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Branchenanalyse vorgestellt
Backwarenbranche kämpft mit Herausforderungen, Fachkräftemangel und hoher Arbeitsbelastung, zuletzt positiver Trend bei Azubis
Die Backwarenbranche in Deutschland steckt im Strukturwandel. Der trifft in besonderer Weise das Bäckereihandwerk. Während dieses seit Jahren schrumpft, expandiert die Brotindustrie. Insgesamt hat die traditionsreiche Branche mit Herausforderungen zu kämpfen, aber es gibt auch positive Anzeichen. Das zeigen erste Ergebnisse des neuen „Bäckerei-Monitors“.
Dabei handelt es sich um eine umfassende Branchenanalyse und Beschäftigtenbefragung, die die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fördert.* Vorgestellt werden die Befunde heute auf einer Pressekonferenz der NGG in Berlin (Link zu weiteren Materialien und Zitaten zur PK unten).
Während der Gesamtumsatz der Backwarenbranche mit ihren 282000 Beschäftigten infolge einer zunehmenden Dominanz von Großfilialisten und Brotindustrie auf 21,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 gestiegen ist, hat die Zahl der Betriebe des Bäckereihandwerks allein in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent abgenommen. Seit 2014 sind 20000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Gleichzeitig stieg der Anteil an Teilzeitkräften unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigen in der Branche von 30 auf 39 Prozent. Seit 2022 stabilisiert sich der Markt: Die Zahl der Beschäftigten hat – parallel zur sich erholenden Geschäftsentwicklung vieler Betriebe – bis 2024 insgesamt um 2000 Beschäftigte zugenommen.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs ist seit 2022 jedoch weiter rückläufig (-6500), das Wachstum ist allein auf eine Zunahme von Minijobs zurückzuführen (+8500). Diese Entwicklung sehen sowohl Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, als auch Studienautor Dr. Stefan Stracke und die Gewerkschaft kritisch, weil sie eine Verschiebung hin zu weniger stabilen und tendenziell schlechter abgesicherten Arbeitsverhältnissen zeigt.
-Lichtblicke nach Abwärtstrend im Bäckerhandwerk-
Doch es gibt aktuell auch Lichtblicke für den Handwerksberuf. Mehr junge Menschen wollen wieder in Bäckereien arbeiten: Bei den Bäcker*innen-Azubis gab es 2024 ein Plus von 11,4 Prozent, bei den Fachverkäufer*innen im Bäckerhandwerk sogar von 22,5 Prozent. In den Jahren zuvor war die Zahl der Auszubildenden in der Branche hingegen stetig rückläufig.
-Beschäftigte beklagen hohe Arbeitsintensität-
Laut Beschäftigtenbefragung werden Arbeitsintensität und körperliche Anforderungen insgesamt als hoch eingeschätzt. 86 Prozent der Befragten erleben oft bzw. sehr häufig Zeitdruck und Stress. Ebenfalls 86 Prozent berichten, dass oft oder sehr häufig Personal fehle. „Sehr hohe Belastungen, die u.a. auf den Personalmangel und auf Zeitdruck und Stress zurückzuführen sind, erleben vor allem Verkäufer*innen in Filialen“, berichtet Studienleiter Stracke von wmp consult. „Hier sind die Arbeitgeber gefragt, Maßnahmen zu ergreifen, um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern. Wir beobachten, dass einige Betriebe schon dabei sind, sich zu modernisieren und auf Bedürfnisse ihrer Arbeitnehmenden eingehen. Aber gerade in diesem Bereich muss künftig noch viel mehr getan werden.“
-Personal- und Fachkräftemangel: Zuwanderung als Chance-
Nach Auskunft von Interviewten bleibt der Personal- und Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen in der Branche. Um Personal zu finden, haben einige Betriebe des Bäckerhandwerks ihren Suchradius bei der Rekrutierung von Auszubildenden nach Südostasien und Nordafrika ausgeweitet. Während sich die Zahl der Auszubildenden im Backgewerbe allein in den letzten zehn Jahren fast halbiert hat (2024: 8500 Auszubildende), steigt sie bei Auszubildenden mit ausländischer Herkunft. Rund ein Viertel der Auszubildenden hat einen Migrationshintergrund, vor zehn Jahren waren es weniger als 9 Prozent.
