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Wissenschaft
Neue Studie
Frauen kommen bei längeren, karriereförderlichen Weiterbildungen seltener zum Zug
Bei Weiterbildungen, die der Karriere nutzen, kommen Frauen seltener zum Zug als Männer, zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.* Das kann die ohnehin bestehenden Nachteile von Frauen auf dem Arbeitsmarkt verstärken, erst recht in der aktuellen Umbruchsituation.
Frauen nehmen insgesamt etwas häufiger an betrieblicher Weiterbildung teil als Männer. Aber: Sie absolvieren häufiger kürzere Maßnahmen, die weniger karrierefördernd sind. Sie erhalten dabei seltener finanzielle und zeitliche Unterstützung durch das Unternehmen. Männer hingegen profitieren häufiger von längeren Fortbildungen und werden dabei stärker von Vorgesetzten gefördert. Das ist das Ergebnis der Analyse von Dr. Yvonne Lott, Magdalena Polloczek und Dr. Eileen Peters im neuen Gleichstellungsreport, den das WSI heute im Vorfeld von Equal-Pay-Day und Internationalem Frauentag vorlegt. Die Sozialwissenschaftlerinnen haben eine repräsentative Befragung ausgewertet, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung alle zwei Jahre durchgeführt wird, zuletzt von Juli 2022 bis März 2023. Die vorliegende Studie zum Weiterbildungsverhalten bezieht sich auf die Angaben von rund 6000 Erwerbspersonen.
„In Zeiten tiefgreifender Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt ist Weiterbildung eine wichtige Voraussetzung für stabile Erwerbsverläufe. Umso wichtiger ist es, Frauen einen gleichberechtigten und vor allem karriereförderlichen Zugang zur Weiterbildung zu ermöglichen, um die ohnehin bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt nicht zu verschärfen“, ordnet Prof. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, die Befunde ein.
Bei Frauen in Vollzeit liegt die Teilnahmequote an betrieblicher Weiterbildung laut Befragung bei rund 66 Prozent. Zum Vergleich: Bei vollzeitbeschäftigten Männern beträgt sie rund 59 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass in Bereichen mit überwiegend weiblichen Beschäftigten wie zum Beispiel dem Gesundheits- und Sozialwesen die Weiterbildung häufiger gesetzlich vorgeschrieben ist als in männerdominierten Bereichen etwa in der Industrie. Gleichzeitig nehmen Frauen mit 47 Prozent deutlich häufiger an kürzeren, nur wenige Stunden dauernden Weiterbildungen teil als Männer mit 39 Prozent. Bei den längeren, mehrtägigen Weiterbildungen liegt die Quote der Männer bei 29 Prozent gegenüber knapp 21 Prozent bei den Frauen. Kurze Fortbildungen dienen vor allem dazu, neue Arbeitsmethoden einzuführen oder vorhandenes Wissen aufzufrischen, „ohne jedoch die Karriere maßgeblich voranzubringen“, schreiben die Forscherinnen. „Längere Weiterbildungen, die sich über mehrere Tage erstrecken, vermitteln hingegen tiefer gehenden fachlichen Input und Wissen, was die Aufstiegschancen tatsächlich erhöhen kann.“
Besonders förderlich für den beruflichen Aufstieg ist die Unterstützung durch Vorgesetzte: Während 20 Prozent der Männer angeben, von ihren Vorgesetzten zu Weiterbildungsmaßnahmen ermutigt worden zu sein, sagen dies nur 15 Prozent der Frauen. Außerdem werden Männer etwas häufiger finanziell und zeitlich von ihrem Arbeitgeber unterstützt. Frauen hingegen ergreifen deutlich häufiger selbst die Initiative zur Weiterbildung. Dies deute darauf hin, dass sie auf diese Weise versuchen, fehlende Unterstützung zu kompensieren – und dass es nicht, wie bisweilen unterstellt, an Interesse oder beruflichem Engagement mangelt, erklären die Wissenschaftlerinnen. 29 Prozent der befragten Frauen nennen Eigeninitiative als einen der wichtigsten Gründe für Weiterbildung, bei den Männern sind es 24 Prozent.
Besonders schwierig ist die Lage für Mütter: Sie sind der Doppelbelastung von Beruf und Familie stärker ausgesetzt als Väter. Aufgrund familiärer Verpflichtungen verzichten 39 Prozent von ihnen auf Weiterbildung, aber nur 22 Prozent der Väter. Zusätzlich werden Mütter bei der betrieblichen Weiterbildung am seltensten von ihren Vorgesetzten unterstützt. Dies fällt insbesondere im Vergleich zu Vätern und kinderlosen Männern auf.
Teilzeitbeschäftigte erhalten seltener Unterstützung von ihrem Arbeitgeber als Vollzeitbeschäftigte. Davon sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Allerdings haben Frauen in Teilzeit häufig mehr familiäre Verpflichtungen und sind daher stärker auf zeitliche Unterstützung während der Arbeitszeit oder auf Freistellung angewiesen, um an Weiterbildungen teilnehmen zu können. Insgesamt nehmen Frauen in Teilzeit am häufigsten an kürzeren und am seltensten an mehrtägigen Weiterbildungen teil.
Um Ungleichheiten im Bereich der Weiterbildung abzubauen, empfehlen die Forscherinnen:
- Die Unterstützung für Eltern auszubauen, zum Beispiel durch flexiblere Arbeitszeiten und mehr Selbstbestimmung.
- Mehr betriebliche Angebote zur Kinderbetreuung zu schaffen, zusätzlich zum Ausbau von Kita- und Ganztagsbetreuung durch den Staat.
- Gesetzliche Ansprüche zu schaffen, damit Weiterbildung nicht allein vom Wohlwollen des Arbeitgebers abhängt.
- Die bisherigen Vorschlagsrechte von Betriebsräten bei der Weiterbildung zu Mitbestimmungs- und Initiativrechten auszubauen. Damit könnten Betriebsräte gezielter auf die Weiterbildung benachteiligter Beschäftigter hinwirken.
- Weiterbildungsverbünde zu stärken. Das sind Netzwerke, in denen sich mehrere Betriebe einer Region zusammenschließen, um in der Weiterbildung zu kooperieren.
Dr. Eileen Peters
WSI-Expertin für Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt
Tel.: 0211-7778-604
E-Mail: Eileen-Peters@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Yvonne Lott, Magdalena Polloczek, Eileen Peters: Und es gibt ihn doch! Der Gender Training Gap bei betrieblichen Weiterbildungen, WSI-Report Nr. 101, März 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009080
Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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