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Wissenschaft
Lügen lohnt sich: Wer im Internet die Unwahrheit sagt, hat inzwischen oft großen Erfolg in der Politik. Beobachter schauen dabei meist nur auf die kurzfristigen Folgen von politischen Kampagnen im Internet. Über längere Zeiträume sind die Folgen von Lügen und Falschaussagen im Internet durch Politikerinnen und Politiker noch nicht wissenschaftlich beobachtet worden. Dies will eine vor Kurzem eingerichtete „Beobachtungsstelle für Online-Politik“ an der Universität des Saarlandes nun ändern.
Einwanderer aus Haiti essen in Ohio Hunde und Katzen in der Nachbarschaft, behauptete der heutige US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf: Mit Lügen wie dieser wird im Internet Wahlkampf betrieben, der sich inzwischen auch für die Kandidatinnen und Kandidaten, die solche Lügen verbreiten, auszahlt. Dass dies so ist, mag eine Langzeit-Folge von Falschbehauptungen und Verhaltensweisen im Internet sein, die vor ein, zwei Jahrzehnten noch undenkbar bzw. unsagbar gewesen wären.
„Insbesondere heute, nachdem viele Social-Media-Plattformen Faktenchecks wieder ganz eingestellt haben und kaum mehr moderierend in Diskussionen eingreifen, verbreiten sich Lügen und Falschbehauptungen rasend schnell“, sagt Rosa M. Navarrete, Historikerin und Politikwissenschaftlerin am Lehrstuhl von Daniela Braun, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität des Saarlandes. Sie leitet die nun eingerichtete „Beobachtungsstelle für Online-Politik“, an der sie gemeinsam mit ihren Kollegen Alex Hartland und Giuseppe Carteny, wie Navarrete ebenfalls Postdoktoranden am Lehrstuhl von Professorin Daniela Braun, die Langzeitfolgen von politischem Handeln im digitalen Raum erforscht. Die Beobachtungsstelle für Online-Politik ist darüber hinaus auch Teil des Interdisziplinären Instituts für Gesellschaftsinformatik (Interdisciplinary Institute for Societal Computing (I2SC)), das von Daniela Braun und dem Informatiker Professor Ingmar Weber gemeinsam geführt wird.
„Der Großteil der politikwissenschaftlichen Forschung konzentriert sich auf kurzfristige Analysen von politischem Handeln im Internet. Die langfristigen Folgen hingegen werden bislang kaum wissenschaftlich untersucht“, so die Expertin, die sich seit vielen Jahren mit dem Einfluss des Digitalen auf politische Einstellungen beschäftigt. Zwar könne man feststellen, dass Social Media als Quelle politischer Information nicht unmittelbar dafür sorge, dass die Menschen die Demokratie nicht mehr als beste Staatsform ansähen. „Aber die Zufriedenheit mit der Demokratie geht stetig leicht zurück“, so die Beobachtung der Wissenschaftlerin. Dieses stetige, langsame „Einsickern“ ist das Hauptmotiv für Rosa Navarrete und ihre Kollegen, sich die Langzeiteffekte von politischem Handeln im Internet genauer anzuschauen.
Höhlt der stete Tropfen also wirklich den Stein, wie es das Sprichwort sagt? „Desinformation macht sich möglicherweise nicht unbedingt dadurch bemerkbar, dass Menschen tatsächlich an die Lügen glauben, die Politikerinnen und Politiker ihnen im Internet auftischen. Gefährlich werden die Fake News insbesondere dadurch, dass Sprache und Verhaltensweisen, die früher gesellschaftlich inakzeptabel waren, normalisiert werden“, fasst Rosa Navarrete zusammen.
„Je mehr Menschen im Internet extremen Inhalten, schockierenden Bildern und toxischer Rhetorik ausgesetzt sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ein solches Verhalten in ihrem Offline-Leben akzeptieren“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Wenn Bürgerinnen und Bürger beispielsweise häufig mit menschenverachtenden Inhalten über Einwanderer konfrontiert werden, die von jubelnden Kommentaren begleitet werden, sind sie möglicherweise weniger geneigt, sich gegen diese Rhetorik auszusprechen - selbst, wenn sie demokratischen Werten widerspricht.“
In diesem Zusammenhang betont Rosa Navarrete, wie wichtig es ist, zu verstehen, wie politische Parteien online kommunizieren und Täuschung als strategisches Instrument einsetzen. „Die Risiken, für die Irreführung der Wählerschaft bestraft zu werden, scheinen geringer zu sein als die möglichen Vorteile“, stellt sie fest. Kurz gesagt: Lügen lohnt sich inzwischen für Politikerinnen und Politiker.
Daher ist die Arbeit der Beobachtungsstelle für Online-Politik von entscheidender Bedeutung. Mit den Antworten auf die Frage, wie sich Politik im Internet langfristig auswirkt, können gezielt Strategien entwickelt werden, um die Demokratie wieder zu stärken statt zu schwächen – damit sich das Lügen eben nicht mehr lohnt.
Hintergrund: Interdisciplinary Institute for Societal Computing (I2SC)
Das Institut fördert die interdisziplinäre Forschung an der Saar-Universität und bietet eine Plattform für den Austausch zwischen Sozial-, Geistes- und Computerwissenschaften. Die Leitung haben Ingmar Weber, Humboldt-Professor für Künstliche Intelligenz, und Daniela Braun, Professorin für Politikwissenschaft übernommen. Die Forschungsarbeit des Instituts teilt sich in zwei Hauptbereiche: Computing der Gesellschaft und Computing für die Gesellschaft. Der erste Schwerpunkt konzentriert sich auf den Einsatz von computerbasierten Methoden, um soziale Phänomene zu erforschen. Im zweiten Schwerpunkt geht es darum, mit diesen Methoden Ansätze zu entwickeln, um das gesellschaftliche Zusammenleben zu verbessern.
Weitere Informationen: www.i2sc.net
Dr. Rosa M. Navarrete
Tel.: (0681) 3022368
E-Mail: rosa.navarrete@uni-saarland.de
Webseite: https://politics.i2sc.net/
Dr. Rosa M. Navarrete
Navarrete
privat
Criteria of this press release:
Journalists
Information technology, Politics, Social studies
regional
Organisational matters, Research projects
German
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