-Verlagerung von Nacht- auf Tagarbeit-
„Eine potenzielle Maßnahme, um die Arbeitsbedingungen und Attraktivität gerade des Bäckereihandwerks nachhaltig zu verbessern, wäre die Verlagerung von Prozessen von der Nacht- in die Tagproduktion“, so Stracke. Einige Betriebe hätten dies schon erfolgreich umgesetzt. Helfen könne dabei zum Beispiel Schockfrostung und Gärunterbrechung sowie Veränderungen der Teigführung. „Dadurch können die Teige schon tagsüber vorbereitet und geknetet werden, nachts wird dann nur noch gebacken“, erläutert Stracke. Eine wesentliche Voraussetzung im Bereich klassischer Handwerksbäckereien sei der Einsatz moderner Kältetechnik. Laut Interviewten sei eine solche Verlagerung von Prozessen in der Breite eher noch selten zu beobachten. Auch hier gebe es jedoch eine Reihe von positiven Beispielen.
Zur Bewältigung des Personal- und Fachkräftemangels seien darüber hinaus umfassendere Strategien erforderlich, die die Attraktivität von Arbeitgebern und Berufsbildern stärken, betont Christina Schildmann. Als wesentliche Bausteine dafür hebt Branchenexperte Stefan Stracke bessere Bedingungen u.a. in Bezug auf Entgelt, Planbarkeit der Arbeitszeiten, Überstundenausgleich, flexible Work-Life-Balance-Angebote, lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle, Gesundheitsvorsorge, Entwicklungs- und Karriereperspektiven, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die Arbeitsatmosphäre hervor.
-Zentrale Ergebnisse des Backwaren-Monitors 2025, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der NGG-
Beschäftigte: Rund 282000 Menschen arbeiten 2024 in der Backwarenbranche, darunter 81000 Minijober*innen. Die Zahl der Betriebe im klassischen Bäckerhandwerk ist in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent gesunken.
Fachkräftemangel: Seit 2014 sind 20000 Arbeitsplätze verlorengegangen. Gleichzeitig steigt der Anteil an Teilzeitkräften auf knapp 40 Prozent. Erfreulich ist die Entwicklung bei den Auszubildenden zu Fachverkäufer*innen im Bäckerhandwerk. Dort gab es 2024 einen Zuwachs von 22,5 Prozent.
Strukturwandel: Die Dominanz der Großfilialisten und Brotindustrie wächst. Die Anzahl der traditionellen Bäckerhandwerksbetriebe sinkt seit Jahren, während große Unternehmen expandieren.
Löhne & Arbeitsbedingungen: In Handwerksbäckereien und Filialbäckereien ist die Bezahlung oft niedrig. In der Brotindustrie hingegen sind die Löhne höher, aber die dortige Schichtarbeit belastet die Beschäftigten.
Arbeitsbelastung: Beschäftigte beklagen eine hohe Arbeitsintensität, im Wesentlichen verursacht durch Personalmangel. In Filialbäckereien ist die psychische Belastung besonders hoch. In der Industrie klagen die Beschäftigten über die hohe Intensität im Schichtbetrieb.
Azubi-Situation: Die Zahl der Auszubildenden hat sich in den letzten zehn Jahren fast halbiert. Laut Befragung wissen 73 Prozent nicht, ob sie nach ihrer Ausbildung übernommen werden. 58 Prozent halten die Vergütung für zu niedrig. Doch 2024 dreht sich der Trend: Bei den Bäcker*innen-Azubis gab es ein Plus von 11,4 Prozent. Rund 25 Prozent der Auszubildenden kommen aus dem Ausland bzw. haben einen ausländischen Pass.
Über die Branchenanalyse Backgewerbe: Neben einer Literaturanalyse und der Auswertung von Statistiken wurden 27 Interviews mit Vertreter*innen von Verbänden, NGG und Betrieben geführt. Zusätzlich wurde zwischen dem 3. Oktober 2024 und dem 24. Februar 2025 durch die NGG eine bundesweite Onlinebefragung durchgeführt, an der sich 1395 Beschäftigte der Branche beteiligt haben. Die Befragungsergebnisse sind weitestgehend repräsentativ. Bei der heutigen Ergebnisvorstellung handelt es sich um vorläufige Kernergebnisse. Der Gesamtstudienbericht wird im Sommer 2025 erscheinen.
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Weitere Branchendaten sowie Zitate von der Pressekonferenz finden Sie hier: https://www.ngg.net/index.php?id=6880&no_cache=1
Criteria of this press release:
Journalists
Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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