-bindende Proteine handelt. „Das hat uns zu der Hypothese geführt, dass Protein-gebundenes Zink zu einer Aktivierung von PPIs führen kann, ganz unabhängig von der Anwesenheit von Protonen“, erklärt die Biologin Teresa Marker, Erstautorin der Publikation.

    Die Forschenden konnten im Verlauf weiterer Untersuchungen zeigen, dass Protein-gebundenes Zink tatsächlich mit dem PPI eine chemische Bindung eingeht, die dann zur Aktivierung des PPI führt. Der aktivierte PPI ist hochreaktiv und verbindet sich an Ort und Stelle mit dem Zink-tragenden Protein. Das wiederum stört Struktur und Funktion des angegriffenen Proteins.

    „Aus chemischer Sicht macht dieses Ergebnis Sinn, denn Zink kann die Wirkung von Protonen nachahmen und sich wie eine Säure verhalten“, erklärt der Chemiker Aubry Miller vom DKFZ.

    Unter den Zink-tragenden Proteinen, die am stärksten durch den PPI angegriffen wurden, haben einige eine Funktion im Immunsystem. Ob der neu entdeckte Aktivierungsmechanismus mit den bekannten oder vermuteten Nebenwirkungen von PPIs in Verbindung steht, muss aber erst noch in weiteren Studien untersucht werden. „Diese Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven, um die Nebenwirkungen von PPIs besser zu verstehen“, resümiert Tobias Dick.

    Publikation:
    Marker T, Steimbach RR, Perez-Borrajero C, Luzarowski M, Hartmann E, Schleich S, Pastor-Flores D, Espinet E, Trumpp A, Teleman AA, Gräter F, Simon B, Miller AK, Dick TP (2025) Site-specific activation of the proton pump inhibitor rabeprazole by tetrathiolate zinc centers. Nature Chemistry, doi: 10.1038/s41557-025-01745-8

    Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

    Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

    Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
    Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
    Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
    Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
    DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
    Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

    Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

    Ansprechpartner für die Presse:

    Dr. Sibylle Kohlstädt
    Pressesprecherin
    Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsches Krebsforschungszentrum
    Im Neuenheimer Feld 280
    69120 Heidelberg
    T: +49 6221 42 2843
    E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de
    E-Mail: presse@dkfz.de
    www.dkfz.de


    Original publication:

    Marker T, Steimbach RR, Perez-Borrajero C, Luzarowski M, Hartmann E, Schleich S, Pastor-Flores D, Espinet E, Trumpp A, Teleman AA, Gräter F, Simon B, Miller AK, Dick TP (2025) Site-specific activation of the proton pump inhibitor rabeprazole by tetrathiolate zinc centers. Nature Chemistry, doi: 10.1038/s41557-025-01745-8


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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