idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/05/2025 15:32

„Frauen müssen nicht in Ordnung gebracht werden“: RPTU-Forscherin über die Ursachen der Geschlechterungleichheit

Julia Reichelt Universitätskommunikation
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau

    „Frauen sind das Problem“ – dieses unausgesprochene Narrativ zieht sich seit Jahrzehnten durch die Arbeitswelt. Unzählige Initiativen und Programme sollen Frauen „fit“ für die Karriere machen. Doch was wäre, wenn das Problem nicht die Frau, sondern das System ist? In diesem Sinn fordert Professorin Anja Danner-Schröder dazu auf, stattdessen eingefahrene Strukturen und Handlungsgewohnheiten zu verändern. Dazu hat sie den Podcast „The Fix“ analysiert, der Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt diskutiert. Gemeinsam mit zwei Wissenschaftskolleginnen hat sie die Episoden aus praxistheoretischer Perspektive erkundet und die Erkenntnisse im Fachmagazin „Organization Studies“ publiziert.

    Seit zwei Jahrzehnten rückt die Frage der Geschlechter(un)gleichheit immer stärker in den Fokus – sowohl in wissenschaftlichen Kreisen als auch in öffentlichen Initiativen. „Oft wird dabei versucht, Frauen ‚fit‘ für die Berufswelt zu machen“, erklärt Anja Danner-Schröder, Inhaberin des Fachgebiets „Management Studies“ an der RPTU. „Sie sollen selbstbewusster werden, sich besser verkaufen und sogar ihre Geburten strategisch planen, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes zu genügen. Doch genau hier liegt das Problem: Diese Initiativen gehen davon aus, dass Frauen ‚repariert‘ werden müssen, anstatt das System zu hinterfragen!“

    Geschlechterungleichheit ist keine gegebene Realität, sondern ein Handlungsmuster, das durch kollektive und kontinuierliche Wiederholung aufrechterhalten wird. Dort gilt es anzusetzen: „Wir müssen Alltagshandlungen, die Ungleichheit immer weiter fortführen, endlich aufbrechen und verändern, das erfordert Arbeit und Mut von allen Beteiligten,“ erklärt die Wissenschaftlerin.

    Etablierte Narrative über Bord werfen

    Der in der Studie analysierte Podcast „The Fix“ von Michelle Penelope King geht genau diesen Schritt weiter. In Gesprächen mit Forscherinnen, Politikerinnen, Schauspielerinnen, Gründerinnen und Führungskräften entlarvt King das Narrativ, dass Geschlechterungleichheit durch die „Reparatur“ von Frauen behoben werden könne. Stattdessen lenkt sie den Fokus darauf, wie das System verändert werden muss, um echte Gleichberechtigung zu schaffen.

    Anhand von über 200 Episoden zeigt „The Fix“, wie tief verwurzelte Strukturen und alltägliche Praktiken zur Reproduktion von Ungleichheit beitragen. Ob in der Luftfahrtbranche, wo der Anteil an Pilotinnen nur fünf Prozent beträgt, weil unflexible Dienstpläne Frauen mit Betreuungsverantwortung ausbremsen, oder in Unternehmen, in denen Frauen trotz aller Bemühungen weiterhin „einer von den Jungs“ sein müssen.

    Ein weiteres Beispiel für systemische Ungleichheit ist, dass Frauen und marginalisierte Gruppen ihr Verhalten oft anpassen, um Vorurteilen zu entgehen. Sie versuchen, „alle ein gutes Gefühl bezüglich ihres Erfolgs haben zu lassen“ oder „andere mit ihrer Autorität nicht zu verunsichern“. Diese Mikroanpassungen summieren sich zu einem belastenden Alltag. „In der Forschung wird dies als ‚death by a million cuts‘ beschrieben“, so Anja Danner-Schröder, „ein Sinnbild dafür, wie viele kleine Benachteiligungen eine große Wirkung entfalten.“

    Wie es anders funktionieren kann, zeigt der Podcast ebenfalls auf: Das Beispiel Islands, wo Vaterschaftsurlaub zur Normalität gehört und Elternschaft als geschlechterübergreifende Aufgabe verstanden wird, zeigt, wie ein systemischer Wandel aussehen kann. Ein weiteres Beispiel aus dem Podcast zeigt auf, dass Allianzen mit männlichen Kollegen wichtig sein können: Statt nur zuzusehen, wenn Frauen am Arbeitsplatz diskriminiert werden, können männliche Kollegen durch kleine Aktionen wie das Ansprechen von problematischen Kommentaren bereits viel bewirken.

    Der Weg zum Erfolg führt über das System

    Sprich, die Gleichstellung der Geschlechter kann nicht allein Aufgabe der Frauen sein. Sie erfordert das Zusammenwirken aller Akteure, die das System der Arbeitswelt bestimmen und prägen. „Wir argumentieren, dass sich das Verständnis dessen, was Geschlechterungleichheit ist, verschieben muss. Ebenso wichtig ist es, noch besser zu verstehen, was Geschlechterungleichheit bewirkt und wie sie das tut. Es braucht eine praxisbezogene Perspektive, die sich auf Alltagshandlungen fokussiert“, sagt Anja Danner-Schröder.

    Dieser Prozess der Systemkorrektur erfordert es aus ihrer Sicht nicht nur, eigenes Handeln zu hinterfragen und zu ändern, sondern auch Stellung zu beziehen und Bewusstsein zu schaffen, indem wir sichtbare und verborgene Praktiken in Frage stellen, neue Praktiken etablieren und weiterentwickeln. Letztlich ist es der systemische Ansatz, der nachhaltigen Erfolg bringt. Wer den Mut hat, etablierte Muster zu hinterfragen, öffnet sich nicht nur für neue Chancen, sondern schafft auch ein Umfeld, in dem alle Beteiligten langfristig erfolgreich sein können.

    Die Studie “Media Review: The Fix Podcast–Immersing Ourselves in the Practice of Gender (In)Equality ist ein Gemeinschaftswerk von RPTU-Professorin Anja Danner-Schröder, Corinna Frey-Heger, Rotterdam School of Management, Erasmus University, Netherlands, und Kathrin Sele, Aalto University School of Business, Finland.

    Sie ist einsehbar unter: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/01708406241310000


    Images

    Criteria of this press release:
    Journalists
    Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).